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Im Wortlaut

Predigt des Hochwürdigsten Herrn Bischof Gregor Maria Hanke OSB beim Pontifikalamt zum Abschluss des 19. Kongresses „Freude am Glauben“ am Sonntag den 16. Juni 2019 im Münster „Zur Schönen Unserer Lieben Frau“ in Ingolstadt

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder,

über Eure Anwesenheit und Mitfeier freuen wir Erwachsene uns besonders. Aber nicht nur wir Erwachsene - ich bin überzeugt, Jesus selbst hat die größte Freude daran, dass Ihr unter uns seid. Eure Eltern, vielleicht die Großeltern, sind zu diesen Tagen hierhergekommen, um sich Kraft zu holen, damit sie Euch den Glauben weitergeben können und Euch in die Freude des Glaubens einführen können. Dass Euch dieser Weg geschenkt sei, auch darum wollen wir in dieser Feier beten.

Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern heute den Dreifaltigkeitssonntag. Christwerdung hat mit dem Dreifaltigen Gott zu tun. Die Taufformel, die uns zu Kindern Gottes macht, wird auf den Dreifaltigen Gott gesprochen. Der Gebetsbeginn, besonders der Beginn der Heiligen Messe, erfolgt im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, des Dreifaltigen Gottes. Der Segen am Ende der Heiligen Messe, aber auch der Segen, den Sie sich zuhause gegenseitig spenden können, erfolgt auf den Namen des Dreifaltigen Gottes. Am Ende eines jedes Psalms des Stundengebetes, am Ende jedes Rosenkranzgesetzes sprechen wir das Ehre sei dem Vater, den Lobpreis auf den Dreifaltigen Gott.

Liebe Schwestern und Brüder, die Dreieinigkeit ist ein großes Geheimnis, aber ganz einfach, wenn wir auf die Wegweisung Jesu blicken. Was die Dreifaltigkeit bedeutet, das erschließt uns Jesus im Gebet des Vaterunser, das Er uns in der Kraft des Heiligen Geistes lehrt. Dieses Gebet führt uns in das Wesen des Dreifaltigen Gottes. Gott ist Vater, das heißt, Gott ist Beziehung. Gott ist keine Monade, Gott ist keine Wagenburg, sondern Gott ist Beziehung - und zwar in sich Liebesbeziehung. Jesu Vaterbeziehung soll zu unserer Beziehung werden, Seine Vaterbeziehung im Heiligen Geist eröffnet sich auch uns, in dem Er uns dieses Gebet zu sprechen lehrt. Uns, die wir Seine Jünger sind, die wir Seine Jünger sein wollen. Sein Vater ist unser Vater und Sein Geist soll unser Geist sein. Damit führt uns das Wesen der Dreifaltigkeit an das Wesen des Kircheseins.

Liebe Schwestern und Brüder, Kirchesein ist Gemeinschaft mit dem Dreifaltigen Gott, ist Gemeinschaft im Dreifaltigen Gott. Kirchesein hat nichts zu tun mit einer Vereinsmitgliedschaft. Kirchesein darf nicht reduziert werden auf soziologische Größenordnungen. Das Geheimnis, das Bekenntnis der Dreifaltigkeit  Gottes, ist kein theologisches oder philosophisches Glasperlenspiel, keine lebensferne Spekulation. Gott ist Gemeinschaft, Gemeinschaft die auch uns als Kirche umfasst, Gemeinschaft des Heiles. Diese Frohe Botschaft hat Jesus verkündet. Diese Frohe Botschaft hat Er besonders Seinem Jüngerkreis, den Zwölfen, nahe gebracht. Aber, liebe Schwestern und Brüder, wie ging es denn weiter mit dieser Botschaft, die dem Menschen unendliche Horizonte eröffnet? Den Horizont, in die Gemeinschaft mit Gott, in die Kraft des Heiligen Geistes eintreten zu können, in eine Gemeinschaft, die alles Irdische überspannt, in eine Gemeinschaft, die Zukunft gibt über den Tod hinaus, in eine Gemeinschaft, die Beziehung eröffnet.

