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Im Wortlaut

Hirtenwort des Bischofs von Eichstätt Gregor Maria Hanke OSB zum 1. Adventssonntag 2007

Liebe Schwestern und Brüder,

Heute, am 1. Adventssonntag, dürfen wir dankbar und hoffnungsvoll ein neues Kirchenjahr beginnen. Wir bereiten uns vor auf das Weihnachtsfest, auf das unfassbare Wunder der Menschwerdung Gottes, auf die Ankunft des auferstandenen Christus am Ende aller Zeiten.
In dieser Adventszeit sind wir Christen eingeladen, den Weg für das Kommen des Herrn in unseren Herzen zu bereiten. Es geht darum, unser persönliches Verhältnis zu Gott neu wahrzunehmen und zu vertiefen. Bei all dem gilt es immer wieder, den tragenden Grund wieder zu entdecken: Gott, der uns zuerst geliebt hat und liebt.

Zeichen unserer Zeit

Es ist gewissermaßen zu einem Zeichen unserer Zeit geworden, dass vor allem den Einkaufs- und Vergnügungswelten in diesen Wochen des Advents ihre Räume und Möglichkeiten nicht genügen. Sie versuchen daher, so lange wie möglich die Öffnungszeiten auszuweiten und sich zusätzlich auf Marktplätzen und Straßen zu präsentieren. Die Finsternis der früh beginnenden Nacht wird durch die vielen warmen Lichter in einen Himmel auf Erden verzaubert. Wir haben uns daran gewöhnt und es kostet anscheinend nicht viel, rein statistisch nicht viel Geld, sich diesen Genuss zu gönnen. Wer mehr Geld hat, dem sind keine Grenzen gesetzt. So sind zum Beispiel Billigflüge, um in diesen Festtagen noch mehr himmlisches Vergnügen zu genießen, teilweise schon seit Monaten ausgebucht.

Bei all dem bekennt die Kirche Farbe, die liturgische Farbe violett, Zeichen der Umkehr und Buße. Auch wenn dies selbst bei vielen Gläubigen auf Unverständnis oder Desinteresse stößt.

„Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“ (Röm 13,11)

Die heutige Lesung des Apostels Paulus an die Christen in der Hauptstadt des römischen Weltreiches ist an uns alle gerichtet. Jede und jeder Getaufte werden heute eindringlich aufgefordert, vom Schlaf aufzustehen. Diese Botschaft will uns wachrütteln, dass jetzt endgültig die auch für mich entscheidende Stunde gekommen ist, entweder aufzustehen oder liegen zu bleiben, sich für oder gegen das Reich Gottes zu entscheiden. Diese Entscheidungsstunde ist der Augenblick, den es im sprichwörtlichen Sinne am Schopf zu packen gilt, ansonsten ist – bildlich gesprochen - der letzte Zug abgefahren.

Der Apostel Paulus kennt vom Hörensagen den Großstadtalltag Roms mit der Maßlosigkeit im Leben und den ausschweifenden Gelagen, an denen sich unterschiedslos auch die Christen beteiligen. Es ist damals wie heute ein spürbarer Trend zur Schläfrigkeit bis hin zum „Weltenschlaf“ feststellbar. In diesem Zusammenhang dürfen wir durchaus die statistischen Zahlen der sonntäglichen Gottesdienstteilnehmer in unseren Pfarreien als einen für uns bedenkenswerten Gradmesser hernehmen. Wir stehen immer in Gefahr, Schlafwelten zu suchen und nur noch unsere ganz persönlichen Träume wahrzunehmen und zu leben. So bieten zum Beispiel die vielfältigen Vergnügungsmöglichkeiten und die Angebote der virtuellen Computerwelten, der wachsenden Wellness-, Esoterik- und Freizeitwelten Gelegenheit, abzutauchen und den grauen Alltag zu vergessen. Doch all dies, so bilanziert Paulus, führt nicht zum dauerhaften Glücklichsein, zur Verbesserung der menschlichen Beziehungen und zur gesteigerten Lebensqualität, sondern begünstigt für das menschliche Zusammenleben schädliche Prozesse, die jegliche Lebensgemeinschaften kaputt machen können, wie die von ihm genannten Beispiele „Streit und Eifersucht“.

