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10.04.2025

„Jesu Liebe ist stärker als aller Hass“: Liturgiewissenschaftler Marco Benini erklärt die Kar- und Ostertage

Die Kreuzigung Jesu. Foto: Anika Taiber-Groh/pde

Die Kreuzigung Jesu: Kreuzweg in der Katholischen Pfarrkirche St. Johannes der Täufer, Batzhausen. Foto: Anika Taiber-Groh/pde

Eichstätt. (pde) – In der Karwoche, von Palmsonntag bis Ostersonntag, gedenken Christinnen und Christen weltweit des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu. Die zentrale Botschaft der Passionsgeschichte ist Liebe, Vergebung und Versöhnung. Ostern bedeutet für die Gläubigen, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern der Übergang zu einem ewigen Fest. Der Eichstätter Diözesanpriester Marco Benini, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier, erklärt im Interview die Liturgie der Kar- und Ostertage Schritt für Schritt.

Herr Benini, am kommenden Sonntag, dem Palmsonntag, beginnt die Karwoche. Was wird am Palmsonntag „nachgespielt“ oder „mitvollzogen“?

Marco Benini: Am Palmsonntag feiern wir den Einzug Jesu in Jerusalem. Wie die Frauen, Männer und Kinder Jesus damals zujubelten, huldigen wir bei der Prozession zu Beginn Christus als unserem „König und Erlöser“. Dabei geht es nicht einfach um ein Nachspielen der Vergangenheit, sondern um die Feier unseres Heils, das Jesus uns durch sein Sterben und Auferstehen geschenkt hat. Das dürfen wir in diesen Tagen mitvollziehen. Der Palmsonntag ist wie das Eingangstor zur Heiligen Woche.

Was symbolisieren die Palmzweige – die in Europa meistens keine echten Palmzweige sind – und was macht man nach der Karwoche mit ihnen?

Die Palmzweige sind Zeichen des Lebens und des Sieges über den Tod. Daher gibt es den Brauch, sie zu Hause hinter das Kreuz zu stellen – denn am Kreuz hat Jesus den Tod besiegt und das Leben neu geschaffen. Die Asche des Aschermittwochs wird aus den Palmzweigen – bei uns meist Palmkätzchen – des vergangenen Jahres gemacht.

Die „Trauertage“ von Montag bis Mittwoch sind durch keine „großen“ liturgischen Feiern geprägt – mit Ausnahme der „Chrisam-Messe“ am Montag. Was ist das Besondere an dieser Messe?

In dieser Messe weiht der Bischof die Öle für die ganze Diözese. Es gibt drei heilige Öle: das Öl für die Taufbewerber, das Chrisamöl (Olivenöl mit Balsam) und das Öl für die Krankensalbung. Im Wort Chrisam steckt das Wort Christus, das übersetzt Messias oder der Gesalbte bedeutet. Chrisam wird bei der Taufe, der Firmung und der Priesterweihe verwendet – also bei jenen Sakramenten, die man nur einmal empfängt und die in Christus eingliedern. Chrisam ist auch ein Zeichen des Heiligen Geistes. Er wird zudem zur Weihe von Altären und Glocken verwendet. Außerdem erneuern bei der Chrisam-Messe die Priester und Diakone ihre Weiheversprechen.

„Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Mit der Messe vom Letzten Abendmahl geht es am Gründonnerstag in die heiße Phase. Dieser Tag ist voll von Symbolhandlungen: Einsetzung der Eucharistie, Fußwaschung, Veränderungen im Kirchenraum, das Schweigen der Glocken. Was bedeuten diese Zeichen?

Was Jesus damals am Gründonnerstag getan hat, vollziehen wir heute. Beim Letzten Abendmahl hat Jesus die Eucharistie als Zeichen seiner bleibenden Gegenwart unter uns eingesetzt. Er hat über Brot und Wein gesagt: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Die Gaben hören auf, einfach nur Brot und Wein zu sein, weil sie durch das Hochgebet – in dem der Priester diese Worte Jesu in seinem Namen sprechen darf – und in der Kraft des Heiligen Geistes zu seinem Leib und Blut werden. Die ganze Liebe, die Christus ans Kreuz geführt hat, hat er in dieses Zeichen hineingelegt und der Kirche anvertraut: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Das feiern wir am Gründonnerstag – und in jeder Messe.

