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25.05.2021

Die Tora – Einladung zum gemeinsamen Studium

Schriftrolle mit Jad. Foto: Freidbert Simon/Pfarrbriefservice.de

Schriftrolle mit Jad. Foto: Freidbert Simon/Pfarrbriefservice.de


Wenn in der christlichen Verkündigung von der „Tora“ gesprochen wird, kommt es fast automatisch zu einer Verbindung, ja sogar zu einer Gleichsetzung des Wortes Tora mit Gesetz. Aber trifft diese Verbindung ins Schwarze – oder schwingt unterschwellig eine nicht nur positive Bewertung des Begriffes mit?

In der Alltagssprache der alttestamentarischen Zeit bezeichnete man mit dem Begriff Tora die Weisung der Mutter und des Vaters an die Kinder. Genauer noch war damit die Weisung gemeint, die dazu beitragen sollte, dass sich die Kinder für einen Weg entscheiden, der sie zu einem gelingenden Leben führt. So umfasste die elterliche Weisung Information, Instruktion, Regeln genauso wie Anspruch und Zuspruch.
Im Laufe der Zeit macht die Nutzung und Bedeutung des Begriffes Tora einen Wandel durch. Aus der Weisung der Eltern an die Kinder wurde die Weisung des Priesters an die Laien; in einem weiteren Schritt wurde der Begriff für die Worte des Weisheitslehrers oder auch eines Propheten genutzt.

Im Deuteronomium dann wird der Begriff Tora ausschließlich für den schriftlich vorliegenden Willen Gottes verstanden. Er beschreibt die unverbrüchliche Einheit, mit der das göttliches Wort und der göttliche Wille miteinander verbunden sind.

Inhaltlich umfasst die Tora rechtliche, moralische, religiöse und historische Aussagen, die alle Dimensionen des menschlichen Lebens abdecken. Daher bildet die Tora, die immer wieder neu und intensiv studiert werden will, die Grundlage einer jeden biblisch fundierten Ethik. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass Paulus die Tora als heilig, gerecht und gut (Röm 7,12) beschreiben konnte.
Als Christen und Juden gemeinsam Zeichen setzen gegen Vorurteile, aufeinander zugehen, gemeinsam die Tora studieren – geht das? Ja – ohne dass die einen oder die anderen ihre jeweils geltenden Grundüberzeugungen aufgeben müssen – indem wir die reiche Komplementarität entdecken, „die uns erlaubt, die Texte der hebräischen Bibel gemeinsam zu lesen und uns gegenseitig zu helfen, die Reichtümer des Wortes Gottes zu ergründen sowie viele ethische Überlegungen und die gemeinsame Sorge um die Gerechtigkeit und die Entwicklung der Völker miteinander zu teilen.“ (Evangelii gaudium 248)

Text: Barbara Bagorski