Zum Inhalt springen

Im Wortlaut

Unser Glaube ist unser Sieg

Hirtenwort des Bischofs von Eichstätt Gregor Maria Hanke OSB
zum 1. Adventssonntag 2006

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir stehen in der Erwartung des Herrn, im Advent des weihnachtlichen Wunders seiner Menschwerdung und im Advent seiner Ankunft am Ende der Zeiten. Mit dem heutigen Tag hat ein neues Kirchenjahr begonnen. Ich freue mich, als Bischof von Eichstätt Ihnen zu Beginn des Advents meinen Segensgruß entbieten zu dürfen. Mit Ihnen zusammen trete ich in diesen geheimnisvollen Festkreis ein.

Gottes Einladung an uns: Habt Zuversicht

Das Evangelium des 1. Adventssonntags spricht vom endzeitlichen Kommen des Menschen­sohnes und von schreckenerregenden Zeichen, die vorausgehen werden. „Die Menschen werden vor Angst vergehen“ (Lk 21,26) prophezeit das Evangelium.

Und gerade in diesen Zeichen will uns der Herr im Evangelium Mut und Zuversicht zusprechen: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). Die Finsternis wird zum Zeichen kommenden Lichts.

Die Ängste des Menschen

Klingt diese frohe Botschaft nicht paradox? Ist sie nicht schwer annehmbar angesichts eigener Erfahrungen mit Dunkelheit und Leid? Manchmal legt sich eine endzeitliche Beklemmung auf unser Gemüt, wenn wir uns Krisen und Problemen ausgesetzt sehen. Schon Schulkinder ängstigt Versagen und die unsichere berufliche Zukunft. Der Sorge um die Partnerschaft bei jungen Menschen folgt die Sorge um die Familie. Beziehungsprobleme belasten das tägliche Miteinander: zwischen Ehepartnern, zwischen Eltern und Kindern, innerhalb der Verwandtschaft.

Ängste bedrücken viele Menschen: die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, die Angst, als Pflegefall ausgeliefert zu sein und schließlich die Angst vor dem Tod. Hin­zu kommt der drohende Horizont des Weltgeschehens: Terror und Kriege, Gewalt im eigenen Land, die Ausbeutung der Menschen und der Ressourcen der Erde, der bedrohlich werdende Klimawandel auf unserem Planeten.

Wie sollen wir da voll Hoffnung und Zuversicht unsere Häupter erheben und freudig auf Gottes Ankunft warten, so fragen wir uns.

Gottes Beziehung zu uns als Tor zur Hoffnung

In der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch des Propheten Jeremia (Jer 33,14-16) hören wir Gottes Verheißung, sein Heilswort an seinem Volk zu erfüllen. Eben dieses Heilswort Gottes ist es, das uns die schwer begreifliche Wirklichkeit entschlüsselt und den Weg zur Hoffnung ebnet. Das Prinzip, welches Dunkles hell macht, Schwaches stark, Krummes gerade und sogar die Folterbalken des Kreuzes zur Siegestrophäe wandelt, ist eine Person: Gott als Mensch geboren, Jesus Christus, unser Heiland und Erlöser. Ein Gott, der sich auf die Welt einlässt und in Beziehung tritt mit uns Menschen. Die Beziehung Gottes zu uns und zur Welt ist der Schlüssel zum Verstehen, ist die Tür zur Hoffnung.

Noch fesseln uns Kälte und Finsternis unserer Zeit. Es ist oft nicht genau auszumachen, ob wir mehr von Gefahren umgeben sind oder von Hilfen. Möglicherweise liegt vor unseren Füßen sogar ein Abgrund. Aber nun steigt das Licht empor wie die aufgehende Sonne im Gebirge. Die Christussonne eröffnet uns die Sicht, leuchtet unsere Wege aus, sie gibt uns Kraft. Von Christus erfährt das Dunkel unserer Wirklichkeit eine neue Deutung. Man kann es mit den Worten eines irischen Segenswunsches ausdrücken: „Mögest du immer bedenken, dass da, wo Schatten fällt, Licht ist.“

Liebe Schwestern und Brüder! Es gibt keinen Weg an dieser Sonne vorbei. Christus ist uns Maß und Ziel, sein Licht wird uns richten. Wie eine Kompassnadel genordet ist, so sollen wir auf sein göttliches Herz ausgerichtet sein, das uns anstrahlt als Mitte der Welt.

Als Pilger dem Herrn entgegen

Wir erwarten nicht nur das Aufstrahlen dieses Lichtes, die Wiederkunft des Herrn, die er ja selbst verheißen hat. Wir ziehen Ihm bereits entgegen. Als Kirche sind wir Teil eines langen Pilgerzuges. Mit Fahnen der Sehnsucht und nach der Wanderkarte der göttlichen Vorsehung eilen wir dem endgültigen Kommen des Herrn entgegen. Obwohl wir als geistliche Gemeinschaft gemeinsam unterwegs sind, erspart uns Gott nicht die Mühen der Wanderung, er räumt auch nicht die Steine aus dem Weg, aber er leuchtet unseren Weg aus, damit wir das Ziel finden.

