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Blick auf die Amtszeit: Was bleibt von Bischof Hanke

Mit dem Rücktritt von Bischof Gregor Maria Hanke am Pfingstsonntag 2025 endete eine über 18 Jahre währende Amtszeit, die von teilweise – auch unerwarteten –  Herausforderungen, aber auch von notwendigen Richtungsentscheidungen und klaren Reformschritten geprägt war.

Zwei Krisen haben das Bistum Eichstätt in dieser Zeit besonders stark erschüttert: der sexuelle Missbrauch an Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen sowie die 2018 öffentlich gewordene Finanzaffäre. In beiden Fällen hat Bischof Hanke tiefgreifende Maßnahmen eingeleitet, um systemische Schwächen aufzudecken und präventive Strukturen dauerhaft zu stärken.

Missbrauch – von Prävention bis Intervention

Im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche setzte Bischof Hanke konsequent auf ein umfassendes Konzept aus Prävention, Intervention und Aufarbeitung. So wurden Schutzkonzepte für kirchliche Einrichtungen eingeführt, eine Präventionsbeauftragte eingesetzt und verpflichtende Schulungen für alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden verankert. Zudem wurden persönliche Eignungsnachweise wie erweiterte Führungszeugnisse und Selbstauskunftserklärungen verpflichtend eingeführt – insbesondere für Tätigkeiten mit Kindern, Jugendlichen oder schutzbedürftigen Erwachsenen.

Zur Intervention bei Verdachtsfällen wurde ein „Beraterstab für Fragen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger sowie schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener im Bistum Eichstätt“ eingerichtet. Ergänzt wurde dieser durch einen Krisenstab, der sofortige Maßnahmen einleiten kann sowie eine Interventionshotline für ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende. Darüber hinaus installierte das Bistum unabhängige Ansprechpersonen für Betroffene sowie eine Interventionsbeauftragte, die eng mit Fachberatungsstellen und staatlichen Stellen kooperiert. Alle Verdachtsfälle werden konsequent an die zuständigen Behörden gemeldet. Transparente und betroffenensensible Kommunikation – nicht zuletzt durch persönliche Gespräche des Bischofs mit Betroffenen – war und ist ein fester Bestandteil dieses Kurses. In einem weiteren Schritt setzte Hanke eine Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK) ein, die Zugang zu allen relevanten Akten erhielt. Außerdem wurde ein Betroffenenbeirat bei der UAK eingerichtet.

Für Bischof Hanke war klar: „Wir wollen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und alles tun, um bei der Aufarbeitung des Missbrauchs die Opfer und Betroffenen besonders im Blick zu haben.“ Diesen Kurs bestätigt auch die UAK: „Bischof Hanke hat zu Beginn unserer Arbeit sehr deutlich gemacht, dass es ihm vor allem um die berechtigten Interessen der Betroffenen sexuellen Missbrauchs geht. Er hat uns gebeten, alles zu tun, um auch jene zu ermutigen, die bislang noch nicht den Mut gefunden haben, sich zu melden“, heißt es in einer Stellungnahme der Kommission. "Aufklärung führt zur Aufarbeitung und letztlich zur Gerechtigkeit für die Betroffenen“, so die Überzeugung der UAK.

Transparenz bei Finanzen geschaffen

Nicht weniger tiefgreifend war die Krise, die das Bistum im Zuge der Finanzaffäre durchlief. Nach dem öffentlichen Wirbel um ein Bauvorhaben im Bistum Limburg begannen 2015 immer mehr Bistümer in Deutschland, Rechenschaft über ihr Vermögen abzulegen. Im Rahmen einer von Bischof Hanke verordneten Transparenzoffensive - erstmals unter Einbeziehung externer Wirtschaftsprüfer - wurde 2018, kurz vor Veröffentlichung der Eröffnungsbilanz, bekannt, dass in den Jahren zuvor riskante und intransparente Geldanlagen in den USA mit Mitteln des Bistums getätigt worden waren. Konkret ging es um die Vergabe von 31 nahezu ausnahmslos ungesicherten Darlehen an US-amerikanische Immobiliengesellschaften in einer Gesamthöhe von rund 60 Millionen US-Dollar. Die Unregelmäßigkeiten brachte der Bischof selbst zur Anzeige.

