Eichstätt/Belém – Kampf gegen sexualisierte Gewalt und mutiges Engagement gegen Großprojekte: Tief beeindruckt und emotional berührt zeigten sich die elf Teilnehmenden der Dialogreise nach Brasilien, zu der das deutsche Hilfswerk Caritas international Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Caritas eingeladen hatte. Darunter waren Direktoren, Vorstände, Geschäftsführer und ein Universitätsprofessor. Als Vertreterin des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt und Pressereferentin der Reise nahm Dr. Andrea Schödl aus Eichstätt teil.
Geografisches Ziel der Studienfahrt war die Region Ost-Amazonien im Norden Brasiliens mit der Stadt Belém als Ausgangspunkt. Im Zentrum des Bildungsprogramms standen zwei Projekte, die gemeinsam von Caritas international und der Regionalstelle Norden 2 der Caritas Brasilien umgesetzt werden: „Iça“ und das Globalprogramm. Beide werden mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert.
Voneinander lernen
„Wir nennen diese Fahrten von deutschen Caritas-Verantwortlichen in unsere Partnerländer Dialogreisen, weil sie das Gespräch und den gegenseitigen Austausch fördern sollen“, erklärt Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas international. „Beide Seiten können voneinander lernen“. In diesem Sinne hatten Referatsleiter Claudio Moser und Länderreferent Manuel Brettschneider gemeinsam mit ihren brasilianischen Kolleginnen ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Programm erarbeitet. Dieses führte die Teilnehmenden mit Kleinbooten und Bussen zu traditionellen Lebensgemeinschaften und Projektgruppen nach Abaetetuba und Abacatal. Trotz der Sprachbarriere kam es zu intensiven Momenten der Begegnung zwischen den Menschen aus Deutschland und Brasilien. Die beiden Lateinamerika-Spezialisten, Moser und Brettschneider, fungierten dabei als fachkundige Referenten und verständige Dolmetscher.
Gegen sexualisierte Gewalt
In der Projektgemeinschaft „Tucumanduba“ in Abaetetuba erwartete die deutschen Teilnehmer eine engagierte Gruppe von Kindern und Jugendlichen, koordiniert durch Verantwortliche aus der Pfarrei. Mit Gebet, Gesang und starken Argumenten vermittelten sie, warum sie sich für das Projekt „Iça“ zur Bekämpfung von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Handel von Kindern und Jugendlichen stark machen. „Viele Kinder kennen ihre Rechte nicht“, erzählt Jessica, die heute 21 Jahre alt ist und seit rund sechs Jahren im Projekt mitarbeitet. Kinder wissen nicht, was sexualisierte Gewalt ist und wie sie sich dagegen wehren können. „Erst das Projekt hat das Bewusstsein dafür geschaffen.“ Deshalb werden inzwischen immer mehr Fälle zur Anzeige gebracht. Ein Mädchen erzählt, wie sie und ihre Freundinnen die Übergriffe eines Bootsführers dokumentiert haben, um ihn anzeigen zu können. Besonders wirksam sei die Arbeit in den Schulen, sagt Jessica. „Wir reden in der Sprache der Kinder und können so ihr Vertrauen gewinnen.“ Die jugendlichen Freiwilligen gehen in den Unterricht, arbeiten mit Videos und lehren Lieder und Tänze. Die Texte sollen den Kindern Mut geben, aber auch die nötigen Informationen, wohin sie sich wenden können, wenn sie betroffen sind. Auch während der Pandemie, als Hunger, Armut und Isolation die Situation der Kinder auf den 72 Inseln, die Teil von Abaetetuba sind, verschärft haben, gaben die Freiwilligen ihr Engagement nicht auf. „Besetzung der Flüsse“ nannten sie die Aktion, bei der sie gleichzeitig mit vielen Kleinbooten und Lautsprechern die isolierten Familien zur Problematik sensibilisierten. Das Projekt „Iça“ begann im Jahr 2015 auf Pfarreiebene in Abaetetuba und besteht heute aus 300 Ehrenamtlichen. Viele davon sind unter 20 Jahre alt. Neben Abaetetuba wird das Projekt in weiteren 24 Gemeinden, die auf die Bundesstaaten Amazonas, Amapá, Bahia, Pará, Sergipe verteilt sind, umgesetzt.