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Im Wortlaut

Hirtenwort des Bischofs von Eichstätt, Gregor Maria Hanke OSB, zum 1. Fastensonntag, dem 26. Februar 2023

Liebe Schwestern und Brüder!

in diesen Tagen, in denen ich meinen Brief an Sie verfasse, habe ich die Bilder vom Besuch des Papstes in Zentralafrika vor Augen. Im Kongo und im Südsudan sehe ich fröhliche, lachende Menschen, die vor Freude singen und tanzen. In all der Farbenpracht afrikanischer Gewänder. Diese überschießende Lebensfreude bei einem kirchlichen Ereignis beschäftigt mich. Müssten diese Menschen nicht traurig sein angesichts der Perspektivlosigkeit ihres Lebens, von denen unsere Nachrichten täglich erzählen?

Dann denke ich an Begegnungen mit Priestern aus der Weltkirche, die hier bei uns arbeiten. Oft haben sie mir gesagt, dass sich das kirchliche Leben hier so sehr von ihrer Heimat unterscheidet. Sie beschreiben, dass man in Deutschland so wenig Freude auf den Gesichtern der Menschen sieht. Einer sagte vor kurzem: "Es ist in Deutschland oft kalt, auch in geistlicher Hinsicht. Jeder ist für sich allein." Und damit war nicht nur der deutsche Winter gemeint.

Veränderung in mir

Dies ist ein Punkt, an dem uns Veränderung guttun würde. Wie sieht der Weg aus, der zur Veränderung führt? Die Fastenzeit lädt uns zur Umkehr ein. Jesus ruft uns zu: "Kehrt um! Das Himmelreich ist nahe." (Mt 4,17)

Aber eine Umkehr geschieht nicht einfach so. Wenn ich mein Denken und Handeln verändern will, brauche ich eine Motivation dazu, eine Sehnsucht. Jeder Christ, jede Christin braucht diese Sehnsucht nach etwas Größerem. Eine Unruhe, die sich nicht mit dem Gegebenen dieser Welt zufriedengibt. Schon Augustinus spricht vor 1600 Jahren davon: "Es ist seltsam: Die Menschen klagen darüber, dass die Zeiten böse sind. Hört auf mit dem Klagen. Bessert euch selber. Denn nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun. Und wir sind die Zeit."

Was für eine Aussage! Das Jammern über die Welt bringt nichts. Wenn ich etwas verändern will, dann mich selbst.

Wach nach außen

Zwei Voraussetzungen sehe ich, um Dinge in mir und um mich zu verändern.

Als erstes muss ich Jesus zutrauen, dass er mir begegnet. Ich heiße Christ, weil ich Jesus liebe und von ihm geliebt werde. Ich möchte ihn immer besser kennenlernen. Und ich traue ihm zu, dass er mir in meinem Alltag immer wieder begegnet, in aller Unscheinbarkeit. Darum können wir schließlich in jedem Vaterunser die Bitte aussprechen: "Dein Reich komme!" Dieses Königreich der Himmel wächst in uns und um uns herum. Immer wieder keimt es neu unter den Ackerschollen unseres Alltags auf. Wenn wir das neue Leben, die neuen Keimlinge und Triebe sehen wollen, müssen wir stehenbleiben, uns hinunterbücken und genau hinsehen.

Das heißt konkret: Nehmen Sie Tempo aus ihrem Leben raus. Bleiben Sie im Augenblick. Beugen Sie sich hinunter. Und sehen Sie genau hin. Sie werden überrascht sein, wie Gott wirkt, wo seine Spuren im Leben sind. Sein Reich zeigt sich dort, wo trotz Krankheit Zuversicht spürbar bleibt, wo Menschen sich trotz Schwierigkeiten gegenseitig annehmen, wo Ehekrisen bewältigt werden. Es gibt viel Wunderbares zu entdecken, auch in Ihrem Alltag.

Wach nach innen

Damit bin ich schon bei der zweiten Voraussetzung. Sie kommt aus dem Bild des Sich-hinunter-Bückens. Das Reich Gottes ist nichts für die großen Alleswisser. Diejenigen, die schon alles wissen und alles kennen, die glauben, schon alles erlebt zu haben, übersehen die Samenkörner des Gottesreiches. Wie das Evangelium sagt, muss ich werden wie ein Kind. Ein Kind lebt von der Liebe seiner Umgebung. Es ist auf Wachstum angelegt. Um zu lernen, braucht es Begleitung und Korrektur.

Da wird es Ihnen nicht anders gehen als mir. Es ist nicht immer angenehm, sich von anderen etwas sagen zu lassen. Wissen Sie, was mir hilft, mich dafür zu öffen? – Die Liebe zu Jesus. Er ist das Größte, was das Leben zu bieten hat. Er berührt mich in der Tiefe meines Herzens. Und er trainiert mich unablässig durch die vielen Menschen, die mir täglich begegnen. So komme ich mit jeder Korrektur Jesus näher.
Stellen auch Sie sich die Frage: Wo will Jesus mehr Raum in mir? Wo weist er mich sanft auf Veränderungsbedarf hin? Diese Überlegungen können Sie auch mit hinein in Ihre Osterbeichte nehmen.

Eine Kultur des Willkommens

Lassen Sie mich zum Abschluss meines Briefes zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wie wirken unsere Gemeinden nach außen? Sind sie Orte, an denen das Himmelreich spürbar wird?

Ich möchte Ihnen vorschlagen, sich selbst und die eigene Gemeinde zu betrachten, und zwar mit dem Blick eines Menschen, der neu ist. Jemand, der niemanden kennt, der nicht weiß, wie man sich in der Kirche verhalten muss. Denken Sie sich in diese Person hinein. Wer nimmt sie beim ersten Besuch in der Kirche wahr? Wer spricht sie an, schenkt ihr ein Lächeln und drückt ihr ein Gotteslob in die Hand? Wer lädt sie vielleicht hinterher zu sich nach Hause ein? Wer hilft ihr, den Glauben besser kennenzulernen durch das Teilen des eigenen Glaubens, durch Gespräche über das Beten und die Heilige Schrift?

Die Zukunft unserer Kirche von Eichstätt öffnet sich, wenn wir wach, offen und gewinnend auf Menschen zugehen, weil wir die Liebe Christi weitergeben wollen. "Kehrt um!" Mit diesem Ruf lädt uns Jesus auf den Weg des Gottesreiches ein. Gehen wir los, jede und jeder mit einem ersten Schritt. Mag der noch so klein sein, er wird groß durch den nächsten Schritt.

Dazu segne Sie alle der Dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.

Am Gedenktag des seligen Pater Philipp Jeningen, dem 8. Februar 2023

Ihr

Gregor Maria Hanke OSB   
Bischof von Eichstätt