Als Reaktion auf die Affäre initiierte Hanke eine grundlegende Reform der Finanzverwaltung. „Wir haben das ganze Finanzverwaltungssystem geändert, die Rücklagenverwaltung wird seitdem extern vergeben. Den diözesanen Vermögensverwaltungsrat haben wir größtenteils extern und nicht mehr intern besetzt wie zuvor, was allein von der Compliance her ein Unding war. Wir haben ein enges Raster etabliert, ein System, das verhindern soll, dass so etwas noch einmal passiert. Und etwa knapp 35 der 60 Millionen Euro haben wir bislang aus den USA zurückgeholt“, bilanzierte Hanke in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 16. April 2025.

Drei externe Vermögensverwalter wurden damit betraut, die Kapitalanlagen der Diözese professionell zu steuern. Ergänzend dazu wurden neue Anlagerichtlinien eingeführt, die sich an ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien orientieren und eine breite Streuung der Anlagen zur Risikominimierung vorsehen, wie Finanzdirektorin Christina Hüttinger betont. Diese Regelwerke wurden durch ein Diözesangesetz zum Jahresabschluss- und Haushaltswesen ergänzt, das erstmals vollständige Transparenz nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs gewährleistet und eine externe Wirtschaftsprüfung verbindlich vorschreibt. „Seither hat sich das neue System bewährt: Es ist nicht nur krisensicher, sondern auch leistungsfähig. Trotz schwieriger Marktbedingungen konnte das Vermögen stabil gehalten und gleichzeitig nachhaltig investiert werden. Der Fokus liegt dabei auf einer aktiven Steuerung des Risikos und somit auf dem realen Erhalt des Kapitals“, betont Hüttinger.

Neuordnung der Pastoral

Ein wichtiges, wenn nicht sogar das durchgängige Anliegen seiner Amtszeit war für Bischof Hanke das umfassende Bemühen um eine nachhaltige Lebensweise und das beständige Werben dafür. Das betraf neben seinem Einsatz für gelebte Schöpfungsverantwortung auch die Art und Weise des Wirtschaftens und die Beschäftigung mit Organisationsstrukturen und ihre Veränderung. In der Amtszeit Hankes wurden 2011 die Dekanate neu strukturiert (acht statt 15 Dekanate) sowie 2017 die seit 2003 bestehenden 52 Seelsorgeeinheiten in 74 Pastoralräume umgewandelt. Mit dieser Neuordnung der pastoralen Einheiten verband der Bischof den Wunsch, dass größere pastorale Räume stets getragen werden von kleinen Gemeinschaften vor Ort, von Kirchorten und geistlichen Zellen, verknüpft durch die Eucharistie, die Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens sein müsse. „Communio“ aus der Eucharistiefeier, aus der Feier der Sakramente und aus dem Hören auf Gottes Wort mache stark für die dienende Liebe und für das Zeugnis in der Welt.

Für den Leiter der Abteilung Seelsorge und Evangelisierung, Dr. Benedikt Rodler, scheint bei diesem spirituellen Fokus auf kleine Gebetsgemeinschaften und geistliche Zellen der monastische Hintergrund des Benediktinerbischofs durch. „Bei allem Bewusstsein für weitere, angesichts der sinkenden Finanz- und Personalressourcen in den kommenden Jahren unumgängliche Veränderungen in der Pastoral“, so Rodler, sei es Bischof Hanke dennoch stets wichtig gewesen, „dass Kirche bei den Menschen vor Ort erfahrbar und lebendig bleiben kann“. Der Zukunftsplan aus dem Jahr 2023 bringe dieses Anliegen noch einmal deutlich zum Ausdruck, indem er den Schwerpunkt des kirchlichen Wirkens im Bistum auf die Pastoralräume in der Fläche, vor Ort bei den Menschen, also auf die territoriale Seelsorge lege.

