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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Auf sein Wort hin anfangen

Der Text des Sonntagsevangeliums ist so wunderbar, dass es mir schwer fällt, noch etwas hinzuzufügen. Das Wunderbare dieser Nachricht ist: Gott spricht und sein Wort ist der Anfang von allem, was ist.

Schon vor Christus haben die griechischen Philosophen darüber gerätselt, was denn der Urstoff sei, aus dem alles geworden ist. Die Bibel gibt bereits in der Schöpfungsgeschichte eine Antwort darauf: Gott schafft und wirkt – indem er spricht. Es ist also ein geistiges Prinzip, das uns den Anfang schenkt und kein materielles. Die moderne Quantenphysik würde einer solchen Theorie Recht geben. Nicht der Wasserstoff, sondern die Information ist der Urstoff, aus dem alles geworden ist. Das ist die Einsicht der modernen Quantenphysik.

Aber lassen wir das Philosophieren. Was hat der Text mit mir zu tun? Was sagt er mir für mein Leben? Es gibt einen Satz des englischen Theologen, anglikanischen Pfarrers und späteren katholischen Kardinals, des seligen John Henry Newman (1801-1890 ), der mir in diesem Zusammenhang einfällt: „Fürchte nicht, dass dein Leben enden wird, sondern fürchte lieber, dass es nie beginnen wird.

In manchen Augenblicken jagt uns der Gedanke an unseren Tod Angst ein. So sehr vielleicht, dass wir ganz gelähmt sind. Doch dann lässt diese Angst auch wieder nach und wir geben uns den Annehmlichkeiten des Lebens hin. Wir fragen nicht, ob wir schon begonnen haben zu leben. Dabei geht es genau darum. Es geht  um Gottes erstes Wort der Schöpfung mit dem alles beginnt und es geht um mein erstes Wort, um mein Ja zu mir.

Vielleicht, ist es gar nicht so wichtig, an das Ende meines Lebens zu denken, an den Schlusspunkt, der mir gesetzt wird. Vielleicht ist es viel wichtiger, den richtigen Anfang zu finden und aus diesem Anfang zu leben. Denn der Anfang ist ja nicht nur der biologische, also meine Geburt aus dem Schoß meiner Mutter. Welcher Anfang ist also gemeint? Wann fange ich an zu leben? Das ist eine existenzielle Frage, der ich im Laufe meines Lebens ständig begegne. Der Text des Johannes-Evangeliums klärt uns über unseren Anfang auf. Durch das Wort, das der Vater spricht, beginnt mein und dein Leben.

Und das Evangelium fährt fort: Wir erkennen das nicht, wir sind wie mit Blindheit (Finsternis) geschlagen, wir nehmen dieses Wort nicht an. Warum auch immer wir so blind und verstockt sind, das Licht kommt in unsere Finsternis: Gott selbst kommt als Mensch in unser Leben und sagt uns ganz menschlich, wer wir sind. Ohne dieses Mensch gewordene Wort des Vaters, ohne Jesus Christus und seine Botschaft können wir im Letzten nichts anfangen mit unserem Leben. Er hat uns gezeigt, dass Licht und Schatten, Glückseligkeit und selbst das abgründige Fehlverhalten, die Schuld, zum Menschsein gehören. Menschsein, wie es ist, mein Menschsein, wie es sich ereignet, das ist die Wirklichkeit, die zum Anfang wird.

Wir können aufhören damit, uns nach einem imaginären Dasein zu sehnen, das „rein“ und „untadelig“ ist. Gott will ja nicht, dass wir alles richtig machen, sondern dass wir unseren Anfang aus seinem Wort empfangen. Das ist ein wirklicher Anfang, jeden Tag: uns aus Gott ganz neu zu empfangen. Damit können wir beginnen und müssen uns nicht vor dem Ende fürchten. Denn Gottes neuer Anfang mit uns ist Jesus Christus und in ihm können wir uns finden – so wie wir sind.                         

Dr. Bettina-Sophia Karvath, Kirchenzeitung vom 4. Januar 2015

Lesungen zum 2. Sonntag nach Weihnachten am 4. Januar 2015