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14.05.2025

Katholizismus in der Heimat des Papstes: Tief gespaltene Kirche in den USA

Eichstätt – Mit Leo XIV. wurde zum ersten Mal ein US-Amerikaner Papst. Das ist ein Anlass, den Katholizismus in den USA näher zu betrachten. An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt lehrt Professor Dr. Benjamin Dahlke. Der 1982 geborene Theologe ist seit 2021 Lehrstuhlinhaber für Dogmatik und Dogmengeschichte. Nach Studien in Deutschland und am Princeton Theological Seminary (USA) promovierte und habilitierte er sich in Mainz. Als Lonergan Fellow am Boston College vertiefte er seine Verbindungen zu den USA, die auch in seiner Forschung zur katholischen Kirche dort eine Rolle spielen. Dahlke publiziert regelmäßig zu Themen der systematischen Theologie, insbesondere Christologie und Ökumene. Er gilt als ausgewiesener Kenner des Katholizismus in den USA.

Der Katholizismus in den USA unterscheidet sich von dem in Deutschland. Dem einfachen Beobachter fällt eine große Polarisierung in verschiedene Lager auf. Stimmt das und woran könnte das liegen?

Dahlke: Vereinfacht gesprochen stehen sich in der US-Kirche zwei Lager gegenüber: In einem Lager gelten soziale Gerechtigkeit, der Einsatz für Minderheiten und Migranten als zentral. Das ist der sogenannte Social Justice Catholicism, wie ihn beispielsweise Joe Biden verkörpert. Der ehemalige Präsident hat Politik aus dem Glauben heraus betrieben, allerdings in moraltheologischen Fragen Positionen vertreten, die von der offiziellen kirchlichen Lehre abweichen. Das betrifft insbesondere die Abtreibung. Gerade hier bezieht ein anderes, konservatives Lager im Katholizismus klar Stellung. Katechese und Liturgie sind da ebenfalls wichtig. Die Polarisierung in der Kirche spiegelt die Polarisierung der Gesellschaft wieder. Seit den 1960er Jahren haben sich in den Vereinigten Staaten zwei Lager gebildet, die sich hart bekämpfen. Das gilt auch für die Politik mit ihrem Zweiparteiensystem.

Präsident Trump sieht sich ja als auserwählten Teil des göttlichen Plans mit messianischen Eigenschaften. Wie ist das Verhältnis von Religion und Politik in den USA?

Dahlke: Bei uns gilt Religion eher als Privatsache. In den USA ist sie hingegen sehr präsent. Politiker schließen ihre Reden ganz selbstverständlich mit dem Satz „God bless the United States!“ – selbst wenn sie keinen ausgeprägten Glauben haben. Man spricht deshalb von einer Zivilreligion. Wenn Trump das gescheiterte Attentat auf ihn oder seinen Wahlsieg einem göttlichen Eingreifen zuschreibt, dann ist das dem Einfluss der Evangelikalen in der Politik geschuldet. Inzwischen sind konservative, bibelorientierte Christen eine feste Wählergruppe der Republikanischen Partei. Ohne sie hätte Trump nie gewinnen können. Da ist also auch Strategie dabei.

Der neue Papst hat sich den Namen Leo XIV. gegeben. Das erinnert an Leo XIII., der ja als sehr politischer Papst gilt, u.a. als einer der Mitbegründer der Katholischen Soziallehre. Können wir wieder mit einem politischen Papst rechnen – insbesondere auch im Blick auf seine Heimat?

Dahlke: Aktuell lässt sich das kaum seriös beantworten. Einerseits hat der neue Papst bei den letzten Präsidentschaftswahlen seine Stimme abgegeben. Er wird also schon eine persönliche Auffassung haben. Andererseits muss er die klare Trennung von Staat und Kirche, wie sie die Verfassung der USA vorsieht, im Blick behalten. Er darf also nicht parteipolitisch werden, was natürlich nicht immer ganz einfach ist. Außerdem ist er als Nachfolger Petri zunächst einmal für die Weltkirche zuständig. In den USA gibt es 60 bis 70 Millionen Katholiken, weltweit ungefähr 1,4 Milliarden.

Die wissenschaftliche Theologie in den USA gilt ja gemeinhin als dynamisch und konfliktreich, aber auch als innovativ und vielfältig. Gibt es hier Ansätze, die weltkirchlich von Bedeutung sein könnten?

Es gibt in der Theologie zwei verschiedene Richtungen: Die eine beschäftigt sich sehr intensiv mit alten, traditionellen Lehren, besonders mit den Ideen von Thomas von Aquin. Diese Richtung, der sogenannte Neuthomismus, ist vor allem in den USA verbreitet und beeinflusst inzwischen auch andere Länder. Die andere Richtung versucht, den Glauben speziell für bestimmte Gruppen von Menschen verständlich und relevant zu machen – zum Beispiel für Afroamerikaner oder Migranten aus Südamerika. Solche Ansätze nennt man kontextuelle Theologien. Sie gehen gezielt auf die Lebenssituation und die Erfahrungen dieser Gruppen ein. In Deutschland gibt es solche speziellen theologischen Ansätze bisher kaum. Vielleicht könnten wir hier etwas von den USA lernen.

Die Fragen stellte Norbert Staudt

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