Im Wortlaut
Predigt des Hochwürdigsten Herrn Bischof Gregor Maria Hanke OSB bei der Diakonenweihe in der Schutzengelkirche in Eichstätt am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus (29. Juni) 2019
Die Kirche in Deutschland befindet sich derzeit in einer Verunsicherung, ja in einer Erschütterung. Im Gefolge von innerkirchlichen Skandalen wird der Ruf nach einer neuen oder neu aufgestellten Kirche vernehmbar.
Den Weg der Erneuerung sehen nicht wenige in einer Anpassung der Kirche an die modernen Zeiten. Sie habe von der Gesellschaft zu lernen und solle sich die demokratische Gesellschaft zum Vorbild zu nehmen. Nach diesem Modell gelte es, die Kirche umzugestalten, um dem modernen Menschen wieder näher zu kommen. Damit geht einher der Ruf nach einer anderen Aufteilung der Macht in der Kirche. Macht wird mit Weiheamt identifiziert und diese Macht sei spiritualisiert, überhöht, um sie gegen Kritik zu immunisieren, so die Kritik. Im Namen der Menschenrechte wird die Zulassung von Frauen zu allen Weihämtern verlangt.
In dieser Gemengelage fällt der Termin der Diakonatsweihe für unser Bistum auf das Hochfest der Apostel Petrus und Paulus. Das Hochfest der beiden Apostelfürsten sei uns Anregung, unseren Blick auf die Fundamentierung der Kirche zu richten.
Papst Benedikt formulierte einmal: „Die Kirche ist auf dem Fundament der Apostel als Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gegründet. Über die Apostel gelangen wir zu Jesus selbst.“[1] Fundamente eines Hauses geben nicht die Innengestaltung der Räume im Bauwerk vor, sie umschreiben die Grundfläche des Gebäudes, innerhalb derer sich die Bewohner des Hauses bewegen. Fundamente eröffnen Raum, indem sie Fläche und Raum umgrenzen und dem Bau Halt geben.
Nach seiner Pfingstpredigt rief Petrus zur Bekehrung zu Christus auf, und viele beschritten diesen Weg. Dann vermerkt die Apostelgeschichte über die junge Kirche: Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten (Apg 2,42). Im Epheserbrief wird uns gesagt: Ihr seid gebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Eckstein Christus ist (Eph 2,20). Und weiter: wir, die Glieder der Kirche streben dahin, Christus in seiner vollendeten Gestalt darzustellen (vgl. Eph 4,13).
Im Tagesgebet des heutigen Hochfestes haben wir gebetet: „Hilf deiner Kirche, in allem der Weisung deiner Boten zu folgen, durch die sie den Glauben und das Leben in Christus empfangen hat.“ Welche Räume eröffnet die Lehre der Apostel, das Fundament für das Kirchesein heute? Und welche Grenzen setzen uns diese Fundamente, so dass nicht einfachhin alles verhandelbar ist?
Eine Erneuerung der Kirche ist notwendig, ebenso die Gabe der Unterscheidung. Damit nicht Fundamente aufgegeben und der Bau der Kirche gefährdet wird, damit vielmehr dem Anliegen des Epheserbriefes entsprochen wird: Die Kirche muss wachsen und reifen durch die Geschichte, sie muss sich so entwickeln, dass Christus sich selbst in uns, in seiner Kirche vollendet. Das heißt: Die Entwicklung der Kirche muss ausgerichtet sein auf das Kommen der Herrschaft Gottes, Mehrung der Gegenwart Gottes, muss Geschichte Gottes sein.
Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist Heilsgeschichte, auch heute. Geistliche Erneuerung der Kirche wächst somit nicht aus der Konformität mit der säkularen Gesellschaft und ihren Regeln oder aus Rechtsforderungen des Menschen gegenüber Gottes Werk. Heilsgeschichte ist eine Liebesgeschichte, die nicht in Rechtsforderungen gründet, sondern in Hingabe. Die Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen manifestiert sich im Ruf Gottes an den Menschen, in Berufung, die in der Taufe einen Höhepunkt findet. Der Ruf Gottes ist Gabe an den Menschen, nicht aber Anspruch des Menschen an Gott. Aus heilsgeschichtlicher Perspektive gibt es kein Recht des Menschen auf ein Charisma oder auf das Weiheamt. Auch für Männer besteht kein Menschenrecht auf das Amt. Die Menschenrechte selbst sind Gabe Gottes an den Menschen, Bestätigung der Würde des Menschen.