Zugleich hat Jesus seine Liebe in der Fußwaschung an den Jüngern zum Ausdruck gebracht. Sein Liebesgebot kann man in der Fußwaschung zeichenhaft umsetzen. Dieser optionale und ergreifende Ritus sollte in mehr Pfarreien gepflegt werden. Fußwaschung und Eucharistie zielen jedoch über den Gottesdienst hinaus: Wir dürfen aus seiner Liebe leben – und sie weitertragen.

Das Schweigen von Glocken und Orgel ab dem Gloria drückt die nüchterne Ergriffenheit aus. Historisch haben sich hier alte Formen erhalten, aus einer Zeit, als man Gottesdienste noch ohne Orgel und Glocken feierte. Wie Jesus nach dem Abendmahl zum Ölberg gegangen ist und die Jünger aufforderte, zu wachen und zu beten, so wird am Ende der Messe das Allerheiligste an einen Seitenaltar oder einen anderen Ort übertragen – und angebetet.

Im Tod ist das Leben

Die Karfreitagsliturgie wird als „Feier vom Leiden und Sterben Jesu“ bezeichnet. Was passiert an diesem Tag – und kann man „Leiden feiern“?

Das Leiden Jesu war in der Tat eine grausame Hinrichtung, die man als solche nicht feiern kann. Doch es geht um mehr als nur um die Erinnerung an ein historisches Ereignis: Wir feiern, dass wir durch seine Hingabe am Kreuz und seine Auferstehung von Sünde und Tod erlöst sind. Daher hören wir zunächst, wo in der Bibel vom Sterben des Gottessohnes die Rede ist – vor allem in der Passion. Zum Tod Jesu knien alle in Stille nieder. Danach wird ein violett verhülltes Kreuz feierlich enthüllt: „Seht das Kreuz!“ Jeder tritt einzeln zur Verehrung vor dieses Kreuz, denn Jesus hat mich erlöst. Schließlich wird die Kommunion empfangen, um sich dankbar mit Jesus zu vereinen. Die Liturgie folgt dabei einem Dreischritt: Hören – Sehen – Empfangen. So macht sie uns bewusst: Im Tod ist das Leben!

Kreuzwege stehen in der Fastenzeit, besonders am Karfreitag, im Fokus. Es gibt sie in fast jeder Kirche und vielerorts auch in der Natur. Wozu dienen sie?

Anhand der 14 Stationen mit je einem Bild kann man den Leidensweg Jesu betend mitgehen – von der Verurteilung durch Pilatus bis zur Kreuzigung auf Golgota und der Grablegung. Das Leiden Jesu wird dabei mit dem heutigen Leiden in der Welt verbunden. Jesus kann aus eigener Erfahrung mitfühlen mit den Kranken und Leidenden unserer Tage, denen unser Gebet und Mitgefühl gilt. Der Ursprung des Kreuzwegs liegt in Jerusalem.

Wie sollte die Liturgie der Passion gestaltet sein, damit sie nicht zu einem gewissen Kult um das Schmerzvolle führt und nicht missverständlich wirkt?

Die Gottesdienste des Triduums – also von Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht – sind eigentlich ein einziger Gottesdienst. Sie sind wie ein Drama in drei Akten, weil man Sterben und Auferstehen Christi nicht trennen kann. Daher ist es sinnvoll, alle drei Liturgien mitzufeiern – und die Kinder einzubeziehen. Auch am Karfreitag tun wir nicht so, als wüssten wir nicht, dass Jesus auferstand. Er ist durch den Tod zum Leben hindurchgegangen, damit auch wir vom Tod zum Leben übergehen. Auch die Gebete und Lieder machen immer wieder deutlich, dass es um unsere Erlösung geht.

Die zentrale Botschaft der Passionsgeschichte ist Liebe, Vergebung und Versöhnung – nicht Gewalt. Welche Wirkung kann diese Botschaft in der heutigen konflikt- und gewaltbeladenen Welt entfalten?

Jesu Liebe ist stärker als aller Hass. Er hat denen verziehen, die ihn ans Kreuz schlugen – und damit seine Botschaft bis zum Äußersten selbst vorgelebt. Jesus am Kreuz ist zunächst eine Einladung, die eigenen Verletzungen und Enttäuschungen zu ihm zu bringen und in seine Wunden hineinzulegen, damit wir sie Schritt für Schritt loslassen können – und er sie heilen kann. Nur Liebe kann heilen.

In den großen Fürbitten am Karfreitag betet die Kirche weltweit für die Regierenden, für den Frieden in der Welt und für die Notleidenden. Wo Jesu Vorbild nachgeahmt wird, wachsen Versöhnung und Friede – auch wenn wir wissen, wie schwierig das in persönlichen und weltweiten Konflikten sein kann. Seine Botschaft bleibt Ansporn und Ermutigung.