Wie ist es denn mit dieser Botschaft weitergegangen? Nach dem Karfreitag musste der Herr erleben, dass Sein Weg, Kirche als Gemeinschaft mit dem Dreifaltigen Gott und im Dreifaltigen Gott, dass dieser Weg, Kirche zu eröffnen, zunächst einmal gescheitert war. Liebe Schwestern und Brüder, nach Golgota kam die größte Krise der Kirche. Diejenigen, denen Jesus alles anvertraut hatte, haben Ihn verlassen, sind geflohen voll Angst und Furcht, haben menschlich gesprochen weithin versagt. Ein Theologe hat es einmal so ausgedrückt: Das Amt hat versagt, das Charisma hat treu unter dem Kreuz ausgehalten, stellvertretend für das Amt: Maria, die Frauen und einer der Zwölf, der Jünger, den Jesus liebte. Von den anderen war nichts mehr zu sehen. Aber Gott hielt an Seinem Weg fest, Kirche zu eröffnen als Gemeinschaft im Dreifaltigen Gott und mit dem Dreifaltigen Gott. Es geschah das völlig Unerwartete, das Überraschende, das nicht Berechenbare, das nicht der menschlichen Logik entsprechende: Jesus wurde auferweckt. Die frühesten Zeugnisse der Auferweckung formulieren bewusst passivisch, „Jesus wurde auferweckt“. Sie formulieren es passivisch, weil es für den Menschen so unberechenbar und nicht erwartbar war, weil es Eingreifen Gottes in die Geschichte war, weil die Auferstehung Jesu endgültiger Anbruch der Herrschaft Gottes ist, wofür die Kirche steht und zu stehen hat. Die Erweckung des Herrn geht über in die Erweckung des Glaubens und in die neue Geburt der Kirche aus der Kraft des Heiligen Geistes. So sagt uns das Geschehnis um die Auferweckung Jesu: die Kirche ist von Gott gewollt. Kirche kann man nicht einfach machen, Kirche kann man nicht konstituieren. Jede Reform der Kirche, jede Veränderung zum Guten ist somit eine Frage des Glaubens an den Auferstandenen, an die Auferweckung des Herrn. Ja, die Geburt der Kirche liegt im Auferstehungsglauben, in der Auferweckung Jesu Christi. Wenn wir uns Gedanken machen, welchen Weg die Kirche zu gehen hat, um sich zu erneuern, dann lohnt es, die Auferstehungsperikopen, die Perikopen der Evangelien, in denen der Auferstandene den Seinen nachgeht, zu meditieren. Darin gibt Er uns das pastorale Programm, wie Kirche lebendig werden kann und lebendig werden soll.

Ein Erstes: der Herr geht den Seinen nach, Er ist gegenwärtig, Er ist gegenwärtig bei den Emmausjüngern, die Ihn nicht erkennen. Er ist unterwegs mit den Trauernden, mit den Resignierten, mit den Verängstigten, die hinter verschlossenen Türen leben. Maria von Magdala im Garten meint, als Er bei ihr ist, es sei der Gärtner. Die Emmausjünger, die dabei sind, von Jerusalem wegzulaufen, zurückzukehren ins normale Leben, weil sie das Projekt mit Jesus als gescheitert betrachten, denen geht Er nach, als der unbekannte Fremde. Ja, sogar die furchtsamen Elf hinter verschlossenen Türen sucht er auf, selbst alle menschlichen Versuche sich abzusperren hindern Ihn nicht, gegenwärtig zu sein. Und dem gegen die Christen wütenden Saulus geht Er selbst auf seinem Abweg nach. Der Herr also ist gegenwärtig, der Herr ist da. Das macht das Wesen des Auferstandenen aus: Er will bei den Seinen sein und ihnen begegnen. Liebe Schwestern und Brüder, dieses Vertrauen dürfen wir lernen. Dieses Vertrauen dürfen wir schöpfen aus unserem Glauben an den Auferstandenen. Der Herr ist da, auch wenn wir Ihn noch nicht sehen, wenn wir Ihn noch nicht erkennen. Er geht den Seinen nach. Damit Kirche lebendig wird, kann der Mensch nichts tun, sondern er muss sich auf das Tun Gottes einstellen, auf die Gegenwart des Herrn.

Ein Zweites: wenn Er gegenwärtig ist, wenn Er mit uns geht auf den Wegen unserer Tristesse, auf den Wegen unserer Fragen und Zweifel, dann dürfen wir auch darauf vertrauen, dass Er uns anspricht. Den ganzen Weg über, den Er mit den Emmausjüngern geht, spricht Er, schenkt ihnen Sein Wort, deutet. Sie aber erkennen Ihn zunächst nicht. Der Herr spricht, Er sucht den Dialog mit uns und es liegt nun an uns, nach diesem Wort Gottes in unserem Leben, in unserer Existenz zu suchen. Es liegt an uns, uns ansprechen zu lassen vom Ruf des Herrn. Dazu bedarf es die Gabe der Unterscheidung, damit wir lernen, was Wort des Herrn ist und was Geschwätz der Welt ist. Sein Wort von der Vielzahl der uns umgebenden Wörter und Worte zu unterscheiden.

