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11.12.2002

Reise zu sich selbst im Lotussitz - Im Meditationshaus der Franziskaner in Dietfurt kommen stressgeplagte Menschen auf den Geschmack der Stille - jetzt wird das 25-jährige Jubiläum gefeiert

Dietfurt. (pde) - Aus ganz Europa reisen stressgeplagte Menschen nach Dietfurt im Altmühltal, um Ruhe zu finden. Im Zen-Meditationshaus der Franziskaner lernen die Kursteilnehmer Methoden, wie sie den Alltagsärger abschütteln können. Im Gegensatz zu anderen Klöstern mit vielen unterschiedlichen Kursangeboten steht in Dietfurt die Meditation im buddhistischen Za-Zen-Stil im Mittelpunkt des Kursangebotes. „Die Meditation ist ein Prozess des Loslassens. Es ist eine Reinigung von all dem Schutt und Stress, den wir in uns haben“, erläutert Pater Johannes Messerer (48), der Leiter des Meditationshauses. Am 27. Dezember feiert das Haus sein 25-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass wird Bischof Walter Mixa am 26. Dezember um 10 Uhr in dem Franziskanerkloster einen Festgottesdienst zelebrieren.

Ein Stück Japan im Altmühltal - diesen Eindruck haben die Kursteilnehmer oft, wenn sie zum ersten Mal das Kloster betreten. Sie laufen auf Socken über maisgelben Sisal in die Zen-Halle. Im lichterfüllten Atrium wurde ein Zen-Gärtchen mit Bonsai-Kiefer angelegt. Die Kursteilnehmer erhalten in dem Kloster seriöse Anleitung für eine abenteuerliche Reise: für eine Reise zu sich selbst. „Es ist ein Nichtstun“, so beschreibt Pater Johannes die Meditationsübungen. „Die Gedanken sind da, aber man hakt nicht ein. Im Gegenteil, man lässt sie los.“ Man sitzt im Lotussitz auf einem Hocker oder einem Kissen. Mit dem ruhigen, gelösten Sitzen sollen sich auch die Gedanken setzen.

Jährlich kommen rund 2000 Menschen zu 50 Kursen. Die Teilnehmer sind zwischen 25 und 80 Jahre alt. Es reisen Katholiken und Protestanten nach Dietfurt, aber auch Menschen aus anderen Religionen und solche, die mit der Kirche überhaupt nichts am Hut haben. Bei den Übungen geht es am Anfang um das aufrechte Sitzen und das Fließen des Atems. Körper, Atem und Geist werden neu geordnet. „Jeder Mensch hat sein mystisches Existenzpotential“, ist Pater Johannes überzeugt. „Wir bieten an, dieses Potential zur Entfaltung zu bringen.“

Sechs mal am Tag trifft man sich im Za-Zen-Einführungskurs jeweils 20 Minuten zur Meditation in der Halle. Dazwischen schreiten die Kursteilnehmer in Socken durch die hellen Wandelgänge. Dann geht jeder wieder auf seinen Platz in der Halle, richtet Kissen oder Bänkchen zurecht bis ein Gong ertönt - das Zeichen für die nächste Runde gemeinsamen Schweigens. Nichtstun kann anstrengend sein, oft werden die Füße taub vom langen Sitzen.

Eine Regel ist für viele Gäste gewöhnungsbedürftig: Während der gesamten Kurswoche herrscht durchgehend Schweigen. Nicht einmal beim Essen wird geredet. „Im Alltag ist Kommunikation sehr wichtig“, erläutert der Leiter des Meditationshauses. „Doch bei uns soll man nicht nach außen gehen, sondern nach innen. Man soll ganz bei sich sein. Erst dann erkennt man, dass Schweigen eine Hochform der Kommunikation ist.“ Freilich treffe das manchen Teilnehmer, der zum ersten Mal in Dietfurt ist, sehr hart. „Die Leute sind es nicht gewohnt. Der äußere und innere Lärm sitzt tief in uns.“ Das Schweigen könne Aggressionen wecken und sehr beklemmend sein. „Mancher sucht in solchen Situationen den Autoschlüssel und überlegt, ob er nicht schnell wegfährt. Aber wenn er mal durch ist, dann kommt er auf den Geschmack der Stille.“ Viele kehren nach dem Einführungskurs immer wieder nach Dietfurt zurück.

Der Ursprung des Hauses liegt in der Meditationsbewegung der 70er Jahre. Als Gegenbewegung zur 68er-Generation, die die Gesellschaft radikal verändert wollte, entstand eine spirituelle Suchbewegung. Die Elemente der Hippiebewegung gelten bis heute als der Ursprung der Meditationsbewegung, die Sehnsucht nach Ganzheit, nach kosmischer Kommunikation. Reisen nach Indien oder Japan waren „in“. Die bayerische Franziskanerprovinz wollte ein Gegengewicht setzen und stellte das 300 Jahre alte Kloster für einen Meditationsweg zur Verfügung, der aus dem Buddhismus kommt.

Die zen-buddhistische Methode wird in Dietfurt in den christlichen Glauben eingebunden. „Wir sind ein Teil der Kirche, die sich hier für jedermann öffnet.“ Eine abendliche Eucharistiefeier gehört zum Angebot des Klosters. Erstaunlich viele Kursteilnehmer gehen hin, beobachtete Johannes Messerer. „Viele versöhnen sich dort, wo der Mensch mit Socken oder bloßen Füßen zur Kommunion geht, mit ihrem Glauben.“ Für den 48-Jährigen ist es ganz wichtig, dass der Gast im Kloster nicht die Bodenhaftung verliert und in Ekstase gerät: „Die Meditationsübungen sollen nicht abgehoben sein, sondern ganz konkret im Alltag weiterhelfen. Ziel ist, dass ich das, was ich zu tun habe, mit voller Präsenz tun kann.“ Eine solide Anleitung ist wichtig, damit die Übungen im Alltag weitergeführt werden können. Zehn oder 20 Minuten am Tag seien ideal. „Der Mensch braucht Rhythmen der Ruhe, vor allem in Lebensübergängen - etwa in der Midlife-Crisis oder wenn Entscheidungen anstehen. Dann ist es ganz wichtig, die innere Stimme zu hören.“

 

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