Rodlers Vorgänger im Amt des Seelsorgeamtsleiters war zu Beginn von Hankes Amtszeit der damalige Domkapitular Alfred Rottler, der jetzt für die Zeit der Sedisvakanz zum Diözesanadministrator gewählt wurde. Er erinnert daran, dass Bischof Hanke alle anstehenden strukturellen Veränderungsprozesse immer auch als geistliche Prozesse gesehen habe, die geistlich zu unterfüttern seien. Das habe er in seinen Predigten und Hirtenworten und bei anderen Gelegenheiten immer wieder betont. 2022 leitete er die Erstellung von Pastoralkonzepten für die Pastoralräume ein. Rottler wörtlich: „Wir stehen als Kirche insgesamt in einem Prozess mit teilweise transformatorischen Charakter. Die Pastoralkonzepte in den Pfarrverbänden sind am Werden, viele sind schon erstellt. Zukünftig wird es notwendig sein, auch die Pastoralräume weiter zu entwickeln.“

Kernthema Schöpfungsverantwortung

„Das Thema ‚Schöpfungsverantwortung‘ war Bischof Hanke ein wirkliches persönliches Anliegen, das er mit großer Fachkompetenz und authentischem Engagement vorangetrieben hat“, bescheinigt dem zurückgetretenen Bischof die Nachhaltigkeitsreferentin des Bistums, Lisa Amon. Schöpfungsverantwortung wahrnehmen gehöre für ihn zum Kernbestand des christlichen Glaubens. Dies war die Grundlage seines Engagements in „Wort und Tat“.

So rief er immer wieder zu einer Veränderung hin zu einem nachhaltigen Lebensstil auf. Als wichtige Meilensteine in seiner Amtszeit nennt Amon die 2010 erstmals formulierten Klimaziele des Bistums, die EMAS-Zertifizierung der Ordinariatsverwaltung, die seit 2010 alljährlich stattfindenden Schöpfungstage sowie den Ausbau der Stabsstelle Schöpfung, Klima- und Umweltschutz. Die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus bestärkte in den vergangenen zehn Jahren Hankes Kurs.

Weltkirchliche Verbundenheit

Als Bischof einer Diözese, die seit den 1950er-Jahren Partnerschaften mit Bistümern in Indien, Afrika oder Tschechien unterhält, hatte Hanke immer auch ein besonderes Augenmerk für die Weltkirche. In den Augen des Leiters der Stabsstelle Referat Weltkirche und Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke, Dr. Gerhard Rott, habe er das Erbe der Partnerschaften in der Tradition seiner Vorgänger gepflegt und gefördert. Die Zusammenarbeit mit den Hilfswerken sei ihm ein Anliegen gewesen, ausländische Gäste waren immer willkommen, bei Kirche in Not habe Hanke eine Zeit lang besondere Verantwortung getragen.

Rott: „Der Bischof war sich der gelebten Praxis der drei Bistumspartnerschaften und der Potentiale weiterer weltkirchlicher Verbindungen bewusst und hat diese gefördert. Er war der erste Eichstätter Bischof, der sowohl Poona, Gitega und Leitmeritz besucht hat und er wollte, dass viele Menschen an diesen Begegnungen beteiligt sind. Darum fuhren 2012 Vertreter aller Dekanaten zur Grundsteinlegung nach Bugendana, 2018 reisten mehrere Dekane und Laien nach Poona, um von der dortigen Pastoral der Begegnung mehr zu erfahren.“ Hanke wusste und wollte vermitteln, dass Weltkirche als Lern- Gebets- und Solidargemeinschaft erfahren werden müsse, so Rott, und dass dies unerlässlich sei in einer Welt, die sich zunehmend entsolidarisiert. Vielleicht, träumt Rott, „kommen ja zur Weihe seines Nachfolgers auch wieder alle drei Partnerbischöfe nach Eichstätt, das wäre ein toller Start.“