Die Kirche hat nicht unbedacht, nicht aus frauenfeindlicher Absicht das Weiheamt durch die Jahrhunderte so überliefert. Sie sieht sich unter der Weisung des Auferstandenen, der die Zwölf mit der Fortführung seines Werkes betraute. Aus deren Vollmacht entfaltete sich das dreigestufte Amt des Bischofs, Priesters und Diakons, das mehr ist als Dienst an der Gemeindeorganisation. Priesterinnen, Frauen als religiöse Autoritäten mit sakraler Vollmacht waren in der gesellschaftlichen Umgebung der jungen christlichen Kirche eine bekannte Praxis. Die Kirche der frühen Zeit hat durchaus mit Überlieferungen und Praktiken des Judentums gebrochen und Neues sich entwickeln lassen, nicht aber bei der Ausgestaltung des sakramentalen Vorsteheramtes, das in Berufung und Sendung der Zwölf gründet. Muss man nicht in der Praxis der frühen Kirche die gültige Interpretation des Willens des Auferstandenen sehen?
Jesus selbst hat die Frau keineswegs geringgeschätzt. Frauen hatten eine bedeutende Stellung als Jüngerinnen in seiner Gefolgschaft. Viele Frauen waren einflussreich durch ihre Charismen und Dienste im Leben und in der Mission der frühen Gemeinden. Die Rolle der Frau in der Kirche bedarf heute der Stärkung. Es gilt nur die jesuanische Haltung gegenüber der Frau einzunehmen, besonders von uns Geweihten. Auch ist den Frauen mehr Verantwortung in der Kirche zu übertragen, wofür außerhalb des Amtes Möglichkeiten bestehen. Und wir dürfen den Frauen danken für ihren Einsatz in unseren Pfarreien.
Inmitten der gegenwärtigen innerkirchlichen Diskussionen um den künftigen Weg der Kirche, um Amt und Macht, lenkt diese Diakonatsweihe unseren Blick auf die geistliche Mitte des Weiheamtes. Amtsvollmacht ist gegründet im Dienst und im Dienen, im diakonein. Das soll kein Schönreden von Macht in der Kirche sein, es ist vielmehr ein radikaler Anspruch des Herrn an die Seinen, die er in das sakramentale Dienstamt ruft. Im Abendmahlssaal mit der Fußwaschung an den Zwölf offenbarte der Herr, wie er selbst Amt und Amtsvollmacht versteht: diakonein – dienen.
Daher gibt es keinen anderen Zugang zum Weiheamt als über das Diakonat. Ihr, liebe Weihekandidaten, müsst später auch als Priester den Diakonat leben. Es braucht beim Geweihten die Bereitschaft und die Kraft, sich tief zum Menschen zu beugen, so wie unser Meister es tat, damit für Gott der Weg zum Menschen frei wird. Gott will durch uns ankommen im Staub, in der Armseligkeit des Menschseins. Darum hat es bei allem pastoralen Tun zu gehen: Gott zum Menschen bringen und die Menschen zu Gott.
Dieses Sich-Bücken und Zuwenden als geistliche Lebenshaltung verlangt, von sich selbst loszulassen, das eigene Ego dem Du auszusetzen, statt es ängstlich zu hüten, sich selbst zu verleugnen, also sich und die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben immer wieder zu übersteigen und das Kreuz, d.h. eigene und fremde Lasten zu tragen. Der Wesenskern des Weiheamtes lässt sich noch in einem anderen Bild beschreiben. Das 1. Buch Samuel des Alten Testaments berichtet von der Bundeslade Gottes, die in Israel in Notzeiten zu Brennpunkten auf Reisen geschickt wurde. Mal trugen bei diesen Reisen Leviten die Lade, dann wieder spannte man Rinder und Ochsen vor einen Wagen, auf dem sich die Lade Gottes befand. Liebe Weihekandidaten, ein passendes Bild für das Dienstamt: Bischöfe, Priester, Diakone sollen auf je eigene Weise Zuggespann Gottes sein, um Gottes Gegenwart und Herrlichkeit zu den Menschen zu bringen. Sich einspannen lassen und mit aller Kraft den Karren ziehen, damit Gott und Mensch sich begegnen können. Diese Zugkraft erflehen wir nun in der Weiheliturgie für euch.
Amen.
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[1] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz am 15. März 2006.