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02.04.2007

„Ziel ist es, Frieden zu finden und sich auszusöhnen“ - Grabstätten für totgeborene Kinder bieten einen Raum, wo Familien trauern dürfen

„Zeitraum“ heißt die Skulptur, die der Eichstätter Steinmetz Günter Lang (r.) für die Kindergrabstätte in Rebdorf geschaffen hat. Der Text, der mit den Worten „gesucht, gefunden“, beginnt, wird sich auf Steinbänken fortsetzen. Noch steht die

„Zeitraum“ heißt die Skulptur, die der Eichstätter Steinmetz Günter Lang (r.) für die Kindergrabstätte in Rebdorf geschaffen hat. Der Text, der mit den Worten „gesucht, gefunden“, beginnt, wird sich auf Steinbänken fortsetzen. Noch steht die Skulptur in seinem Atelier. Teresa Loichen (l.) , Referentin vom „Netzwerk Leben“, betont, wie wichtig es ist, der Trauer Raum zu geben. „Durch Verdrängen staut sich sehr viel mehr auf, als wenn ich mich der Situation stelle.“ Die Kindergrabstätte leiste dazu einen wichtigen Beitrag.

Eichstätt. (pde) – Es soll eine meditative Ecke im Rebdorfer Friedhof werden: Hainbuchenhecken und Bäume mit schirmartigen Blätterwerk schützen vor neugierigen Blicken, Steinquader bieten Platz zum Verweilen. Es gibt keine Grabsteine, keine Kreuze, dafür aber eine Skulptur, an der trauernde Familienangehörige Kuscheltiere und Kerzen abstellen können. Ein Metallgitter können Geschwister mit Bändern, Schleifen und Windrädern schmücken. So sehen sie aus, die Pläne für die Begräbnisstätte für totgeborene Kinder im Eichstätter Stadtteil Rebdorf. Fertig gestellt werden soll das Kindergrab im November 2007.

Eltern und Geschwistern einen Raum zum Trauern geben, das ist das Ziel der Einrichtung, die in der Diözese Eichstätt längst nicht die einzige ist. In Ingolstadt, Neumarkt, Schwabach und Nürnberg etwa gibt es vergleichbare Orte. „Durch Verdrängen staut sich sehr viel mehr auf, als wenn ich mich der Situation stelle. Dazu brauche ich einen Raum. Da sind wir als Kirche gefordert“, betont Teresa Loichen, Referentin für das „Netzwerk Leben“ in Eichstätt. Bei ihr laufen die Fäden zusammen. Sie gehört zum Arbeitskreis, der das Konzept für das Kindergrab in Eichstätt entworfen hat und koordiniert auch den Arbeitskreis, der sich auf Diözesanebene mit dem sensiblen Thema auseinandersetzt. Dass das Thema die Menschen berührt, weiß die Referentin aus ihrer täglichen Arbeit. „Es ist, wie wenn man in eine Blase sticht“, so schildert sie die Reaktionen, die sie hört, sobald das Stichwort „Kindergrab“ fällt. „Plötzlich heißt es: Auch wir haben ein Kind verloren.“ Dass die Gesellschaft darüber so wenig weiß, liegt daran, dass totgeborene Kinder oft wie ein Tabu behandelt werden. „Du kannst ja wieder“ oder „Da war ja noch nichts“ - das sind Stimmen, die Mütter zu hören bekommen, wenn sie über die tote Leibesfrucht sprechen wollen. Dass da sehr wohl etwas war, wissen die Betroffenen nur allzu gut. „Es gibt Frauen, die 30 Jahre lang verdrängt haben und verdrängen mussten, dass sie ein Kind verloren haben“, erzählt Teresa Loichen. „Dann kommt es plötzlich wieder hoch.“ Frauen nach einer Abtreibung gehe es ganz ähnlich: „Sie merken: Es war kein Zellhaufen. Es war ein Kind.“

Dass es in Bayern immer mehr Begräbnisstätten für totgeborene Kinder gibt, liegt nicht nur an der größer werdenden Sensibilität, mit der die Verantwortlichen an das Thema herangehen. Es liegt auch an einer Gesetzesänderung, die verpflichtet, jede Früh- oder Totgeburt zu bestatten. Bisher lag die Grenze bei 500 Gramm. Was darunter war, wurde von den Kliniken entsorgt. Sieht sich die betroffene Familie nicht in der Lage, die Beerdigung zu organisieren, dann führt die Klinik eine würdige Bestattung durch. In Eichstätt wird es so sein, dass dreimal jährlich ökumenische Gemeinschaftsbestattungen stattfinden werden.

Es gibt auch einen weiteren Trend, den Teresa Loichen mit dem Begriff „Rückkehr zu mehr Natürlichkeit“ umschreibt. „Die Zeit ist reif für einen Wandel.“ Als Beispiel nennt sie den Film „Mein kleines Kind.“ Im vergangenen Jahr zeigte das „Netzwerk Leben“ den Film an verschiedenen Orten der Diözese. In dem Streifen bringt die Filmemacherin selbst ein Kind zur Welt, zum Teil führt eine Freundin die Kamera. Die Mutter weiß, dass das Kind nicht lebensfähig sein wird und tatsächlich stirbt es drei Stunden nach der Geburt. Dennoch vermittelt der Film ein Gefühl von Trost, findet Teresa Loichen. „Er ist lebensbejahend.“ Der Film, der nicht nur in öffentlichen Kinos, sondern auch in Schulen gezeigt wird, erreichte 1600 Interessierte. „Wir haben Unwahrscheinliches erlebt. Es war eine richtige Welle“, erzählt Teresa Loichen. Sie beobachtete Frauen, die den Film nur vom Türrahmen aus verfolgen konnten. „Sie waren immer auf dem Sprung rauszugehen. Wie weit konnten sie den Film ertragen?“ In solchen Situationen kommen existenzielle Fragen hoch. „Wie lange kann ich schweigen über den Verlust? Wann kann sich die Trauer eine Bahn schlagen?“

Wie wichtig es ist, einen Ort zum Trauern zur Verfügung zu stellen, zeige auch die Resonanz auf den Gottesdienst, der weltweit an jedem zweiten Dezembersonntag, dem internationalen Tag für verstorbene Kinder, gefeiert wird. „Immer mehr Frauen suchen die Gottesdienste auf, weil sie einen Trauerraum brauchen“, beobachtet Teresa Loichen. Den Gedanken, dass das Kind bei Gott ist, empfinden die Frauen tröstlich, die häufig unter immensen Schuldgefühlen leiden und bei der zweiten Schwangerschaft sehr ängstlich sind.

Sich dem Thema stellen und lernen, die Gefühle zu verarbeiten, dazu sollen die Kindergrabstätten einen Beitrag leisten. Zugleich versucht das Netzwerk Leben, Selbsthilfegruppen zu begleiten oder Trauertherapien zu vermitteln. Für die Mitarbeiter in den Pfarreien erstellt der diözesane Arbeitskreis derzeit eine Mappe mit Hilfen für die Seelsorge. Den Gedanken an das tote Kind erträglich zu machen, ist dabei die Intention. „Man kann es nicht ungeschehen machen. Ziel ist es, dennoch Frieden zu finden und sich auszusöhnen.“

Kontaktadresse: Netzwerk Leben im Bistum Eichstätt, Luitpoldstraße 2, 85072 Eichstätt, Tel. (08421) 50-617, Fax (08421) 50-609, E-Mail: netzwerk-leben@bistum-eichstaett.de.

 

 

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