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Im Wortlaut

Predigt von Bischof Gregor Maria Hanke OSB zum Weltmissionssonntag im Eichstätter Dom am 25. Oktober 2015

Mancher großen Zeitung unseres Landes liegt regelmäßig ein Reisejournal als Zugabe bei, denn viele Menschen interessieren sich für ferne Länder und Urlaubsreisen dorthin. Die Reisebeilagen berichten über lohnende Reiseziele, über Menschen anderer Länder und ihre Gebräuche. Farbenprächtige Fotos von traumhaften Landschaften laden den Leser zu Ferienreisen ein.

Der Blick in den Altarraum unseres Doms, liebe Schwestern und Brüder, führt uns heute gleichfalls in die Weite und bietet uns ein buntes Bild der katholischen Weltkirche zum Abschluss der diesjährigen Missio-Aktion. Neben uns Einheimischen stehen die Bischöfe Michel und Bernardin aus Tanzania sowie Priester aus ihren Diözesen am Altar. Begleitet werden sie von weiteren Schwestern und Brüdern aus diesem afrikanischen Land, die heute ebenfalls mit uns Eucharistie feiern. Auch die Kirchenmusik dieser Feier klingt und schwingt weltkirchlich. Die Jugendkantorei der Dommusik und der Ndanda mission choir, ein Chor aus Benediktinermönchen und Ordensfrauen, bewegen durch ihre Melodien und Rhythmen unsere Herzen zum Lob Gottes.

Allerdings versteht sich die Missio-Aktion nicht als weltkirchliches Info-Magazin für uns Eichstätter oder als Schaufenster für ferne Ortskirchen. Das päpstliche Missionswerk Missio München, sein Präsidenten Msgr. Huber samt unserem Referat für Weltkirche möchten mit der Missio-Aktion das Kirchesein stärken, hier in Eichstätt und Bayern, ebenso in Tanzania in den Diözesen Musona und Mfumbusa, aus denen die Bischöfe Michel und Bernardin mit weiteren Schwestern und Brüdern zu uns gekommen sind.

Weltmissionssonntag - Tag der Einheit in Christus

Eine sichtbare Vielfalt versammelt sich heute um den Altar und drückt unsere Einheit in Christus aus. Katholische Weltkirche ist Vielfalt in einer Einheit, die Länder, Kulturen und Mentalitäten umspannt. Die Einheit gründet in Christus. Derselbe Christus vereint auf der ganzen Welt Menschen durch sein Wort, durch seine Gegenwart in den Sakramenten, durch seine Gegenwart in den Schwestern und Brüdern. Er fügt alle, die ihm durch die Taufe im Glauben geweiht sind, als Glieder in seinen Leib ein! Der Epheserbrief schreibt ja, Christus hat die Trennwand zwischen uns Menschen niedergerissen und macht uns zum neuen Menschen, zu seinem Leib, dessen Haupt er ist. (Eph 2,14f. u. 4,12-16) Wir sind eins, wenn wir in ihm bleiben. Liebe Schwestern und Brüder aus Tanzania, ihr mögt in unserem Land Fremde im soziologischen und staatsrechtlichen Sinne sein, nicht aber im theologischen und geistlichen Verständnis. Besonders hier am Altar seid ihr zuhause, auch wenn ihr euch gerade fern eurer Heimat aufhaltet. Der Weltmissionssonntag ruft uns allen, euch in Tanzania, uns im Bistum Eichstätt und Bayern, in den Pfarreien und kirchlichen Verbänden diese große Einheit in Christus bei gleichzeitiger Vielfalt in Erinnerung. Wir Katholiken feiern den Weltmissionssonntag als Erinnerungstag unserer Einheit.

