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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB anlässlich der Jahresabschlussandacht am 31. Dezember 2016 im Eichstätter Dom

Am Hochfest des heiligen Josef, am 19. März, unterzeichnete Papst Franziskus sein nachsynodales Schreiben Amoris laetita - die Liebe in der Familie. Der Heilige Vater wirbt darin um ein tieferes Verständnis der ehelichen Liebe zwischen Mann und Frau sowie für die Wertschätzung der Familie. Papst Franziskus beschreibt Schönheit und Wesen der Ehe im Licht der Heiligen Schrift und der kirchlichen Überlieferung. Die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau ist Schöpfungsgabe und Ikone der Liebe Christi zu seiner Kirche. In der liebenden Verbindung der Eheleute und ihrer gegenseitigen Ergänzung kommt die Erschaffung des Menschen zur Vollendung und wird die Neuschöpfung des Menschen abgebildet. Papst Franziskus will die Gläubigen zur Freude an diesem kostbaren Geschenk führen. Denn die christliche Familie verdankt sich der sakramentalen Ehe. Weil sich im Liebesbund von Mann und Frau Gottes Liebe spiegelt und Christi unwiderrufliche Liebe zu seiner Kirche gegenwärtig wird, ist die gültig geschlossene sakramentale Ehe unauflöslich.

Vor Erscheinen des päpstlichen Schreibens fixierte sich die mediale Erwartung auf die Möglichkeit des Sakramentenempfangs Geschiedener und zivil Wiederverheirateter. Das zentrale Anliegen des Papstes ist aber tiefergehender: Dass Frau und Mann zu dieser Liebe finden und sie in der sakramental geschlossenen Ehe leben!

„Amoris laetitia“ über die Bedeutung der ehelichen Liebe

Franziskus geht verschiedenen Fragen nach: Wie muss diese Liebe unter unseren modernen Lebensumständen gepflegt werden, so dass Partnerschaft gelingt und daraus Familie als Hauskirche erwächst, in der die Kinder in den Glauben eingeführt werden und die Alten einen Platz finden? Wie kann die Gesellschaft heute die Familie als ihre tragende Zelle anerkennen? Wie kann die pastorale Sorge der Kirche in der Ehevorbereitung sowie in der Begleitung der Eheleute und Familien dem Wachstum dieser Liebe und der Bewältigung von Herausforderungen und Konflikten dienen?

Das Verständnis für das eheliche Leben und die Familie sieht der Heilige Vater in den westlichen Industriegesellschaften auf vielerlei Weise gefährdet. Er verweist auf den extremen Individualismus, der sich mit Gleichgültigkeit gegenüber dem Gemeinwohl verbindet und Züge einer Ideologie annehmen kann, welche die Differenz zwischen Frausein und Mannsein ausradieren möchte.  Weiterhin führt der Papst ökonomische Zwänge an, denen Kindererziehung und familiäres Miteinander oft geopfert werden.

Zeugnis geben von der Schönheit der Ehe

Angesichts dieser Herausforderungen gehört es zur Sendung der Kirche, den Menschen die Wahrheit und Schönheit des göttlichen Schöpfungsplanes von Ehe und Familie als etwas Kostbares und Bereicherndes nahezubringen. Papst Franziskus unterstreicht die Bedeutung und die Gültigkeit der kirchlichen Ehelehre. Doch braucht es nach seinen Worten glaubwürdige Zeugen, durch welche dieser Schatz der Kirche in das Leben der Menschen Eingang findet.
Er ermuntert die Gläubigen, ihre guten Erfahrungen mit Ehe und Familie in das öffentliche Leben einzubringen, um der Familie zu einer höheren gesellschaftlichen Anerkennung zu verhelfen.

Die pastorale Sorge um die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau veranlasst den Papst auch, die Zerbrechlichkeit der Liebe in den Blick zu nehmen, ferner Lebenslagen zerbrochener, gescheiterter Liebe. Menschen, die eine sakramental-gültige Ehe eingegangen sind und nach dem Zerbrechen ihrer Liebe nun in einer neuen zivilen Bindung leben, will er mit der Liebe des Guten Hirten aufsuchen, der bewegt ist von Barmherzigkeit.

