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03.02.2018

Rauenzell, Pfarrkirche Mariä Heimsuchung

Rauenzell, Pfarrkirche Mariä Heimsuchung: Sanierte Glockenanlage. Bild: Thomas Winkelbauer

 

Die Pfarrkirche Mariä Heimsuchung kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, die mindestens bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Auch die Geschichte der Glockenanlage dieses Gotteshauses birgt manch spannende Überraschung.

In der "Matrikel des Bisthums Eichstätt nach dem Stande des Jahres 1875" werden für die Pfarrkirche Rauenzell drei Glocken aufgeführt: ein 1749 gegossenes Instrument des Gießers Arnold aus Dinkelsbühl, sowie zwei weitere Instrumente unbekannter Meister.

 

In den Meldebögen des Jahres 1941 sind dann vier Glocken beschrieben: eine angeblich 1404 gegossene Glocke eines unbekannten Meisters mit ungefähr 1.000 mm Schärfendurchmesser und 658 kg Gewicht, ein 1749 durch den Dinkelsbühler Gießer Arnold gefertigtes Exemplar mit ungefähr 750 mm Schärfendurchmesser und ca. 260 kg Gewicht, sowie zwei 1927 gegossene Instrumente des Regensburger Glockengießers Karl Hamm mit etwa 1.075 mm, bzw. 630 mm Schärfendurchmesser und jeweils unbekanntem Gewicht. Wie es in Bezug auf das Gussjahr der ältesten Glocke zu der Angabe "1404" kommt, konnte bis dato anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht nachvollzogen werden. Fest steht lediglich, dass auf dieser heute noch existierenden Glocke kein Gussjahr vermerkt ist.

Diese Angaben zu diesen Glocken lassen aber darauf schließen, dass während des ersten Weltkriegs in Rauenzell eine Glocke abgeliefert werden musste. Dieser Glockenverlust ist dann 1927 durch den Zuguss von zwei neuen Glocken ersetzt worden.

Während des 2. Weltkriegs sind auf Geheiß der damaligen Machthaber abermals drei der Rauenzeller Glocken vom Turm genommen worden. Die beiden Hamm-Glocken sind mit ziemlicher Sicherheit zerschlagen und eingeschmolzen worden. Ebenfalls abgeliefert war die Arnoldt-Glocke; diese fand aber nach dem Krieg weitgehend unbeschadet ihren Weg zurück nach Rauenzell.

Die Rückkehr dieser Glocke scheint aber erst einmal ungewiss gewesen zu sein, jedenfalls erwarb die Kirchenstiftung schon kurz nach Kriegsende neue Eisenhartgussglocken. Vielleicht wollte man es der Kirchenstiftung des nahen Herrieden gleichtun, welche die Glockenverluste des 2. Weltkriegs 1946 durch den Kauf von Eisenhartgussglocken auszugleichen suchte. Die neuen Instrumente versahen zusammen mit der noch vorhandenen Bronzeglocke bis in die sechziger Jahre hinein ihren Dienst. Klanglich waren sie allerdings nicht sonderlich befriedigend, und so wurden sie 1965 durch zwei neue Bronzeglocken des Heidelberger Glockengießers Friedrich Wilhelm Schilling ersetzt. Wieder aktiviert wurde zeitgleich die zurückgekehrte Arnoldt-Glocke. Auf Wunsch des zuständigen Glockensachverständigen Johannes Schlick sind von Schilling leider beide historischen Glocken massiv im Ton korrigiert wurden, so dass deren ursprüngliches Tonbild für immer zerstört ist.

Rauenzell, Plenum

Mechanische Turmuhr


Zu den Besonderheiten der Rauenzeller Glocken- und Turmuhrenanlage gehört eine mechanische Turmuhr, die nach wie vor täglich von Hand aufgezogen wird. Es handelt sich um ein 1906 industriell gefertigtes Uhrwerk der Nürnberger Turmuhrenfirma Lorenz Förster (Seriennummer 563).

Der Erhalt und Betrieb eines mechanischen Kirchturm-Uhrwerks in seiner ursprünglichen Form kann in seiner technik- und kulturgeschichtlichen Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: In der Diözese Eichstätt haben sich nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis lediglich zwei derartige Exemplare erhalten: Neben der Rauenzeller Turmuhr konnte vor wenigen Jahren das Uhrwerk der Filialkirche Wolkertshofen vor der Stilllegung bewahrt werden.

Rauenzell, mechanische Turmuhr und Uhrschlag

Sanierung der Glockenanlage


Im Juni 2006 inspiziert Thomas Winkelbauer, der Glockensachverständige der Diözese Eichstätt, auf Bitten der Verantwortlichen vor Ort die Rauenzeller Glockenanlage. Er attestiert der Anlage gravierende technische Mängel und rät der Kirchenverwaltung mit Nachdruck zu einer grundlegenden Sanierung.
Winkelbauer bemängelt unter anderem massiven Blattrost an wichtigen Knotenpunkten des Glockenstuhls, bei denen eindeutige Hinweise auf ein Versagen in absehbarer Zeit hinweisen. Kritisch beurteilt er auch die Unterkonstruktion des Glockenstuhls: Hier wurde über die Jahrzehnte zwar des Öfteren nachgebessert, die grundlegende Problematik dieser Konstruktion aber nicht erkannt, bzw. nicht angegangen. Darüber hinaus kommt es zu einem augenscheinlich übermäßig hohen Verschleiß der Glocken selbst durch ungünstig proportionierte Klöppel in Verbindung mit sehr hohen Läutewinkeln. Die Kirchenverwaltung beschließt daraufhin die Glockenanlage von Grund auf zu sanieren.