Allzu leicht verblasst das Bewusstsein und der Anspruch der Einheit durch Partikularinteressen der Pfarrei, des Verbands, des Bistums. Sie nimmt Schaden, wenn sich unser Ego durch Ängste und Vorurteile abgrenzt, sie wird gestört durch unseren oftmals kurzsichtigen Blick auf das eigene Leben und auf die Mitmenschen. Als Jüngergemeinde des Herrn bedarf es der Bereitschaft, mutig über solche Begrenzungen hinauszugehen, welche unsere Beziehung mit Christus und mit den Schwestern und Brüdern beeinträchtigen.

Wachstum der Einheit in Christus durch Überschreiten unserer Ränder und Grenzen

Papst Franziskus ermuntert uns in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium eindrücklich, an die Ränder zu gehen. Ihm geht es um Evangelisierung und um die Evangelisierer. So kann er mit diesem Appell nicht nur kirchliche und gesellschaftliche Randzonen im Blick haben, sondern ebenso Grenzen zwischen den Getauften, die evangelisieren sollen. Wir erlebten durch die Missio-Aktion einen Perspektivenwechsel, durften erfahren, wie die Brüder und Schwestern in Tanzania mit Menschen an den Rändern umgehen und zu ihnen aufbrechen. Kirchesein gewinnt Lebendigkeit durch das Überschreiten der Grenzen, ob in Tanzania oder in Bayern. Die Begegnungen und der Austausch machen uns hoffentlich neuen Mut, unsere eigenen Grenzen anzuschauen und zu überschreiten.

Der Aufruf, an die Ränder zu gehen und Gräben zu überbrücken um des Evangeliums willen, ist Konkretion des biblischen Rufes: Zieh fort aus deinem Land. Dazu wurde Abraham aufgefordert. Zieh weg aus deiner Heimat, aus den Sicherheiten, in denen du dich eingerichtet hast. Da klingt der Ruf in die Nachfolge des Herrn an: Komm, verlasse alles, brich auf und folge mir. Letztlich geht es um den Ruf Jesu zur Umkehr, der uns heißt, alle Gräben und Mauern in uns und zwischen uns zu überschreiten, die die Begegnung mit Christus und die befreienden  Botschaft des Evangeliums behindern. Dies ist ein Ruf in die Freude Jesu. Der Aufbruch, von dem die Heilige Schrift und Evangelii Gaudium sprechen, erweist sich als Weg zur Mitte, die Christus ist. Wo wir unsere Wirklichkeit auf Christus hin überschreiten, wächst Einheit untereinander.

Einheit der Kirche in Christus zeigt sich als gelebte Solidarität

Dass ein solcher Aufbruch zu den Rändern nicht bloß ein innerlicher Weg des Hörens auf Gottes Wort und seinen Willen bleiben, sondern mutige Tat, praktisch gelebte Solidarität werden kann, die Christi Licht in der Welt zum Leuchten bringt, bezeugten uns die Schwestern und Brüder aus Tanzania.

Viele Gläubige im Bistum Eichstätt durften dank des Engagements unseres diözesanen Frauenbunds in den letzten Tagen Mama Regina begegnen. Unterstützt durch ihren Bischof Michel überschreitet sie die Grenzen der archaischen Tradition der Genitalbeschneidung, ja Verstümmelung von Mädchen. Sie berichtete, wie sie lernte, aus der Kraft des Glaubens aufzubrechen und sich einzusetzen für die Würde der Frau. Ihr praktisches Handeln bezeugt, dass der Weg des Glaubens an Christus Förderung des Menschseins ist.

Bischof Bernardin wirkt in einer Diözese, deren Bevölkerung zu 90% dem muslimischen Glauben angehört. Trotz wachsender Radikalisierung des Islams in seiner Region ermuntert er die Gläubigen, unerschrocken für Christus und seine Kirche Zeugnis zu geben und den Dialog und die Begegnung mit den Muslimen zu pflegen.