Das Drama der gescheiterten Ehe

Eine sensible pastorale Begleitung der Menschen in gescheiterter Ehe, zu der Papst Franziskus ermuntert, muss die Liebe des guten Hirten durch Barmherzigkeit spürbar machen, ohne dass die Frage des Schuldigseins und der Zustand des Widerspruchs zum unauflöslichen Ehebund ausgeklammert werden. Wenn eine eheliche Verbindung auseinanderbricht, dann ist der Weg dorthin von Schuld gezeichnet sowie von Schmerz und Leid, besonders für die Kinder des Paares. Papst Franziskus wünscht die Intelligenz der Liebe im Prozess der Begleitung, getragen von der Hingabe an das Evangelium.

Der Dreischritt „Begleiten - Unterscheiden - Integrieren“ muss um der Liebe willen von der Wahrheit geleitet sein und den Betroffenen eine sorgfältige Gewissensbildung ermöglichen.

Der Papst fordert, dass diese an der Lehre der Heiligen Schrift, an Jesu Worten von der Unauflöslichkeit der Ehe und an der kirchlichen Lehre von der Sakramentalität ehelicher Liebe Maß zu nehmen hat, besonders dann, wenn in bestimmten Einzelfällen tragischer Verstrickungen nach sorgfältiger Gewissensbildung unter bestimmten Voraussetzungen die „Hilfe der Sakramente“ angeboten wird.

Die anspruchsvolle Aufgabe der Ehepastoral

Papst Franziskus entfaltet ein anspruchsvolles Profil kirchlicher Ehe- und Familienpastoral, das von unserer Hingabe an das Evangelium unterfangen sein soll. Zu ihren Aufgaben gehört neben dem Auftrag, den Menschen die Schönheit des Schöpfungsplanes und die Haltung Jesu zur Ehe zu erschließen, auch die pastorale Begleitung auf dem Weg zur Ehe, die pastorale Nähe und spirituelle Förderung der Ehepaare und Familien sowie die Begleitung der Gescheiterten.

Nicht nur die Priester und die hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiter sind aufgerufen, sich diesem Auftrag zur Verfügung zu stellen. Gemäß dem Papst betrifft diese Aufgabe die gesamte Gemeinschaft der Getauften, die Pfarreien, wo man einander Wegbegleiter sein soll, Ehepaare für Ehepaare, wie auch Ehepartner füreinander. In der Ehe- und Familienpastoral gibt es für uns viel zu tun, wenn wir Amoris laetitia ernst nehmen. Wir in der katholischen Kirche Deutschlands können von der Praxis der Ehevorbereitung anderer Ortskirchen lernen, in denen Brautleute durch eine Art Ehekatechumenat bis zur Trauung begleitet werden.

Eine intensivierte Form der Vorbereitung auf die Ehe ist dringend geboten, wird doch die Bedeutung der Sakramentalität der Ehe vielfach nicht mehr verstanden. Die Liebe zwischen Mann und Frau gilt vielen als Privatangelegenheit. Das Zusammenleben als Paar geht der kirchlichen Trauung oft schon lange voraus. Die kirchliche Trauung begreift man nur noch als festliche und öffentliche Feier einer schon lange umgesetzten Entscheidung.

Die Ehe als Berufung verstehen

In unserer Ehepastoral muss wieder deutlich werden, dass der Ehebund als Berufung von Gott her zu leben ist und Verlebendigung der Taufberufung ist. Die sakramentale Eheschließung ermöglicht der menschlichen Liebe eine neue Qualität, in der das Ich dem Du durch Christus begegnet und die Liebe von Mann und Frau in Christi Liebe geborgen sein darf, auch eine Liebe, die sich gegenseitig etwas schuldig bleibt. Wir haben den Brautleuten verständlich zu machen, dass sich in der sakramentalen Eheschließung das Brautpaar unter die Prophetie Gottes stellt, unter Gottes Verheißung, sich bleibend an die Liebe des Paares zu binden. Diese Verheißung - und nicht menschliche Kraft und Zuneigung - sollen für beide Menschen der tiefste Grund sein, das Treueversprechen zu wagen.

Weltjugendtag in Krakau

Ein beeindruckendes Ereignis Ende Juli war der Weltjugendtag in Krakau mit fröhlichen, singenden und betenden Jugendlichen aus allen Erdteilen. Der Heilige Vater ermunterte sie in seinen bewegenden Ansprachen, Zeugen Christi und seiner Liebe in dieser Welt zu sein und sich einzumischen in das öffentliche Leben.

Dank des Einsatzes und der attraktiven Gestaltung der Reise durch unseren Jugendpfarrer und sein Team nahm eine vergleichsweise große Anzahl von Jugendlichen aus unserem Bistum daran teil.

Die Überschaubarkeit der altehrwürdigen Stadt Krakau und die große Zahl der dort versammelten jungen Menschen mit ihren Begleitern eröffneten einen Raum, in dem man die Freude des Glaubens in Gebet und Liturgie wie auch in den Begegnungen spüren konnte.

Herausforderungen der Jugendpastoral

Ihnen, die Sie nicht in Krakau dabei waren, will ich keinen Reisebericht zumuten. Ich möchte mich nur dankbar daran erinnern, dass diese Woche des Weltjugendtages und die Tage des Nachprogramms unseren Jugendlichen einen Raum der Glaubenserfahrung und Begegnung ermöglichten, in dem Freude des Glaubens und geistliche Lebendigkeit spürbar war. Ich frage mich: Wo finden Jugendliche bei uns diese Räume, wo in unseren Pfarreien, Dekanaten und Verbänden, wo in unseren Familien? Es braucht solche Räume für den Glaubensweg junger Menschen.

Wir alle erleben, dass Religionsunterricht, Erstkommunion- und Firmvorbereitung, das Geschenk eines Gotteslobs, einer Bibel, eines Katechismus und selbst jugendgemäße liturgische Feiern nicht genügen, damit junge Menschen am Leben der Kirche, am pfarrlichen Leben teilnehmen. Aus zahlreichen Gesprächen weiß ich um die Sorgen von Priestern und pastoralen Mitarbeitern, von Eltern und Großeltern, die leiden, weil die Jungen keinen Bezug zur Kirche haben.

Jugendpastoral als Aufgabe der gesamten Kirche

Druck von Seiten der Eltern ist kein Weg, um junge Heranwachsende für den Glaubensweg zu motivieren. Wie gelingt Weitergabe des Glaubens? Ich bin zurückhaltend gegenüber dieser Redeweise, denn der Glaube der Eltern gehört nicht zur Erbmasse für die Kinder. Jede Generation muss Christus neu entdecken, ihm begegnen und erkennen, dass die Gemeinschaft mit ihm das Leben bereichert, nicht beschneidet.

In Gesprächsrunden höre ich oft Forderungen wie: „Der Pfarrer müsste ...“, „der Kaplan müsste ...“, „die Hauptberuflichen unserer Pfarrei müssten...“ Aber hängt lebendiges Christsein primär am diözesanen Stellenplan und am Profil des jeweiligen Hauptberuflichen? Beauftragt nicht die Taufe auch mich als Erwachsenen beizutragen? Sehr wohl ist es auch Aufgabe der Eltern, Paten und Großeltern, Hilfestellung zu geben, damit die nachkommende Generation die Berufung in die Jüngerschaft Jesu erkennen und ergreifen kann.

Wie soll ich jungen Menschen Hilfestellung leisten? Wie kann ich sie für die Freundschaft mit Christus und für ein Leben mit der Kirche gewinnen? Freundschaft mit Christus setzt Erfahrung von Begegnung voraus. Ich muss den jungen Menschen Begegnung ermöglichen. Nicht irgendeine Begegnung, sondern eine, in der meine eigene Freude des Glaubens und mein Erfülltsein von der Christusbeziehung unaufdringlich durchscheint. Weiß ich selbst mit dem Glauben nicht viel anzufangen oder mache ich mir kaum Gedanken über meinen Glauben, kann ich mein Gegenüber nicht in eine solche Begegnung führen.

In der Begegnung, die von meiner Christus-Erfahrung erfüllt ist, kann sich im Gegenüber etwas ereignen, das nachdenken und aufhorchen lässt.

Glaube erwächst aus der Begegnung

Wir kennen das aus anderen Lebensbereichen. Zwei Menschen treffen aufeinander und irgendwann verlieben sie sich. In der Begegnung beider ereignet sich etwas, das schließlich ihre Herzen füreinander brennen lässt. Sollen Menschen Christus näherkommen, braucht es Begegnungen, in denen sich Ähnliches ereignet. Menschen erfahren durch andere Menschen, dass die Person Jesu, seine Botschaft, ein Bedürfnis, eine Sehnsucht ihres Herzens berührt und Antwort sein will.

