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02.05.2023

ZdK, Synodaler Weg und „Gremien-Wildwuchs“: Interview mit Christian Gärtner

Diözesanratsvorsitzender Christian Gärtner

Diözesanratsvorsitzender Christian Gärtner hofft, „dass die Themen des Synodalen Wegs nicht in der Schublade verschwinden“. Foto: Norbert Staudt

Am kommenden Freitag und Samstag, 5. und 6. Mai, findet die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in München statt. Über seine Erwartungen und die Themen des Treffens spricht der Vorsitzende des Diözesanrats im Bistum Eichstätt, Christian Gärtner.

Herr Gärtner, was steht bei der nächsten Vollversammlung des ZdK, die erste nach der letzten Synodalversammlung, auf der Tagesordnung?
Christian Gärtner: Es sind zwei Themenblöcke, die wahrscheinlich im Moment sehr viele engagierte Gläubige beschäftigen. Zum einem geht es um das Thema „Friedensethik“ mit der Frage, was unsere christliche Verpflichtung, sich für den Frieden in der Welt einzusetzen, bedeutet angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, aber auch vieler anderer bewaffneter Konflikte weltweit. Damit verbunden ist die Auseinandersetzung darüber, inwieweit man den Opfern und Angegriffenen in diesen Konflikten helfen kann und muss, ggf. auch durch Waffenlieferungen. Es geht dabei auch darum, wie ein gemeinsames christliches Friedensengagement angesichts der divergierenden Positionen gerade in dieser Frage in Zukunft aussehen kann.
Das zweite große Thema ist „Synodalität“, konkret, wie es mit den Themen des Synodalen Wegs nach seinem Ende weitergeht, und was wir als ZdK vom Synodalen Ausschuss erwarten, in dem das ZdK ja neben den Bischöfen den größten Teil der Mitglieder stellt. Damit verbunden ist auch die Frage einer sich wandelnden Rolle des ZdK in diesem Prozess überhaupt. Da wird im ZdK auch eine interne Debatte zum eigenen Selbstverständnis und Leitbild geführt.

Mit welchem Gefühl fahren Sie zur Versammlung?
Gärtner: Ich freue mich, wie immer, auf diese Versammlung, weil es bundesweit neben den Katholikentagen die wichtigste Gelegenheit ist, bei dem sich die in Räten und Verbänden engagierten Gläubigen treffen und um solche Fragen, die uns in der katholischen Kirche in Deutschland beschäftigen, ringen und versuchen, gemeinsame Positionen zu finden. Außerdem wird sehr viel auch am ZdK liegen, wie es mit dem Weg der Synodalität in Deutschland weitergeht. Wir sind im Moment in einer Phase, in der die Weichen dafür gestellt werden, welche Themen konkret im Synodalen Ausschuss behandelt werden sollen, und was in diesem Rahmen in den nächsten Jahren angegangen werden muss.

Was hat der Synodale Weg nach Ihrer Einschätzung erreicht?
Gärtner: Er hat erreicht, dass die wesentlichen kirchenspezifischen Ursachen für Missbrauch und seine Vertuschung identifiziert und behandelt worden sind, und in aller Offenheit mit den Bischöfen und auch unter den Bischöfen untereinander diskutiert worden sind. Auch die Themen, die weltweit angegangen werden müssen, wie die Fragen nach dem Zölibat oder der Weihe auch für Frauen, sind benannt und werden sicher – nicht nur aus Deutschland – in den weltweiten synodalen Prozess mit eingebracht werden. Die zwei wichtigsten konkreten Ergebnisse, die schon umgesetzt sind, sind die Einrichtung des Synodalen Ausschusses, mit dem es weiterhin eine verbindliche strukturelle Verankerung von Synodalität für die katholische Kirche in Deutschland gibt, und die neue Grundordnung für die Beschäftigten im kirchlichen Dienst, die angesichts der Bedeutung der katholischen Kirche als eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland für sehr viele Menschen wichtige Fortschritte für die Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse gebracht hat.

Was hat Sie bisher bei dem Reformprozess enttäuscht?
Gärtner: Dass sich im Laufe des Prozesses immer wieder einzelne Teilnehmerinnen mit einer Fundamentalkritik am Prozess und seinen Ergebnissen insgesamt ausgeschieden sind, und nicht bereit waren, auch wenn sie eine Minderheitenmeinung vertreten haben, sich mit ihren Argumenten weiter an den Debatten zu beteiligen.

Sie sind Mitglied des Synodalen Ausschusses, der sich im November konstituieren wird. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem neuen Gremium?
Gärtner: Ich hoffe vor allem, dass die Themen des Synodalen Wegs nicht in der Schublade verschwinden, sondern, dass im Rahmen des Synodalen Ausschusses daran weiter gearbeitet werden kann. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die erreichte Qualität und Offenheit der Debatten und des Gesprächs mit Beteiligung von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und anderen engagierten Gläubigen in diesem Rahmen weitergeführt werden. Die Plenardebatten im Synodalen Weg waren ja angesichts der Themenfülle und der Größe der Versammlung nur sehr verkürzt im Ein-Minuten-Stakkato möglich. Hier hoffe ich auf einen tiefer gehenderen und intensiveren Austausch im Synodalen Ausschuss. Idealerweise könnten wir damit ein Beispiel dafür werden, wie der Weg der Synodalität, auf den der Papst die Kirche im dritten Jahrtausend sieht, konkret aussehen könnte, nachdem wir auf dem Synodalen Weg erste und sicher noch unvollkommene Schritte in diese Richtung probiert haben.

Sie gehören auch einer von Bischof Gregor Maria Hanke eingesetzten Arbeitsgruppe an, die sich im Bistum Eichstätt mit dem Thema Synodalität befassen soll. Was kann diese Gruppe tun?
Gärtner: Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir den bestehenden „Wildwuchs“ an unterschiedlichsten Gremien, mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen zur Beratung und Mitentscheidung, die im Moment an den verschiedensten Stellen in irgendeiner Form auf diözesaner Ebene bei den anstehenden Aufgaben und Debatten mitreden, sinnvoll zusammenführen könnten. Wobei das ja kein spezifisches Problem im Bistum Eichstätt ist, sondern ein allgemeines Problem in unserer Kirche. Es gibt zu viele Gremien, die manchmal sogar gegeneinander in Konkurrenz stehen, und die, wenn es um die Beteiligung Ehrenamtlicher geht, angesichts der zurückgehenden Zahl engagierter Gläubiger, oft gar nicht mehr adäquat besetzt werden können. Eine solche Überfülle an Gremien verhindert echte Partizipation eher, als dass es sie fördert. Hier zu einer Form zu finden, wie Beteiligung und Mitverantwortung aller Gläubigen im Bistum in einer möglichst schlanken Struktur sinnvoll und wirksam organisiert werden kann, sehe ich als die größte Herausforderung an, damit Synodalität auch auf Bistumsebene realisiert werden kann.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann