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10.06.2025

KEB verbindet KI-Kompetenz mit wertebasierter Bildung

Künstlicher Intelligenz. Grafik: Gerd Altmann auf Pixabay

KI ist ein hilfreiches Werkzeug, aber kein Allheilmittel in der Bildung. Grafik: Gerd Altmann auf Pixabay

Künstliche Intelligenz (KI) hat bereits einen festen Platz in den Programmen der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) eingenommen.KI-Expertin Tanja Köglmeier aus dem Bistum Regensburg hat mehrere Seminare zu diesem Thema bei der KEB-Ingolstadt gehalten. Zuletzt war sie zu Gast bei der Mitgliederversammlung der diözesanen Arbeitsgemeinschaft in der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB-DiAG) im Tagungshaus Schloss Hirschberg. Im Interview spricht sie über Chancen und Risiken der KI für die Katholische Erwachsenenbildung.

Frau Köglmeier, was bedeutet KI für die KEB und ihre Programmplanung?
Tanja Köglmeier: Als Bildungsthema eröffnet KI ein weitreichendes Feld mit dem klaren Auftrag, KI-Kompetenz zu fördern und zugleich eine wertebasierte und christlich-anthropologische Bildung zu ermöglichen. Dies ist auch ein Alleinstellungsmerkmal der KEB, das sie hoffentlich zu nutzen weiß. Gleichzeitig steigen in einer von KI geprägten Bildungslandschaft die Anforderungen. Die KI-Verordnung der EU – aber nicht nur diese, sondern auch der Qualitätsanspruch der KEB – verpflichtet: Wer mit KI-Systemen arbeitet, braucht fundiertes Wissen darüber. Diese Kompetenz muss nicht nur vermittelt, sondern auch nachgewiesen werden und letztlich zur Umsetzung kommen. Und auch für das Bildungsmanagement bietet KI Chancen: Sie kann Prozesse erleichtern – von der Planung bis zur Administration. Ein Thema also mit viel Verantwortung – und viel Potenzial.

Welche konkreten Potenziale sehen Sie im Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Erwachsenenbildung?
Künstliche Intelligenz (KI) bietet der KEB großes Potenzial, vor allem, indem sie in ihren Veranstaltungen einen Raum schafft, um ethisch reflektierte Entscheidungen zu ermöglichen. Einen Raum, der in anderen Bildungsformaten nicht immer gegeben ist, weil der Fokus dort auf der Anwendung liegt. Zudem kann KI die Verwaltung entlasten, personalisierte Lernwege fördern und neue Bildungsformate ermöglichen. Die KEB ist besonders stark, wenn sie KI-Kompetenz mit wertebasierter Bildung verknüpft und Menschen so befähigt, KI verantwortungsvoll zu nutzen.

Welche Kompetenzen benötigen Lernende und Lehrende, um KI sinnvoll nutzen zu können?
Die wichtigste Kompetenz aus meiner Sicht im Umgang mit KI ist die Fähigkeit zur kritischen Reflexion. KI-generierte Inhalte klingen oft überzeugend, sind aber nicht immer korrekt – sei es bei Texten, Bildern oder Videos. Genau hier braucht es Urteilsvermögen: Wer KI nutzt, muss ihre Ergebnisse einordnen, prüfen und hinterfragen können – besonders im Hinblick auf Quellen, Faktentreue und Wirkung. Bringt man diese Fähigkeit mit, ist man außerdem in der Lage bewusst zu entscheiden, ob, wann und wie man KI-Tools selbst zum Einsatz bringt.

Wie verändert KI das Rollenverständnis von Lehrkräften in der Weiterbildung?
KI verändert das Rollenverständnis von Lehrkräften nicht radikal, sondern beschleunigt einen Wandel, der mit der Digitalisierung längst begonnen hat. Gute Weiterbildung war schon immer mehr als reine Wissensvermittlung – Lehrkräfte agieren zunehmend als Lernbegleiter, Coach und Prozessmoderator. Dabei bleibt das Erfahrungswissen der Lehrenden unverzichtbar – gerade in einer Bildungslandschaft, die technischer wird, aber menschliche Orientierung mehr denn je braucht.

Welche Risiken geht die KEB ein, wenn sie KI einsetzt und wie kann sie diese neuen Herausforderungen begegnen?
Ein zentrales Risiko beim Einsatz von KI liegt im Verlust echter menschlicher Begegnung. Wenn KI Lernbegleitung und Kommunikation übernimmt, droht der persönliche Bezug zu den Teilnehmenden zu schwinden. Ein weiteres Risiko betrifft das Bildungsverständnis selbst: Wer KI nur als Antwortmaschine sieht, könnte meinen, Bildung sei überflüssig. Doch genau hier braucht es Differenzierung: Bildung ist mehr als Wissensvermittlung – sie befähigt zur Einordnung, Reflexion und Urteilsbildung. Deshalb gilt: Der Einsatz von KI muss bewusst, reflektiert und strategisch eingebettet werden – im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsbegriffs, wie ihn die KEB vertritt. Nur so bleibt Bildung Beziehung – und KI ein hilfreiches Werkzeug, nicht ihr Ersatz.

