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21.07.2003

„Mehr über die Würde und den Wert des Menschen sprechen!“ - Wenn behinderte Frauen „Kinder kriegen“

Eichstätt/Ingolstadt. (pde) – Menschen mit Behinderung sollen grundsätzlich nicht immer anders gesehen werden als solche ohne Handicaps. Dies forderten mehrere behinderte Menschen bei einer Podiumsdiskussion am Wochenende in Ingolstadt. Zu der Veranstaltung unter dem Titel „Leben, Lieben, Kinder kriegen“ hatte das Referat „Netzwerk Leben“ der Diözese Eichstätt gemeinsam mit dem Hollerhaus Ingolstadt des Vereins für

Körper- und Mehrfachbehinderte eingeladen.

Bischof Walter Mixa forderte dazu auf, grundsätzlich mehr über Würde und Wert des Menschen zu sprechen. „Nach der Vorstellung der heutigen Gesellschaft vom perfekten, vom ganz gesunden, vom schönen, vom aktiven, vom erfolgreichen Menschen her, müssen sich Menschen mit Behinderung vollkommen auf der Seite des Schattens, ungewollt und vollkommen unnütz fühlen.“

Dr. Bernhard Sutor, bis vor kurzem Professor für Politische Bildung und Christliche Soziallehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie Mitglied des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, wandte sich gegen die Illusion, die moderne Medizin könne gesunde Kinder garantieren. Er forderte eine Änderung des geltenden Abtreibungsrechts, das auch Spätabtreibungen aufgrund diagnostizierter Behinderung ermögliche, sowie auch des Arzthaftungsrechtes: Nach diesem, so Sutor, muss der Arzt über alles Auskunft geben, auf die Schwere der Behinderung sowie auf die Möglichkeit einer Abtreibung hinweisen. Er müsse dies sogar dokumentieren. Wenn er dieser Arztpflicht nicht nachkommt, könne er haftpflichtig gemacht werden. Dies sei eine fatale Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. „Und erschwerend kommt hinzu, dass der Arzt die Beweislast hat, dass er über alles informiert hat.“ Dies, so Sutor, begünstige die Neigung, „auf Nummer sicher zu gehen, das Risiko also drastisch zu schildern“. Das in diesem Zusammenhang aufgekommene Schlagwort „Kind als Schaden“ steht laut dem früheren Professor in eklatantem Widerspruch zum Leitsatz im Urteil des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichtes von 1993, der besage: „Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt von Verfassungs wegen nicht in Betracht“.

Die Antwort auf die provozierende Leitfrage der Veranstalter, ob sich Schwangerschaft und Behinderung gegenseitig ausschließen, hatte sich bereits vor der Debatte mit der Einladung früherer wie derzeitiger schwangerer behinderter Frauen von selbst beantwortet. Die gehbehinderte Elke Siegmann aus Ingolstadt, Mutter eines sechsjährigen Sohnes, berichtete, dass „sich viele Leute mit mir gefreut und auch keine dummen Fragen gestellt hatten und insofern meine Schwangerschaft und Geburt eine schöne Zeit war“.

Dass es sich gleichwohl um eine besondere Problematik handeln kann, wenn eine behinderte Frau ein Kind oder eine nicht behinderte Frau ein behindertes Kind erwartet, erläuterte Anita Hämmerl, Schwangerschaftsberaterin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Ingolstadt. Sie mache bei ihrer Beratung die Erfahrung, dass in beiden Fällen Lebenskrisen ausgelöst und Partnerschaften auseinander brechen können. Bewältigungsstrategien aus dem bisherigen Leben reichten oft nicht aus, um die Situation zu bestehen. „Das Gefühl ‚guter Hoffnung’ zu sein, steht dann der Angst absoluter Überforderung, übermächtigen Sorgen, Ratlosigkeit und totalen Ohnmachtsgefühlen gegenüber.“ Ihre katholische Beratungsstelle sehe deshalb ihre Aufgabe darin, der Frau und dem Paar „einen geschützten Raum zu schaffen, in dem sich die Betroffenen diesen widerstreitenden Gefühlen stellen können“. Auch Hämmerl sprach aus eigener Erfahrung: „Ich habe ein geistig behindertes Kind und weiß deshalb um den schmerzlichen Prozess, ein solches Kind anzunehmen. Ähnlich wie in der Trauerarbeit ist dies ein langer Prozess.“

 

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