Begegnungen, in denen dies spürbar wird, veranlassen den Menschen irgendwann, aufzubrechen und einen Weg zu gehen, um nach Jesus zu suchen. So geschah es mit den ersten Jüngern, als sie auf Jesus trafen. Ihre Begegnung mit Jesus berührte sie tief, sprach ein Bedürfnis, eine Sehnsucht in ihrem Inneren an, sonst hätten sie nicht alles verlassen und sich auf den Weg gemacht, um ihm zu folgen.

Auch heute bewegt der glaubwürdige Zeuge Jesu Christi zum Aufbruch. Sein Lebenszeugnis weckt Vertrauen im anderen Menschen. Im Raum des Vertrauens wird Christus erfahrbar. Liebe Schwestern und Brüder, im alltäglichen Miteinander ist die vertrauensvolle Begegnung häufig der Weg, wie wir uns an Begebenheiten Anteil schenken: ein Freund oder eine Freundin erzählen mir mit all ihrer Gefühlskraft von einem wichtigen Ereignis, das ich selbst nicht miterlebte.

Weil ich ihm oder ihr vertraue, wird das Geschehen, von dem sie mir berichten, für mich lebendig, es wird zum Ereignis, das auch zu meinem Leben gehört.

Wir sind gerufen zur Zeugenschaft! Christus, für den ich mit meinem Leben und Wort stehe, kann im Raum des Vertrauens für den anderen zum Ereignis werden, das ihn so anrührt und den Weg zur Beziehung mit Christus eröffnet. Freilich bedarf der Zeuge großer Geduld, denn oft ist der innere Sinn eines Menschen noch nicht für eine solche Begegnung bereitet, da er die tiefe Sehnsucht seines Herzens nicht spürt.

Neuordnung der Seelsorgestruktur

Liebe Schwestern und Brüder, ohne geistliche Vertiefung unserer pastoralen Arbeit und ohne unser aller Bereitschaft, Zeugen Jesu Christi zu sein, werden auch die neuen Pastoralen Räume im Bistum keinen geistlichen Nutzen bringen. Die Neuordnung der Seelsorgestruktur im Bistum ist zum Abschluss gekommen. Durch Aufteilung größerer Einheiten hat sich die Zahl der Pastoralen Räume gegenüber der bisherigen Gliederung erhöht. Durch kleinere Einheiten soll unsere Pastoral nahe am Menschen sein, d.h. die Kirche soll im Dorf bleiben.

Solche Strukturen sind bedeutsam, um pastorale Mitarbeiter sowie Mittel auf Zukunft hin effizient und gerecht zuweisen und das Zusammenwachsen der Pfarreien zu fördern. Ich bin allen Beteiligten dankbar für die Mühe und Sorgfalt, die sie in die Ausarbeitung und Gestaltung der neuen Pastoralen Räume investiert haben. Die Einheiten dürfen allerdings keine bloßen Verwaltungsgrößen bleiben. Es gilt, aus dem bröckelnden Traditionschristentum, das stark getragen war von Gewohnheiten und Brauchtum, die Brücke in die Zukunft zu schlagen.

Ergreifen wir unsere Berufung, Zeugen Jesu Christi zu sein, die durch ihr Leben Christus zum Ereignis werden lassen und in die Communio mit Gott in der Kirche einladen.

Berufungspastoral als Anliegen aller

Uns allen soll die Berufungspastoral ein Anliegen sein. Eine Atmosphäre des Gebetes und der Offenheit für Gottes Ruf gilt es in den Pfarreien, Verbänden und Zirkeln zu schaffen. Wie damals, so ist der Herr auch heute unterwegs unter uns, begegnet Menschen und spricht sie an: Komm und folge mir. Berufungspastoral muss unter den aktuellen Gegebenheiten breiter ansetzen. Junge Menschen, die wir heute ansprechen, sind oftmals kirchlich nicht tief sozialisiert. Wir wollen sie auf den Weg des Glaubens einladen und sie befähigen zur Christusbeziehung, damit sie sich der Frage stellen: Was will Gott von mir im Leben? So wollen wir der Priester- und Ordensberufung den Weg bahnen, dazu auch anderen kirchlichen und pastoralen Berufen, an denen wir allmählich Mangel leiden.

