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03.09.2024

Eichstätt Hall und St. Walburga Witwenheim in Indien – Zeichen einer gelungenen Bistumspartnerschaft

Archivfoto: Merwyn Mascarenhas

Vor der „Eichstätt-Hall“: Eine Eichstätter Delegation mit ihren indischen Gästen bei einem Besuch in Pune im Jahr 2018. Archivfoto: Merwyn Mascarenhas

Archivfoto: Norbert Staudt/pde

Bischof Thomas Dabre (rechts) mit Bischof Gregor Maria Hanke bei einem Besuch im Eichstätter Bischofshaus. Archivfoto: Norbert Staudt/pde

Eichstätt/Pune – Wie kommt es dazu, dass neben dem St. Patricks-Dom in Poona – heute wird die Millionenstadt Pune genannt, das Bistum heißt aber noch immer Poona – auf dem indischen Subkontinent eine Eventhalle „Eichstätt Hall“ heißt und nur wenige Kilometer davon entfernt ein Altenheim nach der Eichstätter Diözesanheiligen Walburga benannt ist? Dazu muss man fast 70 Jahre zurück blicken.

Der 6. November 1955 ist weltkirchlich und kirchengeschichtlich ein beachtenswertes Datum, denn erstmals schloss eine Diözese aus dem Gebiet der Freisinger Bischofskonferenz, nämlich Eichstätt, eine Vereinbarung zu solidarischem Handeln und gegenseitigem Gebet mit der Diözese Poona in Indien. Das reiche Erzbistum Köln hatte 1954 mit dem Erzbistum Tokio eine ähnliche Beziehung als allererste in Deutschland aufgenommen. Bis heute haben noch nicht alle Bistümer diese Art der weltkirchlichen Verantwortungsübernahme umgesetzt.

Väter dieser Gebets- und Solidargemeinschaft sind die Bischöfe Andrew D´Souza aus Poona und der Eichstätter Oberhirte und spätere Kardinal Josef Schröffer, der schon als junger Bischof entschlossen auch überdiözesane und soziale Herausforderungen anpackte (vgl Ludwig Brandl; Die Weltkirche im Blick, 2003). Die Initiative dazu geht auf den aus Schwabach stammenden Pius Geisel zurück. Er war ein Schulkamerad von Schröffer im Eichstätter Knabenseminar gewesen und später als Missionar des Jesuitenordens nach Poona geschickt worden. Dort waren die ersten Bischöfe ab 1887 allesamt deutsche Jesuiten. Nun aber leitete mit Andrew D´Souza erstmals ein Einheimischer das Bistum und er machte den Jesuiten Geisel zu seinem Generalvikar. Zum Ad Limina-Besuch in Rom im Herbst 1955 begleitete Geisel seinen Bischof und von Rom war es nur ein Katzensprung nach Eichstätt zum alten Klassenkameraden.

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde in Eichstätt viel Geld für Poona gesammelt, vor allem die Sternsinger leisteten einen substantiellen Beitrag – und das schon Jahre bevor die Aktion überhaupt bundesweit aufgestellt war.

Gebetsgemeinschaft

Aber auch indische Seminaristen kamen nach Deutschland zum Studieren, darunter der spätere Bischof Valerian D´Souza, der von 1977 bis 2009 die Diözese Poona leitete und zur Personifizierung der Partnerschaft wurde. Vermutlich hat er, der „singing Bishop“, im Bistum Eichstätt mehr Firmungen gespendet als jeder andere Bischof in den letzten Dekaden. Dieses seelsorgerliche Wirken ist wesentlicher Teil der Gebetsgemeinschaft, sie stellt das christliche Fundament der Partnerschaft zwischen den Bistümern dar. Die Gebetsgemeinschaft ist auch lebendig dank des Wirkens zweier Priester aus Poona in der Seelsorge des Bistums Eichstätt. Joseph Dantas und Vivek Ramesh Salvi setzten den pastoralen Dienst fort, den 1998 Benjamin Pereira, Sebastian D´Mello und später Fernando da Costa – gemäß einer Verabredung zwischen den Bischöfen Walter Mixa und Valerian D´Souza bei einer Poona-Reise im Jahr davor – begonnen hatten.
 

