Zum Inhalt springen
18.02.2005

„Wallfahren liegt im Trend“ - Expertentagung in Wemding und Eichstätt - Probleme mit Esoterikgruppen

Eichstätt/Wemding. (pde) - „Wallfahren liegt im Trend - trotz anhaltendem Glaubensschwund in der Gesellschaft.“ Dieses Resümee zieht Reinhard Kürzinger, Domvikar und Leiter des Eichstätter Pilgerbüros, nach einer internationalen Tagung in Wemding und Eichstätt. Der Besucherstrom sei ungebrochen, bedeute zugleich aber auch eine große Herausforderung für die Seelsorge: Nicht immer seien es nur die „frommen Beter“, die es an die Wallfahrtsorte ziehe, sondern oft auch Menschen, die einfach nur neugierig seien. Drei Tage lang hatten sich rund 20 Wallfahrtsrektoren aus Deutschland, Österreich, Belgien, Schweiz und Südtirol mit Problemen, Trends und Zukunftsperspektiven des Wallfahrtswesens auseinander gesetzt.

Manche Wallfahrtsorte verzeichnen neben dem traditionellen Wallfahrtsbetrieb auch zunehmenden Tourismus. Oft habe sich im Umfeld der großen Wallfahrtsstätten ein vielfältiges Programm entwickelt mit Konzerten, Opern oder Ausstellungen. „Das muss gut abgestimmt werden“, fordern die Wallfahrtsrektoren. Zugleich hätten wegen der schwindenden Verweildauer von Wallfahrern am Ort die Hoteliers und Gastronomen Einbußen zu verzeichnen. Wallfahren sei immer mehr zu einer individuellen Sache geworden. „Man sieht im Internet nach, wann ein Gottesdienst mit dem Bischof stattfindet, schaut durch eine Webcam, ob das Wetter gut ist, dann fährt man los“, berichtete etwa der zuständige Wallfahrtsrektor aus Kevelaer. Die Betreuung der Wallfahrer vor Ort sei damit schwieriger geworden.

Doch der Trend zur Individualisierung des Wallfahrtswesens hat auch eine andere, positive Auswirkung: „Die Qualität der Beichte ist unheimlich gestiegen“, fasst Kürzinger die Erfahrung der Wallfahrtsrektoren zusammen. Wallfahrtskirchen seien schon immer Beichtkirchen gewesen. Doch dass die meisten Pilger ein ausführliches Beichtgespräch suchen, sei neu. „Es heißt nicht mehr: Beichtstuhl rein, Beichstuhl raus im Zwei-Minuten-Takt“, berichtet Kürzinger. „Die Menschen wollen über die Scherben ihres Lebens reden und quälende Schuldgefühle loswerden.“ Manche Wallfahrtsorte seien wegen des Priestermangels gar nicht mehr in der Lage, der Nachfrage gerecht zu werden. Deswegen werden zum Beispiel zur Zeit fünf indische Ordensleute in der Diözese Eichstätt ausgebildet. Sie sollen später den Konvent in Altötting bei der Betreuung der Wallfahrer unterstützen.

Dass die Wallfahrtsorte mit ganz besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, davon berichtet Wallfahrtsrektor Heinrich Weiß, verantwortlich für Maria Brünnlein in Wemding. Weiß hatte die Tagung gemeinsam mit Kürzinger organisiert. Zu seinem Leidwesen wird die schwäbische Barockkirche immer wieder von Esoterikgruppen besucht. „Die gehen in die Kirche rein, holen sich das Wasser, sonst nichts“, klagt Weiß. „Kein Gebet, keine Andacht, nichts.“ Kanisterweise werde das Wasser, das für Esoteriker als „Lichtwasser“ gilt, abtransportiert. Im vergangenen Jahr hatten die Esoteriker sogar ein Treffen beim Wallfahrtswirt organisiert. „Da wurde dann zum Beispiel darüber referiert, dass Lourdeswasser eine besonders reinigende Wirkung habe“, erzählt Weiß. „Es sei besonders geeignet zum Fensterputzen und Schminke-Abnehmen.“ In Esoterikzeitschriften werden Mischungen von „Lichtwässern“ aus Lourdes und Fatima angeboten, die für teures Geld verkauft werden. Andere Tagungsteilnehmer berichteten, dass manche Besucher mit Pendeln in den Kirchen stehen. Für die zuständigen Wallfahrtsrektoren ist klar: „Das rutscht schon stark ab in Richtung Aberglaube und Magie. Solche Dinge muss man eindämmen.“