Unsere Schwestern und Brüder aus Tanzania hatten wiederum die Gelegenheit, vielen Gläubigen des Bistums zu begegnen. Sie erfuhren viel Solidarität und erhielten Einblicke in unseren Weg des Glaubens in einer komplexen und säkularen Gesellschaft. Hoffentlich durften sie die Kraft des Evangeliums in vielen Gläubigen spüren.

Die Kirche ist weltweit missionarisch – oder sie verkümmert

Der Sonntag der Weltmission, die Begegnung mit Christen aus Tanzania und das frohe Zeugnis, das sie uns geschenkt haben, bewahrt uns davor, Mission auf einen Prozess in der Ferne zu reduzieren, in anderen Erdteilen, während für das sogenannte christliche Europa und Nordamerika Glaubensstärkung und Katechese als ausreichend erachtet werden. Diese Sicht greift schon lange nicht mehr angesichts des sich ausbreitenden religiösen Analphabetismus unter unseren Getauften. Mehr noch: wir haben es häufig mit getauften Ungläubigen zu tun.

Bereits Papst Paul VI., der für eine missionarische Kirche brannte, verwies immer und immer wieder darauf, dass Mission keine Angelegenheit für bestimmte Regionen ist: Mission ist universal, weil die Kirche katholisch ist und der ständigen Mission, der Evangelisierung bedarf. Dieser Papst hat vor Jahrzehnten den Afrikanern zugerufen: Ihr seid nun eure eigenen Missionare![1] ,Wer und wo sind heute die Missionare bei uns?‘, so möchte man in Anlehnung an die Worte des Papstes fragen.

Das Hindernis für die Evangelisierung liegt nicht so sehr in den Rahmenbedingungen der Gesellschaften, sondern vor allem in den Zeugen des Evangeliums selbst und ihrer fehlenden Glaubwürdigkeit, so Papst Franziskus in Evangelii Gaudium. Es braucht Zeugen des Glaubens, die vom Evangelium fasziniert sind und dies wiederspiegeln. Doch den Zeugen fehlt es oft an Kraft zum Aufbruch, zum Gehen an die Ränder, sie erliegen der Kraft der Selbstbewahrung, weil ihnen die Freude des Evangeliums abgeht. (EG 27)

„Mission possible“ im Bistum Eichstätt – Wir als Evangelisierer!

Die Missio-Aktion ließ uns teilhaben an Missionserfahrungen in Tanzania. Dabei soll es nicht bleiben. Der Sonntag der Weltmission und die Missio-Aktion enden hier in Eichstätt. Nicht aber das Anliegen der Mission und unsere Berufung, missionarische Jünger, Evangelisierer zu sein. Evangelisierung hat allerorts zu geschehen.

Unsere Strukturen des kirchlichen Alltaglebens, unsere Pfarreien, die kirchlichen Verbände, caritative Einrichtungen, unser Religionsunterricht, unsere kirchlichen Bildungsplattformen sind eingeladen, sich auf diese Sendung, auf (engl.) „mission“ auszurichten und sich gegebenenfalls neu aufzustellen, entsprechend dem Auftrag zu evangelisieren. Die Mission des Evangeliums sendet uns in die Täler und Tiefebenen des alltäglichen Lebens. Die Mühen dort sind der Ernstfall des Glaubens (Erich Loest).[2] Zur Bewältigung braucht es Missionare, die Menschen der Begegnung sind. Sie tragen ihre Begegnung mit der Person Christi im Herzen und gehen in dieser Kraft an die Ränder, an ihre eigenen und die der Menschen in den Tiefebenen und Tälern des Lebens, um ihnen zu begegnen.

Mission possible! Beten wir um den Geist der Evangelisierung in unserem Land.
Amen.


[1] 1969 in Kampala zum Abschluss des Symposiums der Bischöfe. Cf. C. Walker, Missionary Pope, New York 2009, 133f.

[2] Nach Thomas Söding, Die Freude am Evangelium, in: Communio 2014 (43), 503-518, 507.