Sorge um die Gesellschaft in der Krise

Christsein als Lebenszeugnis für die Person und die Botschaft Christi wird gerade auch der säkularen Gesellschaft Hoffnungspotentiale eröffnen. Ängste, Verunsicherung, wachsende Gereiztheit bis hin zur Aggression machen sich im öffentlichen Miteinander breit. Der Kitt des gesellschaftlichen Zusammenhalts scheint von Rissen durchzogen und bröckelt. Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben trotz des ökonomischen Hochs das Gefühl, zu kurz zu kommen. Prekariate entstehen. Die deutsche wie europäische Politik erweist sich im Blick auf zahlreiche Herausforderungen und Krisen als schwerfällig oder kaum handlungsfähig, was Enttäuschung und Unzufriedenheit auslöst.

Angesichts des Überhangs offener politischer Probleme sowie der wachsenden Unübersichtlichkeit unseres Lebens durch Bürokratisierung und gefühlte Intransparenz schmilzt die Überzeugung, dass unsere Gesellschaft ein Zukunftspotential hat. Die um sich greifende Unsicherheit führt in manchen Kreisen zu einer nicht zu unterschätzenden politischen Radikalisierung. Holzschnittartige, kantige Vereinfachungen münden in markige politische Thesen und Forderungen.

Aus Sorge um den Zustand und die Zukunft der demokratischen Gesellschaft neigen andere wiederum dazu, diesem gesellschaftlichen Rumoren rasch mit dem moralischen Zeigefinger zu begegnen und vom hohen Richterstuhl einer political correctness aus zu agieren.

Wer glaubt, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, entwickelt Ängste, weil er für sich keine Perspektive mehr sieht. Sind nicht die sprachliche und physische Aggressivität unserer Tage ein Indiz für den Verlust an Zukunft? Fehlt es uns am Blick nach vorne?

Um sowohl einem wachsenden Aggressionspotential wie vorschnellen Anklagen, Zensuren und Verurteilungen vorzubeugen, müssen Politik und Verantwortungsträger im öffentlichen Leben diesen beunruhigenden Phänomenen mit einem analytischen und therapeutischen Blick begegnen. Anliegen sollte es sein, in diesem oft so emotionalisierten Stimmenwirrwarr wirkliche Desiderate und Nöte der Menschen von Destruktivität und Hass zu unterscheiden und tragfähige Antworten zu geben. Die Gesellschaft braucht diesen differenzierenden und heilsamen Blick, auf dass politisches Handeln den Menschen Zukunft erschließt.

Wir Christen sind überzeugt, dass der Weg in eine gute Zukunft eines Tragegerüsts von Werten bedarf, die der Würde des Menschen sowie der Solidarität und Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Miteinander dienen. Durch unseren gelebten Glauben wollen wir dazu beitragen.

Zuversicht aus dem Glauben

Liebe Schwestern und Brüder, das Jahr der Barmherzigkeit liegt hinter uns. Papst Franziskus hat uns eingeladen, das Schöne und Schwere unseres Lebens im Lichte des barmherzigen Gottes zu deuten und im Vertrauen auf Gottes Liebe zu uns anzunehmen. „Lasset uns danken dem Herrn unserm Gott“, spricht der Priester in jeder Messe. Jedes Jahr dürfen wir im Rückblick als Umarmung des liebenden Vaters begreifen. In Gottes Armen findet auch all unsere Dunkelheit Platz.

Maria, die Verkünderin des großen Erbarmens Gottes im Magnifikat, begleitet uns als gütige Mutter auf unseren Wegen. Ihr haben wir uns im zurückliegenden Mai bei der schönen und gelungenen Bayernwallfahrt zu Ehren der Patrona Bavariae hier in Eichstätt anvertraut. Im kommenden Jahr, dem hundertjährigen Jubiläum der Erscheinung von Fatima, sind es 75 Jahre seit der Weihe des Bistums Eichstätt an die Dreimal wunderbare Mutter. Freud und Leid des zurückliegenden Jahres seien unter ihrem Schutzmantel geborgen. Möge sie uns auch im neuen Jahr zu Jesus, ihrem Sohn, führen, damit wir als Schwestern und Brüder einander nahe sein können.

Amen.