Heiligtümer wie die großen Wallfahrtsstätten seien „Zeichen der heilbringenden Gegenwart Gottes“, wie das römische „Direktorium über die Volksfömmigkeit und die Liturgie“ formuliert. Reinhard Kürzinger stellte das Dokument bei der Konferenz als „das pastorale Handwerkszeug gerade für Wallfahrtsrektoren“ vor. Entsprechend diesen Vorgaben sollten die für die Heiligtümer Verantwortlichen darauf bedacht sein, dass die Liturgie, die dort gefeiert wird, beispielhaft sei. Gipfel aller seelsorglichen Tätigkeit sei die Feier der Eucharistie. Zudem seien gerade die großen Wallfahrtsorte besondere Stätten der Evangelisation, ebenso aber auch der gelebten Nächstenliebe. In dem Papier aus Rom wird auch betont, dass gerade große Heiligtümer zu Bezugspunkten geworden seien, um die kulturelle Identität eines Volkes zu definieren. Allerdings sollten die Verantwortlichen darüber wachen, dass die kulturelle Dimension gegenüber der gottesdienstlichen nicht die Überhand gewinnt.

Manche Orte greifen zu besonderen Mitteln, um Menschen anzusprechen. Das Kloster Einsiedeln in der Schweiz zum Beispiel bietet Wallfahrten an unter dem Motto „Mit der Kirche im Clinch“. Menschen, die der Kirche kritisch gegenüberstehen, diskutieren dann Themen wie „Kirche - arrogant oder Kirche - ignorant?“ Immerhin 80 bis 100 Menschen beteiligen sich pro Jahr an dieser Aktion. Allen Wallfahrtsorten ist gemeinsam, dass sie verstärkt auf Touristen zugehen wollen. „Hier bieten wir Kirchenführungen mit spirituellem Akzent an“, berichtet Kürzinger. Über die Schönheit der Kunstwerke könne man so manchen Menschen erreichen, der der Kirche an sich fern steht.

Dass Wallfahren längst nicht „out“ ist, beweisen die Zahlen, die bei der Tagung zur Sprache kamen: An einer Fußwallfahrt von Passau nach Altötting nahmen 6.000 Jugendliche teil. Bei einer ähnlichen Aktion von Regensburg nach Altötting machten 10.000 Menschen mit. Die Wallfahrtskirche Maria Brünnlein in Wemding zählt jährlich rund 200.000 Besucher. Weil der Andrang – besonders auch von osteuropäischen Christen - groß ist, wollen einige Wallfahrtsorte spezielle Pilgerherbergen einrichten, wo man günstig übernachten und die eigene Brotzeit verzehren kann. „Noch läuft es so ab: Die schlafen im Bus und machen sich im Bus ihre Würstl heiß“, berichten die Tagungsteilnehmer. Es käme dem christlichen Gebot der Gastfreundschaft entgegen, hier Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Für die gastgebende Diözese Eichstätt war die Tagung eine gelungene Werbung, fasst Kürzinger zusammen. Eichstätt und Wemding hätten eine starke Wirkung auf die Tagungsteilnehmer gehabt. „Sie waren ganz begeistert und kommen sicher wieder zurück.“

 

Weitere Meldungen

Die Stabsstelle Medien und Öffentlichkeitsarbeit veröffentlicht kontinuierlich aktuelle Nachrichten aus dem Bistum. Zur Übersicht.

Videos

Videos zu Themen aus dem Bistum Eichstätt. Zur Übersicht.

Audios

Audios zu Themen aus dem Bistum Eichstätt. Zur Übersicht.