Nach einer längeren Phase der intensiven Vorplanung kommt es 2016/2017 zum Abschluß der Sanierungsarbeiten: Fa. Buckl aus Herrieden fertigt einen neuen Glockenstuhl aus langjährig abgelagertem, bestem Eichenholz. Die Planung für diesen Glockenstuhl hatte das Würzburger Ingenieurbüro Mittnacht übernommen. Die neue Konstruktion kommt mit äußerst wenigen nachspannbaren Stahlverbindungen aus, die überwiegende Anzahl der Knotenpunkte ist vielmehr mit ausreichend dimensionierten Holznägeln ausgestattet. Dieser auf größtmögliche Nachhaltigkeit ausgelegte Konstruktionsansatz reduziert die künftige Wartung an diesem Glockenstuhl auf im Wesentlichen das gelegentliche Nachziehen von wenigen Schraubmuttern.
Die Firma Hörz stattet die Glocken mit neuen Holzjochen und Klöppeln aus, die im Wesentlichen nach Entwürfen des Glockensachverständigen Winkelbauer gefertigt werden. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Sanierung läuten die Glocken auf einem vertretbaren Belastungsniveau, so dass ihr Bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit über Generationen hinaus gesichert ist.

Einen großen Anteil am Gelingen dieser überaus gelungenen Sanierung hat der Rauenzeller Georg Stocker: unter seiner Federführung übernehmen ehrenamtliche Helfer der Pfarrei einen großen Teil der Demontage- und Montagearbeiten. Auf diese Weise können die Kosten auf ein für die Kirchenstiftung verkraftbares Maß gesenkt werden.

Christusglocke

Die Christusglocke bildet das Fundament dieses Glockenensembles.
Sie wurde zusammen mit ihrer kleineren Schwestern im Jahr 1965 beschafft.
Die Rauenzeller Glocken bilden mit ihren Tönen g'-b'-c''-d'' ein ausgefülltes Moll-Motiv, das auch Ite-missa-est-, bzw. Präfations-Motiv genannt wird.

Schlagton: g'
Material: Bronze

Gießer:Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg
Gussjahr: 1965

Durchmesser: 1.135 mm
Gewicht: 1.004 kg

Inschrift:
auf der Vorderseite der Schulter:
O REX GLORIE / CHRISTE / SALVATOR MVNDI / VENI CVM PACE
auf der Rückseite über dem Wolm:
19 (Gießersignet) 65

Glockenzier: Harry MacLean, Heidelberg

Rauenzell, Christusglocke

Kessler-Glocke

Dieses Instrument ist mit Abstand die älteste und wertvollste Glocke dieses Ensembles. In der Diözese Eichstätt zählt sie zu den 50 ältesten erhalten Glocken.

Schlagton: b'
Material: Bronze

Gießer: unbezeichnet, evtl. Hermann Kessler (II), Nürnberg
Gussjahr: zweite Hälfte des 14. Jahrhundert

Durchmesser: 1.005 mm
Gewicht: 650 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
(liegendes Glöckchen) (mit Kügelchen besetztes Rautenkreuz)
O (Glöckchen) REX (sechsblättrige Rosette) GLORIE (Glöckchen) VENI (sechsblättrige Rosette) CVM (Glöckchen) PACE (sechsblättrige Rosette) AVE (Glöckchen) MARIA (sechsblättrige Rosette) GRACIA (Glöckchen) PLENA (sechsblättrige Rosette) DOMINVS (Glöckchen) TECVM (sechsblättrige Rosette) BENEDICTA (Glöckchen) TV (sechsblättrige Rosette) INMVLIERIBVS (Glöckchen) ET (schräg nach unten in die zweite Zeile geführt) (sechsblättrige Rosette) BENEDICTVS (Glöckchen) FRVCTVS (sechsblättrige Rosette) WENTRIS (Glöckchen) TVI (sechsblättrige Rosette) AMEN (Glöckchen) LVCAS (sechsblättrige Rosette) MARCVS (Glöckchen) MATEVS (sechsblättrige Rosette) IOHANNES (Glöckchen) KASPAR (sechsblättrige Rosette) BALTISAR (Glöckchen) MELHIO

Rauenzell, Kessler-Glocke

Dreifaltigkeitsglocke

Die Dreifaltigkeitsglocke wurde, obwohl sie zwei Weltkriege unbeschadet überstanden hatte, 1965 im Zuge des Neukaufs im Ton durch Ausschleifen auf der Glockeninnenseite im Ton korrigiert. Damit hat sie ihr originales Klangbild unwiederbringlich verloren.

Schlagton: c''
Material: Bronze

Gießer: Nicolaus Arnoldt (II), Dinkelsbühl
Gussjahr:
1749

Durchmesser: 760 mm
Gewicht: 246 kg

Inschrift:
auf der Schulter:
(Zeigehand)
BENEDICAMVS PATREM ET FILIVM CVM SANCTO SPIRITV LAVDEMVS EVM IN SAECVLA 1749
auf der Schulter im Gießerwappen:
NICOLAVS (Rosette) ARNOLDT

Rauenzell, Arnold-Glocke

Schutzengelglocke

Die Schutzengel bildet seit 1965 die Klangkrone des Rauenzeller Glockenensembles.

Schlagton: d''
Material: Bronze

Gießer:Friedrich Wilhelm Schilling, Heidelberg
Gussjahr: 1965

Durchmesser: 745 mm
Gewicht: 287 kg

Inschrift:
auf der Vorderseite der Schulter:
SANCTI ANGELI / CVSTODES NOSTRI / DEFENDITE
auf der Rückseite über dem Wolm:
19 (Gießersignet) 65

Glockenzier: Harry MacLean, Heidelberg

Rauenzell, Schutzengelglocke

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