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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Armut – die unmögliche Herausforderung

Wir gehören nicht zu denen, die arm sind. Es sind die, welche zu uns kommen nur die Kleider am Leib, die gerade noch das nackte Leben gerettet haben. Nach den Worten Jesu müssten wir eigentlich das Leben von ihrer Seite aus betrachten und nicht vom gesicherten Wohlstand aus. Aus dieser Sicht wird alles in Abrede gestellt, was unser Leben erträglich, angenehm und erstrebenswert macht. Von der Botschaft Jesu bleiben dann nur Ratlosigkeit und ein schlechtes Gewissen. Es wäre aber ein Missverständnis zu meinen, wir müssten nur die negativen Seiten des Daseins wählen.

Was Jesus hier ausspricht, ist eine Seligpreisung, ist Bejahung des Lebens im höchsten Grad. Die Übersetzung für „selig“ lautet bei Martin Buber: „O, das Glück! Wie groß ist das Glück eines Menschen, der arm ist, weil er von Gott ergriffen ist!“ Für Armut steht wie kein anderer der Name des heiligen Franziskus. Seine Liebe zur Armut ist nicht zu verstehen ohne den inneren Reichtum seiner Persönlichkeit. Es stehen Erfahrungen dahinter, welche diese Bezeichnung verdienen.

Darunter ist ein Ereignis, das ihn, den verwöhnten Kaufmannssohn auf die neue Spur bringt. Auf dem nächtlichen Heimweg mit seinen Freunden bleibt er plötzlich stehen. Es heißt: Gott hatte ihn berührt. Er fühlt sich in „Süße“ getaucht. Als die anderen zurückkehren, erscheint er wie in einen anderen Menschen verwandelt. Sie fragen ihn, woran er denn gedacht habe, etwa an eine Frau. „Ja an eine Frau“, sagt er, „so schön, so reich, so edel, wie ihr sie euch nicht vorstellen könnt“. Ihm ist, als ob er sich in die schönste Frau verliebt hätte. Das ist nicht geprahlt. „Er sagte dies aus göttlicher Eingebung; denn seine Braut war die wahre Gottesnähe, der er sich ergeben wollte. Sie war edler, reicher und schöner durch ihre Armut als jede andere Frau“. Franziskus wählt nicht die harte Lebensweise als solche, vielmehr entscheidet er sich für die intensive, beglückende Gotteserfahrung, die mit der Armut einher geht. Er erlebt etwas so Großartiges, Schönes und Edles, dass sich für ihn alles, was ihn bisherig angezogen hatte, in nichts auflöst: das üppige Leben, die Beliebtheit im Ort, seine Zukunftspläne. Die Nähe Gottes löst ihn von allem Besitz andererseits ruft die frei gewählte Armut „Süße“ und Jubel hervor, ein Erleben, das andere Begehrlichkeiten verblassen lässt.

Er ist ein anderer geworden. Er passt nirgends mehr hinein. Er muss das Schicksal eines Ausgestoßenen erleiden, eines, der hungert, bettelt, der zum Gerede und zum Gelächter der Stadt wird und bei alldem seine Freude nicht verliert. Hier dem Heiligen zu folgen, scheint unerträglich. Wir müssen aber nicht den Mangel, sondern die Fülle anstreben. Es geht nicht um einen Verzicht, der unser Leben schwerer macht, sondern um einen Gewinn, der dem Streben nach äußerem Besitz die Leidenschaft nimmt. Wir dürfen fragen: Was bereichert mich? Was füllt mich aus? Erst der innere Reichtum macht die äußere Armut wertvoll.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 7. Februar 2016

Lesungen zum 5. Sonntag im Jahreskreis am 7. Februar 2016