Flüchtlingshilfe: praktisch und geistlich

Der Einsatz für Flüchtende war immer ein besonderes Anliegen von Bischof Hanke. Er hat Initiativen angeregt und unterstützt und so in den Flüchtlingskrisen der 2000er-Jahre markant Hilfe geleistet, Netzwerke unterstützt und Flüchtlingsarbeit als diözesane Aufgabe verstanden und gepusht. Die Bereitstellung der ehemaligen Maria Ward-Schule als Flüchtlingsunterkunft im Jahr 2014 für fast drei Jahre war wohl die Aufsehen erregendste Maßnahme.

Das sieht auch der Referent für Flüchtlingsseelsorge ab 2018, Matthäus Kamuf, so. 2.650 Asylsuchenden aus 26 Nationen konnten in dieser Zeit dank rund 150 aktiver Ehrenamtlicher geholfen werden. „Daneben war es beachtlich, dass ein kleines Bistum, wie unseres, über einige Jahre zusätzlich zur Flüchtlingshilfe zwei Pastoralreferenten als Seelsorger für Geflüchtete abstellte“.

Außerdem habe es viel politische und religiöse Vernetzung über die christlichen Kirchen hinweg gegeben, um den Geflüchteten beizustehen und bessere Bedingungen für sie zu erreichen, resümiert Kamuf. „Auch nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine zeigten sich viele Pfarreien unseres Bistums offen und nahmen ukrainische Familien in kirchlichen Gebäuden auf“, sagt Kamuf. Er finde es gut, dass trotz aller Sparmaßnahmen die Flüchtlingshilfe erhalten geblieben sei.

Begegnungen mit den Gläubigen

In seinen Pastoralbesuchen – also bei Besuchen in den Pfarreien des Bistums – vertiefte Hanke den Dialog mit Gläubigen, Seelsorgern sowie ehren- und hauptamtlich Engagierten – vor Ort in Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen, bei Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen. Er betrachtete dies als eine „zentrale Aufgabe“, um das Leben in den Gemeinden, ihre Stimmung und Bedürfnisse kennenzulernen. Dabei standen für ihn vor allem Begegnung, Dialog und Erneuerung im Mittelpunkt.

Begegnung ist auch das Herz der Willibaldswoche, die Bischof Hanke im Jahr 2009 ins Leben rief und die seither jährlich im Bistum Eichstätt begangen wird. Die Wallfahrts- und Begegnungswoche, zu der Tausende Gläubige an das Grab des Diözesanheiligen Willibald nach Eichstätt pilgern, wurde für den Bischof zu einem pastoralen Schlüsselereignis, das weit über festliche Liturgien hinausreicht. Für Hanke bedeutete die Festwoche vor allem Begegnung – mit dem Glauben der anderen, mit sich selbst und mit Christus. Sie war für ihn eine Zeit der Vertiefung, Ermutigung und missionarischen Erneuerung. Dabei nahm er sich stets viel Zeit für persönliche Gespräche mit den Gläubigen seines Bistums. Den heiligen Willibald stellte er immer wieder als Vorbild missionarischer Leidenschaft heraus: Dieser habe vor 1.250 Jahren die „Flamme des Glaubens“ in der Region entzündet – ein Erbe, das es heute weiterzutragen gelte. Nicht zufällig wählte Hanke den diesjährigen Willibaldssonntag (6. Juli) für seinen Abschied aus dem Bistum.

"Danke für die Weggemeinschaft": Bewegende Worte beim Rücktritt

Ein Rückblick in Bewegtbild: Das Abschiedsinterview

Text: Geraldo Hoffmann/Michael Heberling