Eine gottvergessene Angepasstheit und Ahnungslosigkeit in der Welt macht sich breit, wie wir es im heutigen Evangelium hörten: „Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken …, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach…, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.“ (Mt 24, 38-39)

Deshalb fordert der Apostel Paulus auf: „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“ – Das griechische Wort für „aufstehen“ ist das gleiche, das Paulus für „auferstehen“ verwendet. Daher heißt die Aufforderung an uns Christen mehr als nur unseren Lebensstil zu wandeln, wir haben eine Botschaft in diese Welt zu bringen: Den Glauben an die Auferstehung, ja den Auferstandenen in der Welt sichtbar und spürbar werden zu lassen, Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die in uns ist und von der wir leben.

„Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Röm 13,12)

Eindringlich mahnt uns der Apostel Paulus mit markanten Bildern zur Umkehr und zu einem Lebenswandel, der der Würde eines Getauften entspricht. Die Taufe ist ein geschenkter Anfang, der immer wieder gefährdet ist. Die „Werke der Finsternis“ zieht sich der Mensch durch die Sünde an, vor allem durch sein selbstsüchtiges und gottvergessenes Streben und Handeln. Paulus umschreibt diese „Werke der Finsternis“ nicht in höflicher Manier, sondern benennt sie in seinen Briefen immer ganz konkret wie einen Beichtspiegel zur Gewissenserforschung für uns: „… ausschweifendes Leben, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und Essgelage und ähnliches mehr.“ (vgl. Gal 5, 19-21)

Statt dieser „Werke der Finsternis“ sollen wir „die Waffen des Lichts“ anlegen, symbolisiert durch unser weißes Taufkleid. Seit unserer Taufe gehören wir zu dem, der von sich sagte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12) Dies soll in unserem Leben sichtbar werden als wäre es unsere Kleidung. Ja Christus soll in unserem Leben durchscheinen, den wir in unserer Taufe als neues Gewand geschenkt bekamen. Und bei dieser Lebensaufgabe lässt er uns nicht allein: Er geht immer wieder neu auf uns zu durch Mitmenschen, durch die Kirche, durch sein Wort und in den Sakramenten, besonders in der Eucharistie.

Eucharistie: ein Geschenk an den adventlichen Menschen unterwegs

Gerade in der Adventszeit können wir als Getaufte dankbar in den Blick nehmen, dass die Eucharistie „ein Geschenk an den Menschen unterwegs“ (Papst Benedikt XVI.) ist. Sie ist die Quelle, ohne die wir nicht an unser Ziel gelangen können. Wir empfangen sie immer wieder als lebensspendende Nahrung unserer Pilgerschaft. Hier ist in besonderer Weise der auferstandene Christus unter uns gegenwärtig. Nur durch ihn werden wir verwandelt und können an der Verwandlung der Welt teilhaben. Nicht unsere Anstrengungen, sondern die Eucharistie führt uns Gläubige in die neue Qualität des Miteinanders. Nur durch den Auferstandenen können wir im biblischen Sinne Sauerteig sein, der die Welt durchsäuert und der Gegenwart Gottes Raum schafft. So können wir als adventliche Menschen in unserem Leben kundtun: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“

In diesem Sakrament wird uns mit den Worten von Papst Benedikt XVI. „ein Vorgeschmack der künftigen Herrlichkeit gewährt, zu der jeder Mensch und die ganze Schöpfung unterwegs ist“. Auf diesem Weg zur Vollendung feiern wir die Eucharistie mit Bitte um Gottes Hilfe, „damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten“.

Dazu segne Euch der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen

Eichstätt, am 24. November 2007
Ihr
Gregor Maria Hanke OSB
Bischof von Eichstätt

© Pressestelle der Diözese Eichstätt