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17.01.2009

Kinderarmut: Zerreißprobe für Familien und Gefahr für die Gesellschaft - Neujahrsempfang des Eichstätter Diözesanrates

Ökumenischer Gottesdienst

Ökumenischer Auftakt: Vor dem Neujahrsempfang feierte Bischof Gregor Maria Hanke gemeinsam mit Regionalbischof Stefan Ark Nitsche (links) als Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern und Peter-Johannes Athmann (rechts) für den Bund der evangelisch-freikirchlichen Gemeinden im Dom einen ökumenischen Gottesdienst (Foto: Michael Heberling, Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt)

Eichstätt, 17.01.09. (pde) – Wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut und gegen die Benachteiligung von Familien mit Kindern hat der Eichstätter Diözesanratsvorsitzende Christian Gärtner gefordert. „Wir brauchen in Politik und Wirtschaft, in unserer ganzen Gesellschaft eine Verschiebung von Priori­täten hin zu einer stärkeren Förderung von Familien.“ Es gebe großen Nachholbedarf, Familien aus einer durch Kinder bedingten Armut herauszu­holen, sagte Gärtner beim Neujahrsempfang des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Eichstätt. „Als Gesellschaft sind wir gefordert, die nöti­gen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Kinder nicht in prekären Verhältnissen aufwachsen müssen“.

Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland müsse man alles unternehmen, damit sich wieder mehr junge Menschen für ein Leben mit Kindern entscheiden. Dazu gehörten konsequentere Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und eine stärkere Rückbindung der Arbeitszeitregelungen an die Lebensbedürfnisse der Beschäftigten und ihrer Familien. Wolle man Kinderarmut wirksam bekämpfen, komme man um eine Aufstockung des Kindergeldes nicht herum, die wesentlich deut­licher ausfallen müsse als die bisher beschlossenen Maßnahmen. Gerade für Eltern mit geringem Einkommen sei das Kindergeld das wirksamste Instrument zur Vermeidung von Kinder­armut. Gärtner sprach sich dafür aus, langfristig das Kindergeld zu einem richtigen „Erziehungsgehalt“ auszubauen.

Kinderarmut äußere sich in einem reichen Land wie Deutschland weniger spektakulär als in den Ländern der sogenannten Dritten Welt. Sie wirke eher subtil, aber deswegen nicht weniger dramatisch, sagte der Diözesanratsvorsitzende. Denn Konsumchancen und teure Frei­zeitaktivitäten bestimmten oft über die Möglichkeiten, die ein Kind im Freundeskreis oder in der Clique hat. „Wer da nicht mithalten kann, wird gar nicht erst ernst genom­men und ausgegrenzt“. Betroffen seien vor allem Alleiner­ziehende und damit überwiegend Frauen sowie kinderreiche Familien, deren Haus­haltseinkommen zu gering ist, um den Unterhalt von Kindern zu bestreiten. Dies führe zu sozialer Unterversorgung und entsprechender Ausgrenzung. „Für die betroffenen Familien er­wachsen dar­aus nicht nur wirtschaftliche und soziale, sondern auch psychi­sche Belastungen, ja sie geraten häufig in eine schwere Zerreißprobe“.

Kinderarmut sei die eine Seite der Entwicklung, während auf der anderen Seite eine Minderheit immer mehr Reichtum anhäufe. „Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter“. Von dieser sich gegenwärtig vertiefenden Kluft gehen – so warnte Gärtner - akute Gefahren für den inneren Frieden, die Humanität und die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft aus.

Bankenkrise zeigt: Keine Freiheit ohne Bindung
Die gegenwärtige Finanzkrise biete die Chance, dass die in den letzten Jahrzehnten in Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend bestimmend gewordene Vorstel­lung, die gesamte globale Gesellschaftsordnung müsse nach den Gesetzen und der Logik einer rein gewinn- und renditeorientierten, freien Marktwirtschaft funktionieren, wieder in ihre Schranken ge­wiesen wird. Er habe die Hoffnung – so Gärtner -, „dass die gegenwärtige Krise tatsächlich viele Menschen, und vor allem auch viele Verant­wortungsträger in Politik und Wirtschaft auf der Welt wachgerüttelt und gezeigt hat, dass es mit einer wirtschaftlichen Globalisierung in der Form, wie wir sie in den letzten Jahren viel zu oft erlebt haben, so nicht mehr weitergehen kann“. Durch den Zusammenbruch des Bank- und Finanzsystems sei deutlich geworden, dass freie Marktwirtschaft für sich allein nicht funktioniere, und „dass man mit Privatisierung allein nicht alle Probleme in der Welt lösen kann“.

Die Bankenkrise sei eine Lektion nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern vor allem eine Lektion über den Gebrauch der menschlichen Freiheit, sagte Bischof Gregor Maria Hanke in seinem Grußwort bei dem Neujahrsempfang im Spiegelsaal der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz. Der Mensch dürfe nicht alles tun, was er glaubt, tun zu können und was er tun möchte. „Der Mensch in seiner Freiheit braucht den Leitstrahl des Guten für sein Handeln, denn Freiheit bedeutet nicht Beliebigkeit, nicht Handeln nach momentaner Lust und Laune“. Die jüngsten Ereignisse an den Finanzmärkten hinterfragen – so der Bischof von Eichstätt - ein Freiheitsverständnis, das von der Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeht, aber nicht mehr über Bindung und Vernetzung des Menschen reflektiert. Wahre Freiheit gebe es nur dort, wo Bereitschaft zur Bindung an ein göttliches Gesetz gegeben ist. Die heute gepriesene Freiheit im Sinne der Selbstverwirklichung, als „tun und lassen, was man will“ führe in den Crash, wie die jüngsten Ereignisse an den Finanzmärkten zeigten. Aufgabe der Christen sei es, „für eine Gesellschaft, die – wie es scheint – über das Materielle hinaus nicht viele Quellen der Hoffnung hat“, etwas von der heilenden Kraft christlicher Freiheit weiterzugeben.

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