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31.05.2022

Heilig sein

Foto: Geraldo Hoffmann/pde

Darstellung des heiligen Willibald in der Filialkirche St. Sola und St. Alban zu Eberswang. Foto: Geraldo Hoffmann

„Heilig sind die, die ihre Segnungen mit der ganzen Schöpfung teilen“, so heißt es in den Studientexten des Morgengebets am Shabbat. Diese Beschreibung für einen Heiligen kann sicher auf den heiligen Willibald übertragen werden, der – zusammen mit seinen Geschwistern Walburga und Wunibald, die ebenfalls als Heilige verehrt werden – den Grundstein für die Glaubensverkündigung in und um Eichstätt gelegt hat.
Im katholischen Bereich sprechen wir ganz selbstverständlich von Heiligen und ihrer Funktion als Mittler und Mittlerin zwischen den Menschen und Gott. Dabei vergessen wir, dass es, nicht nur im Dialog mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern, eine Heiligenverehrung in dieser uns vertrauten Form nicht gibt. Dies lädt dazu ein einmal auf Spurensuche zu gehen, was mit dem Begriff „Heiligkeit“ oder „heilig sein“ biblisch gemeint sein kann.

Im Alten Testament wird der Begriff „heilig‘“ zunächst einmal dazu benutzt, um den Gegensatz von Heiligem und Profanen zu benennen. Heiligkeit wird dabei zuallererst Gott zugeordnet. Der bekannteste Schriftbeleg für diese Zuordnung ist das Trishagion (Jes 6,3), das, uns als Sanctus vertraut, Einzug in die Liturgie gehalten hat. Und da Gott der Heilige ist, wird auch vom Volk Gottes eine entsprechende Heiligkeit gefordert. Um diesen Anspruch zu erfüllen, ist das Volk dazu verpflichtet, die Gebote Gottes in das alltägliche Leben hineinzunehmen (vgl. dazu auch besonders das Heiligkeitsgesetz Lev 16-27).

Darüber hinaus können im Zusammenhang mit der kultischen Sprache Erscheinungsorte, Kultgegenstände, Priester und Gottgeweihte mit dem Begriff „heilig“ in Verbindung gebracht werden.

Im Neuen Testament ist Heiligkeit keine Eigenschaft an sich, sondern ein Begriff, der sich von Gott her bestimmt. So betont Paulus in seinen Schriften, dass alle Christen Heilige sind, weil sie durch den Glauben an Jesus Christus und die Taufe mit Gott versöhnt und vom Hl. Geist beschenkt sind. Durch Christus und in ihm wird jede Unterscheidung von Heiligem und Profanen aufgehoben. Und Paulus wird nicht müde zu betonen, dass alle zu einem Leben in Heiligkeit verpflichtet sind.

„Heilig sein“ – was über alle Grenzen hinweg verbindet, ist die unumstößliche Einladung, sich immer wieder die Frage zu stellen: Was willst Du, Gott, dass ich hier und heute an meinem Platz tue? Willibald hat sich diese Frage sicher immer wieder gestellt und dabei auch gewusst, dass das Hören nur die eine Hälfte ist; sie muss durch das Handeln ergänzt werden, da Hören und Tun eine unauflösliche Einheit bilden.
Bis heute lädt uns Willibald dazu ein, immer wieder – auch während des Tages – innezuhalten und mit Gott in Verbindung zu treten, um so auf sein Wort zu hören und mit ihm den Mut für ein entsprechendes Handeln zu finden. Willibald zeigt uns, dass ein heiliges Leben nichts Verschrobenes, Spießiges oder wie auch immer aus der Mode Gekommenes ist. Er zeigt: Ein Leben nach dem Wort Gottes bedeutet, den Weg zu gehen, auf den Gott mich ganz persönlich gerufen hat. Diesen Weg gehe ich nicht in Einsamkeit und Isolation, sondern mit allen, denen ich gemeinschaftlich verbunden bin.
Ganz konkrete Hinweise, wie eine solche Teilhabe an der Heiligkeit Gottes gelebt werden kann, finden wir, wie vor uns Willibald, in den Schriften des Apostel Paulus. Er ruft auf zu Ehrlichkeit, Vergebung, Frieden und einem Leben nach den Grundtugenden, die er in Gal 5,22f benennt. Weitere Impulse aus den Evangelien (insbesondere der Bergpredigt) und der Briefliteratur sind z.B. die Bereitschaft, sich jeder Form der Vorverurteilung zu enthalten, seine Zunge im Zaum zu halten oder den Nächsten zu lieben.

Sollte einem auf diesem Weg der gelebten Heiligkeit der Mut zu verlassen drohen, könnte – zusätzlich zu dem Blick auf Willibald und seine Geschwister – dieser Gedanke hilfreich sein:
„Ein Mensch mag viel oder wenig tun – wichtig ist, dass sein Herz auf Gott gerichtet ist.“ (Berachot 17a)

Text: Barbara Bagorski