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18.03.2025

Pazifismus in Kriegszeiten: Ein Standpunkt gegen die Eskalation

Irmgard Scheitler von Pax Christi. Foto: Bernhard Löhlein

Eichstätt - Seit über drei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine – eine Situation, die weltweit Sorgen und Debatten auslöst. Die Deutsche Bischofskonferenz steht hinter der Entscheidung der Bundesregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern. Auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hatte sich dafür ausgesprochen, dass ein kirchlicher Pazifismus nicht den Aggressoren in die Hände spielen darf. Dagegen hält Irmgard Scheitler, Vertreterin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi im Bistum Eichstätt, an ihrer pazifistischen Haltung fest und fordert eine klare Positionierung der Kirche. Im Interview spricht sie über die Risiken der Aufrüstung, die Notwendigkeit gewaltfreien Widerstands und ihre Kritik an der aktuellen Kriegspolitik.

Frau Scheitler: Vor rund zweieinhalb Jahren haben wir über den Krieg in der Ukraine gesprochen. Damals hatten Sie noch die Hoffnung, dass man bald wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Zudem kritisierten sie, dass Russland nach der Wende nicht in die westliche Staatengemeinschaft eingebunden wurde. Wie sehen Sie den Krieg heute? Hat sich Ihre Haltung geändert?

Irmgard Scheitler: Meine Haltung hat sich nicht geändert. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es besser gewesen wäre, nach dem Abbruch der Istanbuler Verhandlungsrunde nicht aufzugeben. Doch ich bezweifle, dass auf beiden Seiten ein ernsthafter Wille dazu bestand. Wir befinden uns nun in einer fatalen Lage, wie wir sie seit langer Zeit nicht mehr erlebt haben. Besonders besorgniserregend finde ich, dass deutsche Wirtschaftsbosse und Politiker offen sagen, die Rüstungsindustrie könne unsere Wirtschaft wieder ankurbeln. Das empfinde ich als beschämend.

Viele Menschen haben Angst vor einem Krieg. Sie begrüßen es, wenn Waffen als Abschreckung dienen, um den Frieden zu sichern.

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem ganz selbstverständlich über einen atomaren Schutzschirm für Europa diskutiert wird. Dieser Begriff regt mich auf: „Schutzschirm“. Das erinnert mich an das Lied „Maria breit’ den Mantel aus; mach Schirm und Schild für uns daraus.“ Doch in Wirklichkeit ist dieser Schutzschirm eine extreme Bedrohung. Die Eskalation, die wir riskieren, könnte große Teile der Welt zerstören.

Sie vertreten die katholische Friedensbewegung Pax Christi im Bistum Eichstätt. Derzeit scheint die Zustimmung zu pazifistischen Ideen in der Bevölkerung abzunehmen.

Klingt es wirklich nach einer Erleichterung, wenn wir sagen: „Wir rüsten auf“? Ja, wir fühlen uns angesichts der Kriegsbilder, die uns erreichen, hilflos. Aber Hilfe kann nicht bedeuten, andere zu befähigen, Menschen zu töten. Als Christin gibt es für mich keine Rechtfertigung, ein Menschenleben für irgendein Ziel zu opfern. Das ist in der Lehre Christi eindeutig begründet. Die Kirche muss hier klar Stellung beziehen. Es gibt wieder Stimmen in der katholischen Kirche, die vom „gerechten Krieg“ sprechen. Doch es geht nicht um einen „gerechten Krieg“, sondern um einen gerechten Frieden.

Aber hat die Ukraine nicht das Recht, sich zu verteidigen, wenn sie von
einem Aggressor überfallen wird?

Natürlich verstehe ich die Verzweiflung der Menschen, die überrannt werden. Und es ist leicht für uns, die wir im Warmen sitzen, zu sagen: „Lasst das mal!“ Jede Nation muss das für sich selbst entscheiden. Doch dass wir diesen Krieg befeuern – und das dann auch noch „Hilfe“ nennen –, ist eine andere Sache. Wir hätten die Situation von Anfang an klarer sehen müssen und gewaltfreie Verteidigungsstrategien fördern können. Es gibt Beispiele für erfolgreichen, gewaltfreien Widerstand gegen Aggressoren.

Gewaltlose Verteidigung erfordert allerdings Mut und Opferbereitschaft …

Wenn man einem Aggressor mit Gewalt begegnet, bestätigt man genau das, was er versteht – und die Gewalt eskaliert. So war es auch in Syrien: Anfangs gab es friedliche Proteste, doch durch Provokationen wurde der Widerstand zunehmend gewalttätig. Das Assad-Regime hatte dann die perfekte Rechtfertigung für brutale Gegenmaßnahmen. In Kriegen ist es oft so, dass es irgendwann keine Rolle mehr spielt, wer angefangen hat. Gewalt erzeugt Gegengewalt und man befindet sich in einer Eskalationsspirale - genau das sollten wir aus der Geschichte lernen.

Die Fragen stellte Bernhard Löhlein

 

Die multimediale Ausstellung „Gesichter des Friedens“ im Stadttheater Ingolstadt (8.–30. März 2025) zeigt Menschen, die den Frieden zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben. Ihre Geschichten verdeutlichen, dass Frieden nicht nur politische Entscheidungen erfordert, sondern auch individuelle Versöhnung, Gerechtigkeit und soziales Engagement. Organisiert von mehreren Friedensinitiativen (unter anderem Pax Christi), lädt die Ausstellung dazu ein, sich mit den persönlichen Wegen dieser Menschen auseinanderzusetzen und sie als Vorbilder für eine gewaltfreie Zukunft zu betrachten.

Geöffnet: Mo-Fr 10-13 Uhr (Kassenöffnungszeit) und Mo-So zu den (Abend-) Veranstaltungen.

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