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Im Wortlaut

Wort des Hochwürdigsten Herrn Bischof Gregor Maria Hanke OSB im Advent

Liebe Schwestern und Brüder,

im Rosengärtlein des Bischofshauses ist es gerade ziemlich kalt. Wir hatten Frost in den Nächten und doch hat eine der Rosen immer noch geblüht. Sie hat nicht nur geblüht, der Rosenstock hatte sogar weitere Blütenknospen angesetzt. Ein kleines Wunder der Natur. Wie viel Sonnenkraft, wie viel Licht muss dieser Rosenstock in sich aufgenommen haben? Wie viel muss er aus der Erde an Nahrung gezogen haben, um der Kälte und der Witterung zu trotzen?

Liebe Schwestern und Brüder, ist das nicht ein wunderbares Bild für unser Leben, unser Leben aus dem Glauben? Wir erleben momentan eine schwierige Zeit in dieser Corona-Pandemie. Aber diese Zeit muss uns nicht Angst machen, sie muss uns nicht das Fürchten lehren. Der Rosenstock sagt uns: Wenn wir uns dem Licht öffnen, wenn wir Nahrung aus dem Boden holen, dann können wir dennoch blühen. Licht, es geht um das Licht Gottes, um das Licht der heiligen Schrift, um das Licht des Wortes Gottes. Und die Nahrung, das ist die Nahrung, die wir aus der Gemeinschaft des Glaubens, aus dem Miteinander unseres Kircheseins, aus der Begegnung mit der Schwester, mit dem Bruder und vor allem mit Christus beziehen. Ja, dann ergeht es uns wie dem Rosenstock. Wir blühen, obwohl es um uns herum ungemütlich ist. Die Corona-Einschränkungen prägen unser Leben. Sie engen uns ein, sie verändern das Leben, sie lassen Distanz zueinander wachsen und viele von uns sind verzweifelt, haben gar Ängste. Nehmen wir uns den Rosenstock als Vorbild, sich dem Licht Gottes sich zu öffnen, der Nahrung des Glaubens zu trauen. Dann blühen wir trotz Corona.

Das ist eine wahrhaft adventliche Haltung. Diese Offenheit auf Gott hin, der uns entgegen kommt. Jetzt in der Adventszeit denken wir besonders daran. Gott ist kein Ferner, sondern er ist einer, der ankommt. Der uns in den Blick nimmt, der uns sieht, der sein Angesicht auf uns leuchten lässt.

Liebe Schwestern und Brüder, Corona muss uns dann keine Angst machen. Gewiss, wir sind angehalten sorgsam, achtsam umzugehen, aber Corona ist nicht das letzte Wort. Das letzte Wort ist Gottes Wort, das uns Kraft gibt, das uns blühen lässt. Und noch etwas anderes wird uns klar, wenn wir den Weg der Rose gehen: Diese Corona-Pandemie sagt uns etwas über unsere Wirklichkeit aus. Das Virus macht nicht halt vor bestimmten Menschen oder bestimmten Nationen. Es lehrt uns, dass wir alle gleich sind. Das Virus kann jeden befallen und so lernen wir aufs Neue, dass wir zusammen gehören, dass wir eine große Menschheitsfamilie sind, die füreinander Verantwortung trägt. Das Virus macht vielleicht noch auf etwas anderes aufmerksam, auf die eigentliche Pandemie in unserem Leben. Dass wir bisher viel zu sehr nur für uns selbst gesorgt haben, unsere eigenen Ziele im Blick hatten, dass wir den Menschen neben uns, mit uns vergessen haben. Das ist vielleicht die eigentliche Krise unserer Zeit. Schauen wir wieder auf den Rosenstock. Er blüht, er macht uns Hoffnung, macht uns Mut. Öffnen wir uns dem Licht Gottes, ziehen wir Nahrung aus dem Boden des Glaubens, aus unserem Miteinander, mit der Schwester, mit dem Bruder, vor allem mit dem Herrn. Und wir können mitten in der Kälte blühen.

Bald singen wir das Lied „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Dieses Lied, liebe Schwestern und Brüder sollte in unserem eigenen Leben Wahrheit, Wirklichkeit werden. Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns allen einen guten Weg durch den Advent. Einen Weg, der uns neu blühen lässt. Inmitten der Nacht, inmitten des kalten Winters. Denn Gott ist da, er kommt auf uns zu.

Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt