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09.01.2025

„Vergreift euch nicht am Leben“: Abt aus Plankstetten über Vegetarismus in der Bibel

Abt Beda Maria Sonnenberg. Foto: Geraldo Hoffmann

Beda Maria Sonnenberg ist seit 2007 Abt der Benediktinerabtei Plankstetten. Foto: Geraldo Hoffmann

Rund acht Millionen Menschen in Deutschland ordnen sich Umfragen zur Folge selbst als Vegetarier ein. Einer, der seit einigen Jahren auf den Konsum von Fleisch und Fisch verzichtet, ist Abt Beda Maria Sonnenberg. Seit 2007 leitet er die Benediktinerabtei Plankstetten, die ökologischen Landbau mit eigenem Schlachthof und einer Metzgerei betreibt. Im Interview spricht Abt Beda über Vegetarismus in der Bibel und in der benediktinischen Tradition sowie über Schöpfungsspiritualität.

Herr Abt, was hat Sie dazu bewogen, vegetarisch zu leben?

Das hat sich während eines Seminars „Heilfastens“ ergeben, an dem ich teilgenommen habe. Diese Veranstaltung fand vor der Corona-Pandemie in unserem Gästehaus statt. Nach einer Woche des Fastens hatte sich bei mir der Vegetarismus einfach eingestellt. Es gab also keinen ideologischen Prozess dazu, keine gedanklichen Bewegungen, wie etwa die schöne Natur oder geh anständig mit den Tieren um, sondern es hat sich einfach so ergeben.

Gibt es weitere Vegetarier in Ihrer Klostergemeinschaft?

Ja, wir sind zu viert, die aus unterschiedlichen Motiven vegetarisch leben. Bei zehn Mönchen vier Vegetarier, das ist also knapp die Hälfte.

Und das passt zum ökologischen Profil des Klosters.

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie ich auf das Thema Fleischlosigkeit schaue. Ich betrachte es nicht ideologisch. Zwei von uns sind aus gesundheitlichen Gründen Vegetarier, bei einem sind es grundsätzliche Überlegungen, die zum Vegetarismus geführt haben. Vegetarismus ist eine nachhaltige Lebensweise. Sie führt auch dazu, dass ich viele Lebensprozesse überdenken muss. Wenn ich mich für diese Daseinsform entscheide, dann hat das weitere Konsequenzen.

Zum Beispiel?

Ein praktisches Beispiel: Ein Rind braucht zwei bis drei Jahre bis es schlachtreif ist. In das Tier wurde sehr viel Energie, Material und Aufwand investiert. Bei Gemüse und Brot habe ich wesentliche kürzere Produktionszeiten, von etwa einem Jahr, und vielleicht auch weniger Aufwand. Allein durch die Zeitbrille betrachtet erkenne ich im Hintergrund eine andere Wertigkeit. Entscheide ich mich für eine stärker nachhaltige Lebensweise, muss ich darüber nachdenken, wie ich Nachhaltigkeit auch in der Mobilität, in Lebensvollzügen, bei Kleidung und so weiter lebe.

Wie ist das bei Ihnen?

Bei der Mobilität bin ich sehr vorsichtig geworden. Ich benutze das Auto nur noch, wenn es zwingend notwendig ist. Ich fahre eher mit der Bahn oder mit dem Fahrrad, wenn es geht. Ich bevorzuge, Kleidung zu kaufen, die länger hält und strapazierfähiger ist, die ich auch besser pflegen muss, als Produkte zu kaufen, diese einmal zu tragen und dann zu entsorgen.

Kommt Ihre fleischlose Nahrung hauptsächlich aus der Klostergärtnerei?

Ja, absolut. Bei einer Diskussion in der Gemeinschaft ging es darum, wer hauptsächlich beim Mittagessen ist: die Vegetarier oder die Fleischverzehrer. Jetzt haben wir uns dafür entschieden, dass wir für beide „Fraktionen“ die gleiche Menge beim Mittagessen anbieten. So kann sich jeder, auch der Flexitarier, für die vegetarische Variante entscheiden, wenn er sie gerne haben möchte. Unsere Küche ist bei den vegetarischen Gerichten erfindungsreich.

Was ist ihr Lieblingsessen?

Sehr gut schmecken mir Kartoffelgratin und Kaspressknödel. Die Salate sind auch unwiderstehlich.

„Vegetarismus wurde der Schöpfung nicht in die Wiege gelegt“

Sprechen wir über Vegetarismus in der Bibel. Da steht schon im Buch Genesis, dass Gott den Menschen und den Tieren pflanzliche Nahrung zur Speise bestimmte. War das die Geburtsstunde des Vegetarismus, war er von Anfang an von Gott gewollt?

Kürzlich wurde ich von einem Koch darauf aufmerksam gemacht, dass ein Rind beziehungsweise ein Schwein bei artgerechter Haltung auch Vegetarier ist. Diesem schönen Gedanken widersprechen faktisch die Raubtiere, die an Lebewesen aller Art Interesse haben, die nicht auf Vegetarismus angelegt sind. Von daher ist meiner Ansicht nach der Vegetarismus nicht vom Anfang an der Schöpfung in die Wiege gelegt. Was jedoch zur Sprache gebracht wird, ist der Gedanke, dass sich Menschen und Tiere die gleiche Lebensgrundlage teilen. Beide haben das gleiche Anrecht auf Nahrung. Das halte ich für sehr relevant, wenn man sich überlegt, wie lange man gebraucht hat, um Landschaftsschutzgebiete oder Reservate für wilde Tiere oder gefährdete Pflanzen auszuweisen. Dieses Bewusstsein ist sicherlich in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. Immer deutlicher wird: Wir sind verantwortlich.

Was heißt „Macht euch die Erde untertan“ – ein Satz, der auch in Genesis zu lesen ist?

„Sorgt auch für die Anderen!“ Wir sind nicht allein auf dieser Welt, sondern haben auch eine Sorge für die Tiere und Pflanzen. Wir haben nicht das Recht, das Meer abzufischen und dann zu sagen, so ist es, Feierabend mit der ganzen Geschichte. Es geht immer darum, mehr zu sehen als die eigenen Bedürfnisse – und das ist eine Eigenart des Christentums, das ist Nächstenliebe.

„Ich könnte kein Schwein töten“

„Alles, was sich regt, in dem Leben ist, soll euch zur Speise dienen. Wie das Grün des Krautes gebe ich euch das alles“, heißt an einer anderen Stelle im Genesisbuch (9,3). Es gibt Bibelexperten, die daraus eine Erlaubnis für die Tiertötung und Tiernahrung nach der Sintflut folgern.

Vorsicht, der Text geht weiter: „Nur Fleisch, in dem noch Blut ist, dürft ihr nicht essen.“ (Gen 9,4). Das Thema hier ist, vergreift euch nicht am Leben, schützt das Leben. Das Blut ist Ausdruck des Lebens, über das der Mensch nicht verfügt. Vielleicht geht der Satz in eine völlig andere Richtung: Die Nahrung wächst dem Menschen nicht in den Mund. Wenn er überleben will, muss er sich mit dem Leben auseinandersetzen, muss arbeiten, jagen, fangen, sähen, ernten … und das in der Haltung des Respekts. Das Paradies, das Schlaraffenland ist nun endgültig vorbei.

Können sich sowohl Vegetarier als auch Fleischverzehrer auf die Bibel berufen oder liefert sie für beide Seiten keine Argumente?

Die Bibel hebt nicht auf das Thema Vegetarier oder Fleischverzehrer und auch nicht auf rein bzw. unrein ab, sondern es geht um eine grundsätzliche Haltung des Menschen, um seine innere Einstellung, um eine Haltung des Respekts und der Verantwortung vor dem Leben. In den Zehn Geboten heißt es generell „du sollst nicht töten“. Das bezieht sich eigentlich auch auf das Tier, wenn man es ganz genau betrachtet. Daher könnte man fragen, rechtfertigen die zehn Gebote den Vegetarismus? Ja, auch, aber nicht nur. Da kommt die Frage auf, was uns berechtigt Tiere zu töten. Ich kann jetzt rausgehen, sehe die schönen Vögel und Tiere, diese Schönheit berührt mich, und ich entscheide mich, sie nicht zu berühren. Mir geht es bei uns in der Landwirtschaft so: Die Schweine mit ihrer frohen Neugier berühren mich. Deswegen könnte ich keines davon schlachten. Und zwar weil ist sie so lebendig, lustig und neugierig sind.

Wie ist die biblische Symbolik der Tieropfer im Alten Testament zu verstehen?

Der Ursprung des biblischen Opfers findet sich in der Geschichte von Kain und Abel. „Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn eine Gabe von den Früchten des Erdbodens dar; auch Abel brachte eine dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.“ (Gen 4,3f). Der Grund des Opfers wird aus dem Text nicht ersichtlich. Das wertvollere Opfer ist zweifelsfrei das Tieropfer, das aber Gott ablehnt. Offensichtlich scheint es Gott um die innere Haltung zu gehen, mit der ein Opfer dargebracht wird.

„Fleischverzehr hat eine hohe kulturelle Bedeutung“

Sie haben bereits die Begriffe „rein“ und „unrein“ genannt: Manche Bibelstellen lassen Vegetarismus als Vorsichtsmaßnahme vermuten etwa bei Daniel, in dem sich der Fleischverzehr auf das Fleisch von reinen Tieren beschränkt. Was können Sie dazu sagen?

Im Buch Daniel wie auch in anderen Büchern des Alten Testaments, zum Beispiel in den beiden Büchern der Makkabäer, hat Fleischverzehr eine hohe kulturelle Bedeutung. Mit dem Fleischverzehr ist man entweder dabei oder man grenzt sich gegenüber anderen Völkern ab. Der Verzicht auf den Verzehr unreiner Tiere wird zum Symbol der Erwählung des Gottesvolkes. Das Neue Testament geht einen Schritt tiefer und fokussiert allen voran die innere Haltung: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“ (Mk 7,15f). Die Erwählung wird nun nicht mehr am Verzicht von Fleisch unreiner Tiere konkretisiert, sondern an der inneren Haltung: „Selig, die rein sind im Herzen, denn sie werden Gott schauen“ (Mk, 5,8). Werfen wir einen Blick in die Zeit der Apostelgeschichte. Der Apostel Petrus hatte eine Vision, bei der er ein Tuch sah, das mit reinen und unreinen Tieren gefüllt war. Er wurde aufgefordert, zu schlachten, was dieser jedoch mit dem Hinweis auf rein/unrein verneinte. Entscheidend ist der folgende Satz: „Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein“. (Apg 11,9).

„Mönche habe sich gewöhnlich vegetarisch ernährt“

Bereits im Mittelalter soll es Benediktiner und Zisterzienser gegeben haben, die vegetarisch oder sogar vegan gelebt haben. Ist Vegetarismus also in der benediktinischen Tradition bzw. im Mönchtum verwurzelt?

Auf jeden Fall. Benedikt schreibt „Auf Fleisch vierfüßiger Tiere sollen alle verzichten, außer die ganz schwachen und kranken“. Fleisch vierfüßiger Tiere, worunter die Benediktsregel Kleintiere wie Schafe und Ziegen und Großvieh wie Rinder und Schweine versteht, wird als Medikament betrachtet, das den Kranken vorbehalten ist. Daraus lässt sich erkennen, dass sich die Mönche gewöhnlich vegetarisch ernährten. Möglicherweise hat das mit der Entscheidung für einen einfachen Lebensstil zu tun. Fleisch war und ist teuer. Das Prinzip, arm, einfach und auch bescheiden zu leben, wird auch auf die Ernährung bezogen.

Nach dieser Regel müssten die meisten Benediktiner fleischlos leben, oder nicht?

Im Spätmittelalter gab es tatsächlich diese Fragestellung bezüglich Fleischverzicht, sie wurde auch intensiv diskutiert. Man ist dann aber irgendwie davon abgekommen. Im Orden wird heute diese Frage als Grundsatzthema nicht diskutiert.

„Ich presse nicht meine Einstellung der Abtei auf“

Sie sagten vorhin, Sie könnten kein Schwein töten, und nannten jetzt die Benediktsregel, die den Fleischverzehr einschränkt. Sie als Vegetarier leiten ein Kloster, das einen Schlachthof und eine Metzgerei betreibt. Ist das nicht widersprüchlich?

Das sehe ich nicht so. Ich presse nicht meine Einstellung der Abtei und seinen Betrieben auf. Ich kann nicht hergehen und sagen, die ganze Einrichtung hat vegetarisch zu sein. Auch die Benediktsregel sieht das sehr differenziert. Ich kann solche Fragen immer nur für mich beantworten.

In Ihrem Kloster gibt es neben der ökologischen Landwirtschaft und diversen anderen Betrieben auch ein Zentrum für Schöpfungsspiritualität. Was meinen Sie mit „Schöpfungsspiritualität“ und was bietet die Abtei zu diesem Thema an?

Es ist gut, sich mit dem Wort Schöpfungsspiritualität zu beschäftigen: Hat die Schöpfung eine Spiritualität? Oder: Gibt es einen spirituellen Umgang mit der Schöpfung? Gehen Christen, als gläubige Menschen, anders mit der Schöpfung um? Wenn Spiritualität als eine Suche des Menschen nach Gott verstanden werden kann und der Mensch sich selbst als Teil der Schöpfung versteht, dann wird die Frage nach Gott zu einer Suche nach einem göttlichen Grundton, der mich, den Mitmenschen und die Schöpfung erfüllt, und der uns in Harmonie und Einheit bringt. Folglich hätte dann auch die Schöpfung eine Spiritualität.

In den vergangenen Jahren haben wir das Thema „Schöpfungsspiritualität“ in unser Kursprogramm aufgenommen und verfolgen in diesem Zusammenhang die Frage, wie schaut ein Christ auf die Schöpfung und wie verändert diese Perspektive sein Handeln. Dazu haben wir in Zusammenarbeit mit der Diözese Eichstätt das Symbol eines Kleeblatts entwickelt, in dem ausgedrückt wird, dass die Schöpfung unser Glück ist. Dieses Symbol weist im Gästehausprogramm Kurse aus, die Aspekte der Schöpfungsspiritualität enthalten.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

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