„Die Osternacht ist der schönste Gottesdienst im ganzen Jahr“

Der Karsamstag und die Osternacht gehen in das Osterfest über. Was ist bezeichnend für diesen Übergang von der Trauer zum Fest – und wird er in der katholischen Kirche überall gleich gestaltet?

Die Osternacht ist der schönste katholische Gottesdienst im ganzen Jahr – und sie wird weltweit in ähnlicher Weise gefeiert. Der Übergang vom Dunkel zum Licht symbolisiert Christi Übergang vom Tod zum Leben in der Auferstehung. Vom Licht der einen Osterkerze, die für Christus steht, werden die Kerzen aller Mitfeiernden entzündet, denn wir erhalten Anteil an seinem Osterlicht. Die Jahreszahl auf der Osterkerze zeigt: Christus lebt 2025 – und wir mit ihm. Wir hören vom Handeln Gottes in der Geschichte von der Schöpfung über die Befreiung aus Ägypten hin zur Auferstehung Christi – in der Überzeugung, dass Gott, der damals gewirkt hat, auch heute Hoffnung und Heil schenkt. Beim Gloria wird das elektrische Licht angeschaltet, Glocken und Orgel ertönen wieder: Das Leben kehrt in die Kirche zurück. Mancherorts findet auch eine Taufe statt, und wir erneuern unseren Glauben. Der Gottesdienst mündet in die Eucharistiefeier, gleichsam das Ostermahl mit dem Auferstandenen. In der Kommunion kommt der Auferstandene selbst in uns und will uns seine Osterkraft schenken. In Deutschland und anderen Ländern werden schließlich die mitgebrachten Osterspeisen gesegnet, damit die Freude, die wir in der Kirche feiern, zu Hause in unseren Familien weiterwirkt. Ostern schenkt eine neue Freude an Gott und am Leben.

Der Ostersonntag gilt als der ranghöchste Festtag im Kirchenjahr. Beim leeren Grab Jesu fragen sich die Jünger – und vermutlich auch Christinnen und Christen heute: Was soll das bedeuten?

Selbst die Jünger glaubten der Botschaft der Auferstehung zunächst nicht, die ihnen die Frauen vom leeren Grab brachten. Der sogenannte „ungläubige Thomas“, ein Skeptiker unter den Aposteln, und gerade deshalb für viele heute besonders nachvollziehbar – will seine Finger in die Wundmale Jesu legen, um sicher zu sein, dass der Gekreuzigte wirklich lebt. Erst die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen hat die Apostel so sehr überzeugt, dass sie später sogar bereit waren, dafür in den Tod zu gehen. Die Auferstehung Jesu bedeutet, dass Christus auch heute lebt und wir mit ihm in Beziehung treten können. Damit können wir als österliche, frohe Menschen leben. Durch seine Auferstehung hat Christus außerdem den Weg in den Himmel, in die ewige Gemeinschaft mit Gott und den Verstorbenen, den Heiligen, für uns geöffnet. Damit ist der Tod nicht das Ende, sondern der Übergang zu einem ewigen Fest.

Nach christlicher Tradition gäbe es ohne Ostern keine Kirche. Dennoch gilt Pfingsten als „Geburtstag“ der Kirche. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen beiden Festen?

Pfingsten ist ein österliches Fest, der Abschluss der fünfzigtägigen Osterzeit. Nach dem Johannesevangelium hat Jesus am Ostersonntag die Jünger angehaucht und ihnen den Heiligen Geist gegeben. Doch erst am Pfingsttag, nachdem sie gemeinsam mit den Frauen und Maria im Abendmahlssaal um die Stärkung durch den Geist gebetet hatten, traten sie öffentlich auf und verkündeten Christus als den Auferstandenen. Die Apostelgeschichte berichtet, dass 3000 Menschen sich taufen ließen. Die Kirche entsteht aus der Begegnung mit dem lebendigen Christus – und das bis heute! Sie ist mehr als eine Organisation (mit den menschlichen Schwächen). Sie wird lebendig, wenn im Gebet und Gottesdienst der Auferstandene in unsere Mitte tritt und sein Geist uns Kraft und Freude gibt, das Leben in seinem Sinne zu meistern.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

Mehr zum Thema:
Im Kreuz ist Leben! Geistliche Einführung in die Kar- und Ostertage - Online-Vortragsreihe von Marco Benini

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