Liebe Schwestern und Brüder, die Begegnung mit dem Herrn, die Erfahrung Seiner Gegenwart und die Erfahrung von Ihm angesprochen zu sein, von Seinem Wort gerufen zu werden, das verändert die Jünger. Die Emmausjünger, als sie sich dessen gewärtig wurden, kehren um, ändern ihren Plan, gehen zurück nach Jerusalem in die Gemeinschaft derer, die dort versammelt sind. Und sie bekennen gemeinsam: Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Die Frauen, denen die Botschaft der Auferstehung durch den Engel verkündet wurde, gehen zu den Jüngern und legen Zeugnis ab. Saulus, dem der Herr begegnet ist auf dem Weg, wird in die Gemeinde von Damaskus geführt. Immer und immer wieder berichten uns die Perikopen von der Begegnung mit dem Auferstandenen, dass diejenigen, die dem Herrn begegnen, die sich angesprochen fühlen, Kraft finden umzudrehen, umzukehren in die Gemeinschaft, in die Communio der Jüngerschaft. Communio aber, auch das sagen uns diese Perikopen, wächst aus Kommunion. Daher das Brechen des Brotes durch den Auferstandenen, etwa bei den Emmausjüngern. Kommunion mit dem Leib und Blut Christi führt in die Kommunion mit dieser einmaligen Liebe, die der Vater ist, mit dem Heiligen Geist durch den Sohn. Liebe Schwestern und Brüder, Kirche als Communio, als Gemeinschaft im Dreifaltigen Gott lässt sich nur mit Christus dem Auferstandenen Herrn denken, lässt sich nur aus einem Glauben an die Auferstehung leben, denn die Kirche ist kein menschlicher Verein, sie ist keine Anstalt zur Verbesserung der Sitten des Menschen, sie ist in erster Linie Communio mit der Liebe im Vater, die uns untereinander eins macht. Nur in Christus, wie es Paulus ausdrückt, wächst diese Einheit und Lebendigkeit. Wenn wir diese Einheit und Lebendigkeit leben, dann verbindet uns in unserem Alltag stets mehr miteinander als uns trennt: In Christus, dem auferstandenen Herrn Kirche sein.

Liebe Schwestern und Brüder, nicht menschliche Konzepte und Theorien haben nach Golgotha der Kirche die Wiedergeburt geschenkt, sondern die Schritte des Auferstandenen, Seine Gegenwart, die Entdeckung Seiner Gegenwart durch die Jünger, die Anrufbereitschaft der Jünger durch Sein Wort und das Eintreten in die Communio, in die Gemeinschaft des Dreifaltigen Gottes, die uns untereinander eint. Diese Gemeinschaft, diese Communio macht uns zu Zeugen. Nach diesem Weg der Wiedererweckung der Kirche konnten sie hinaus gehen in alle Welt um Zeugen der Frohen Botschaft, Zeugen der Erlösung zu sein. Denn der wahre Zeuge ist nicht einer, der über etwas redet, der wahre Zeuge ist nicht einer, der ein dickes Lexikonwissen über Bibel und Theologie hat, der wahre Zeuge ist einer, der etwas teilen kann, was sich in ihm und zwischen ihm und dem auferstandenen Herrn ereignet hat. Er ist befähigt, Anteil zu geben an dieser Wahrheit, an diesem Mysterium. Das Pfingstereignis macht es uns deutlich: die Kirche kann nicht gemacht werden. Die Flammen des Heiligen Geistes senken sich von oben auf die betende Gemeinschaft der Jünger herab. Pfingsten kann man nicht künstlich erzeugen, man muss mit dem Auferstandenen und unter Anleitung des Auferstandenen diesen Weg der Jüngerschaft gehen.

Und so wünsche ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, von Herzen, dass Sie gestärkt von Ingolstadt zurückkehren in Ihren Alltag, dass diese Erfahrung in Ingolstadt nicht eine Inselerfahrung war, sondern ein Kraftwerk, das Sie nun Ihren Alltag mit dem Auferstandenen gehen lässt, im Wissen: Er ist gegenwärtig, auch in den dunklen Stunden meines Lebens, auch in den vielen Fragen, die uns vielleicht zurzeit bewegen. Er ist gegenwärtig und er spricht bereits zu mir. Er redet mich an, aber Er ist oft der Fremde, der Unerkannte, so dass ich die Worte nicht wirklich wahrnehme. Es gilt zu hören, zu lauschen auf Sein Wort, auf Seine Klopfzeichen, um dann in die Communio eintreten zu können, um Zeugin und Zeuge des Glaubens zu sein.

Beten wir, dass dieser Weg gelinge, dass wir in der Communio des Dreifaltigen Gottes, mit dem Dreifaltigen Gott den Weg des Glaubens in einer Welt gehen, die scheinbar nicht nach diesem Glauben fragt und doch einen unersättlichen Hunger nach ihm zu haben scheint. Wir sind gerufen, Zeuginnen und Zeugen zu sein, nicht über etwas zu reden, sondern Anteil zu geben, an dem, was der Herr in uns, in unserem eigenen Leben gewirkt hat und wirken will.

Amen.