Welche ethischen Grenzen sollte der Einsatz von KI in der Bildung nicht überschreiten?
Wo die Grenzen von KI verlaufen sollen, ist eine ethische und institutionelle Entscheidung – und sie beginnt bei jedem Einzelnen. Für mich ist zentral: Menschen müssen immer die Wahl haben, ob sie Bildungsangebote mit oder ohne KI wahrnehmen. Wenn KI involviert ist, sollte dies immer klar als Teilnahmevoraussetzung angegeben sein. Die KI-Verordnung zieht die Grenze übrigens dann, wenn einem KI-Tool eine lebensweisende Entscheidung überlassen wird, wie z.B. die automatische KI-Bewertung einer Prüfung, also sehr viel später, als ich die Grenze ziehen würde.

Darüber hinaus braucht es klare Qualitätsstandards, wenn KI-Tools zum Einsatz kommen: Diese sollten folgende Bedingungen erfüllen: Keine Diskriminierung durch algorithmische Verzerrungen, Nachhaltigkeit im Betrieb der KI-Systeme, Respekt vor Urheberrechten, Datenschutz als nicht verhandelbare Grundlage und Transparenz über Funktionsweise, Trainingsdaten und mögliche Grenzen – auch wenn eine gewisse Intransparenz systembedingt bleibt. Nur wenn diese Standards eingehalten werden, kann KI ein unterstützendes Werkzeug bleiben – und nicht zur Gefahr für Bildungsgerechtigkeit, Menschenwürde oder Autonomie werden.

Inwiefern kann KI helfen, Bildungsbenachteiligung zu überwinden und Solidarität zu fördern?
Für mich ist nicht die Frage, ob KI zur Bildungsgerechtigkeit beiträgt, sondern ob sie das überhaupt kann. Denn die Digitalisierung hat bereits gezeigt, dass sie bestehende Ungleichheiten oft nicht abbaut, sondern verstärkt – vor allem für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln. Man spricht hier auch von der digitalen Bildungsschere. Auch KI ist demnach kein Allheilmittel: Viele Tools sind kostenpflichtig und setzen digitale Endgeräte sowie einen Internetzugang voraus – Dinge, die nicht für alle selbstverständlich sind. Der Zugang zu und Umgang mit KI hängt so oft von der sozialen Herkunft und der infrastrukturellen Ausstattung ab. Solange diese Voraussetzungen nicht für alle gleichermaßen gegeben sind, bleibt Bildungsgerechtigkeit durch KI ein hehres Ziel, aber kein selbstverständlicher Effekt.

Sie befassen sich in Ihren Vorträgen auch mit der KI-Verordnung der EU (EU AI Act). Wie bewerten Sie die neuen europäischen Regelungen zur KI im Hinblick auf ihren Einfluss auf den Bildungssektor?
Die KI-Verordnung bringt klare Pflichten für Bildungsträger mit sich. Gemäß Artikel 4 des AI Acts müssen alle Personen, die mit KI-Systemen arbeiten, über nachweisbare Kompetenzen verfügen. Dazu gehören ein grundlegendes technisches Verständnis, die Fähigkeit zur ethischen Bewertung sowie das Wissen, wie Risiken im jeweiligen Arbeitsfeld einzuschätzen sind.Bildungsträger sind demnach aufgefordert, entsprechende Schulungen anzubieten, Nachweise zu ermöglichen und Lernumgebungen zu schaffen, in denen ein reflektierter Umgang mit KI eingeübt werden kann. Das bedeutet organisatorische, konzeptionelle und didaktische Verantwortung.Das Erfordernis von KI-Kompetenzen erachte ich dabei als äußerst sinnvoll. Spannend wird sein, wie in der Praxis damit umgegangen wird. Ob es zu einer Kompetenzbildung kommt oder dies nur als oberflächliche Vorschrift abgehakt wird, bleibt abzuwarten.

Welche Rolle könnten kirchliche Träger oder die Zivilgesellschaft bei der Entwicklung ethisch vertretbarer KI-Bildungssysteme übernehmen?
Kirchliche Träger und zivilgesellschaftliche Institutionen sind in der Verantwortung, sich bewusst mit der Realität einer von KI geprägten Welt auseinanderzusetzen und eine klare ethische Haltung zu entwickeln. Diese Haltung sollten sie dann auch in der Öffentlichkeit artikulieren.Die Prinzipien der katholischen Soziallehre – Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl – bieten hierfür eine fundierte Grundlage. Sie erleichtern die ethische Einordnung von KI, was ein Vorteil katholischer Träger ist.Zudem steht bei kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern in der Regel der Mensch und nicht das wirtschaftliche Interesse im Fokus. Das unterscheidet sie grundlegend von vielen KI-Entwicklern, deren Systeme für den Bildungsbereich oft kommerziell geprägt sind.

Gerade deshalb ist eine konsequente ethische Perspektive notwendig: Verlautbarungen des Vatikans, etwa von Papst Leo oder zuvor von Franziskus, müssen in Bildungszusammenhänge hineingetragen werden. So kann auch in einer von KI durchdrungenen Bildungslandschaft der Mensch im Mittelpunkt bleiben – als lernendes, denkendes und verantwortungsfähiges Subjekt.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

Tanja Köglmeier, M. A., arbeitet freiberuflich als Trainerin für KI-Kompetenz (www.digitalkompetenz.net). Hauptberuflich arbeitet sie bei der KEB im Bistum Regensburg. Bei ihren Angeboten rund um KI ist es ihr wichtig, als Brückenbauerin zwischen Mensch und Technik zu fungieren und Resonanzräume zu schaffen, sodass sich jede Person ein fundiertes Bild von KI als Technologie machen kann.