Lerngemeinschaft und Dialogprogramm

Als Kommunikations- und Lerngemeinschaft, der zweiten Ebene der Beziehung, bietet die Partnerschaft die Chance, die jeweiligen Erfahrungen wechselseitig zur Verfügung zu stellen und voneinander zu lernen. Das Referat Weltkirche des Bistums Eichstätt übernahm 1994 die zentrale Zuständigkeit für alle weltkirchlichen Betätigungsfelder, vor allem auch die Bistumspartnerschaften. Zusammen mit dem Sachausschuss Mission-Entwicklung-Frieden des Diözesanrats und den Partnern in Indien wurde ein Dialogprogramm initiiert, das bis heute beständig fortgeschrieben wird.

Mit Leben gefüllt wird dieses Programm mit verschiedenen Veranstaltungen, gegenseitigen Besuchen und freiwilligem Engagement. So fanden zum Beispiel drei gemeinsamen wissenschaftlichen Tagungen statt: 1999 und 2013 in Eichstätt sowie 2002 in Poona. Im Jahr 2004 reiste eine Jugenddelegation des BDKJ nach Poona, 2005 kamen junge Menschen aus Poona zum Gegenbesuch nach Eichstätt, auf dem Weg zum Weltjugendtag in Köln. Eine zwölfköpfige Priestergruppe aus Poona war 2012 zu Gast in Eichstätt. 2013 folgte eine Studienreise des Sachausschusses Mission-Entwicklung-Frieden in das indische Partnerbistum. Bei einer 2018 durchgeführten Studienreise ließen sich pastorale Verantwortungsträger des Bistums Eichstätt von ihren indischen Kollegen zeigen, wie sich „kleine christliche Gemeinschaften“ und eine „Pastoral der Begegnung“ verwirklichen lassen. Freiwillige aller Altersgruppen aus dem Bistum Eichstätt wirken immer wieder in unterschiedlichen sozialen und karitativen Einrichtungen mit, um ihre Kompetenzen, zum Beispiel als Arzt, Heilpraktikerin oder Managerin einer Bildungseinrichtung einzubringen. Mehrere Studentinnen der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) haben in praktischen Studiensemestern Erfahrungen gesammelt und diese reflektiert beziehungsweise eigene Forschungen betrieben. Dieser Austausch besteht seit den 1980er-Jahren. Bedingt durch die Corona-Pandemie können erst seit 2022 „weltwärts“-Freiwillige jeweils für ein Jahr zum Einsatz kommen.

Im Frühjahr 2024 besuchte Sister Lucy von der Organisation „Maher“ Eichstätt und hielt unter anderem einen Vortrag an der KU über das Management internationaler Sozialer Arbeit.

All diese Aktivitäten tragen dazu bei, das Bewusstsein für die Partnerschaft in beiden Bistümern auch über die Ebene der Bistumsleitung hinaus auszuprägen. So wurde der 1995 von Bischof Valerian geprägte Slogan „von der Patenschaft zur Partnerschaft“ in die Realität umgesetzt.

Solidargemeinschaft

Drittes Standbein einer weltkirchlichen Partnerschaft ist die Solidargemeinschaft. In der Verbindung mit Poona kommt das Bistum Eichstätt seiner weltkirchlichen Verantwortung unmittelbar nach, die weit über die punktuelle Förderung von einzelnen Projekten hinausgeht. Durch die Kontinuität ist Vertrauen und interkulturelles Verständnis gewachsen. Bereits in den 1990er Jahren macht Bischof Valerian den Vorschlag, zukünftig nur noch 50 Prozent der Eichstätter Sternsingermittel direkt nach Poona zu transferieren, weil er im Sinne der Gerechtigkeit und der Bedarfe nicht nur an sein Bistum dachte. Seit 2011 gehen alle Erlöse der Sternsingeraktion komplett an das Kindermissionswerk/Die Sternsinger in Aachen. Dort erfolgt die Prüfung der Anträge, die Bewilligung und Rechenschaftslegung. Aufgrund der Partnerschaft können das Bistum Poona und die beiden aus ihr hervorgegangenen Bistümer Nashik und Sindhudurg bis zu 50 Prozent der in Eichstätt gesammelten Spenden beim Kindermissionswerk abrufen, wenn die Anträge den zu erfüllenden Kriterien entsprechen.

Viele der für ganz Indien zum Teil vorbildlichen Projekte im Bereich Bildung von Kindern und Jugendlichen in Poona sind mit Geldern finanziert, die auf die Förderung aus Eichstätt zurückgehen. Die gute Versorgung mit Schulen im Bereich der Stadt Poona hat dafür gesorgt, dass viele ehemals marginalisierte Gruppen heute Zugang zu besseren Arbeitsplätzen haben.

Und die Eichstätt Hall? Sie gehört seit 1968 zur englischsprachigen Schule St. Patricks School and Junior College, die von der Bildungsgesellschaft der Diözese Poona verwaltet wird. In der Eventhalle finden die zentralen Veranstaltungen der Schule statt. „Auf diesem Saal wurde ein Stockwerk mit fünf großen Hörsälen gebaut. Einer von diesen wird als Labor genutzt. Die schönsten Lehrsäle der Schule sind in der Eichstätt Hall (…) Die Schülerzahl für dieses Jahr ist 752, davon 147 aus dem Waisenhaus, über 200 Kinder zahlen keine Schulgebühren“, heißt es im Report über die Mittelverwendung im Jahr 1972. Heute wird die Schule nach eigenen Angaben von 2.112 Kindern und Jugendlichen besucht.

Das St. Walburga-Witwenheim ist ein zweigeschossiges Altenheim mit rund 40 Plätzen, in dem vor allem Frauen einen würdigen Lebensabend verbringen können. Mit den Einnahmen der wohlhabenderen Bewohnerinnen werden die laufenden Kosten für Frauen aus ärmeren gesellschaftlichen Gruppen finanziert.

Seit den 1980er-Jahren werden bei der Namensgebung für Einrichtungen in Indien keine deutschen Namen mehr verwendet, sondern Begriffe, die die Einheimischen verstehen. So heißt eine medizinische Einrichtung „Asha Kiran“, „Maher“ und „Chetna“ stehen für zwei sehr wichtige Frauenprojekte, „Snehalaya“ ist ein Heim für behinderte Kinder und das diözesane Pastoralzentrum trägt den Namen „Nav Sadhana“. In ihnen weht aber definitiv der Geist der Partnerschaft, bestehend aus Gebet, Dialog und Solidarität. Und viele Menschen tragen diesen Geist im ihrem Herzen.

Wie seine Vorgänger Thomas Dabre und der 2020 verstorbene Bischof Valerian D'Souza, setzt auch der neue Bischof von Poona, John Rodrigues, auf die Freundschaf mit Eichstätt und will sie ausbauen. Bereits bei seiner Amtseinführung im Juni vergangenen Jahres bedankte er sich bei einer angereisten Eichstätter Delegation für die langjährige Zusammenarbeit. „Ich danke Ihnen für all die Art und Weise, in der sie uns in der Vergangenheit unterstützt haben und für einige Möglichkeiten, in denen wir auch etwas mit ihnen teilen konnten. Es ist ein Prozess des gegenseitigen Wachsens, des gegenseitigen Nutzens“, sagte Bischof Rodrigues.

Text: Gerhard Rott

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