Das Beispiel unseres hl. Gründerbischofs Willibald ermuntert uns. Auf der Pilgerreise seines Lebens führte ihn schließlich der Weg vom Kloster Monte Cassino nach Eichstätt, wo er als erster Bischof des Bistums der Kirche diente. Er war als Schüler des hl. Benedikt dem Bleiben in der Gemeinschaft der Mitbrüder, aber noch mehr dem Gehorsam verpflichtet. Als ihn der Papst in die Germanenmission des hl. Bonifatius berief, antwortete Willibald, er werde der Aufforderung zustimmen und sie vollziehen. Und nicht bloß dorthin, sondern überallhin, an jeden Ort der Welt, wohin der Papst ihn schicken möge, versprach er in Ergebenheit und aus freiem Willensentschluss zu gehen. (vgl. Vita Willibaldi 103, 23-25)

So bin auch ich als Mönch und Abt des Klosters Plankstetten von unserem Heiligen Vater Papst Benedikt XVI. mit dem Hirtenamt für Euch beauftragt worden und stehe nun in der Nachfolge unseres großen Pilgervorbilds, des hl. Willibald. Nicht ohne Abschiedsschmerz habe ich mein Kloster verlassen. Doch im Gehorsam gegenüber dem Wort des Heiligen Vaters und im Glauben, dass dadurch der Ruf des Herrn an mich ergangen ist, bin ich aufgebrochen. Jetzt erfüllt mich das Pilgerglück in Eurer Mitte. Geben wir als Pilger der Aufbruchsstimmung und der Freude an Gott Raum, von der die Wallfahrtslieder im Buch der Psalmen Zeugnis ablegen (Pss 120 ff.). „Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ (Ps 122, 1).

Unsere Haltung auf dem Pilgerweg – die Ökologie des Herzens

Wir bilden eine Pilgergemeinschaft, die immer tiefer zusammenwachsen soll. Den Wunsch des Apostels Paulus aus der neutestamentlichen Lesung des heutigen Sonntags: „Der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen“ (vgl. 1Thess 3,12), wollen wir uns zu Herzen nehmen. Eine Ökologie des Herzens ist gefragt. Sie ist der Mutterboden für das Wachstum der Liebe, die unser Miteinander verwandelt, und für einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung.

Wehren wir den Schädigungen des Herzens, dem gottvergessenen Stolz auf eigene Errungenschaften, der keine ethische Zurückhaltung mehr kennt, dem ungehemmten Sinnengenuss, dem rücksichtslosen Egoismus. Das Wachstum in der Liebe kommt aus der gärtnerischen Pflege des Herzens. Gegenüber den harten Gesetzen der Nützlichkeit und Effizienz symbolisiert das Herz eine umgekehrte Gesetzlichkeit: Je mehr wir uns mit Blick auf den Herrn großherzig verschwenden, desto mehr gewinnen wir. Jesus Christus hat sein Herz als Pfand gegeben und die ganze Welt für Gott gewonnen.

Die Pflege des Wachstums im eigenen Herzen ist der Beginn der Seelsorge. Daraus entfaltet sich Seelsorge als Anbahnung der Beziehung zu Gott und als herzliche Begegnung. Unsere Seelsorger sind heute oft hart herausgefordert, denn unter der Fassade des materi­ellen Wohlstands wachsen die Sinnleere und das seelische Elend. Das verlangt im eigenen Lebensvollzug Wachsamkeit für die Sache Gottes und Ehr­furcht. Ich möchte den Priestern, Diakonen sowie allen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Mut zusprechen. Lassen Sie bei allen Belastungen nicht nach in der Sorge um das Wachstum im eigenen Herzen. So werden Sie in der Beziehung zu den Ihnen anvertrauten Menschen Gott zu Wort kom­men lassen.

Ganz persönlich muss unsere Hinwendung zu Gott sein. „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“, sagt uns der heilige Mönchsvater Benedikt. Das Gebet braucht seinen Platz nicht nur in der liturgischen Feier, sondern in unserem Alltag, im Privatleben und in unseren Familien. Dann wird schließlich die tägliche Arbeit selbst zum Gebet. Auch für die ökumenische Zusammenarbeit mit unseren evangelischen Schwestern und Brüdern möge das Gebet die Basis sein.

„Unser Glaube ist unser Sieg“, dieses Wort aus dem 1. Johannes­brief war mein Leitwort als Abt. Es soll auch den Bischof leiten auf dem Pilgerweg mit Ihnen. Unser Glaube an Jesus Christus und die Begegnung mit Ihm hebt uns heraus aus den Ängsten und Nöten der Welt und auch aus der Sünde. Der im Gebet sich ausspre­chende Glaube stärkt unsere Hoffnung auf das Kommen des Herrn und entzündet die Liebe in unseren Herzen, so dass wir selber als Advents­lichter leuchten in der Freude auf Ihn. Die große Lichtgestalt des Advents ist die Gottesmutter. Ihr, die uns Pilgerführerin ist, wollen wir unseren Weg anvertrauen

Ihnen allen wünsche ich eine gesegnete Zeit des Advents. Möge das Licht Christi in uns vor allem unseren alten und kranken Menschen die Dunkelheiten des Leidens erhellen und die Kinder in den Tagen der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi zur Freude an Gott führen.

Eichstätt, am 2. Dezember 2006

Ihr
Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt

© Pressestelle der Diözese Eichstätt