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26.12.2024

Edith Stein in Nürnberg-Langwasser: Lehren aus einer Pfarreienfusion

Fusionsgottesdienst Pfarrei Edith Stein. Foto: Norbert Staudt

Feierlicher Gottesdienst zur Fusion der Pfarreien in Nürnberg-Langwasser am 12. Februar 2023. Foto: Norbert Staudt

Vor zwei Jahren begann im Pfarrverband „Katholisch in Langwasser“ im Nürnberger Süden eine neue Ära. Die Pfarrgemeinden Heiligste Dreifaltigkeit, Menschwerdung Christi, St. Maximilian Kolbe und Zum Guten Hirten fusionierten zur neuen Pfarrei Heilige Edith Stein. Pfarrer Karsten Junk und Pfarrgemeinderatsvorsitzender Roland Schwab erklären im Interview, worauf es beim Zusammenwachsen ankommt.

Herr Junk, zum 1. Januar 2023 haben sich die vier Pfarreien in Langwasser zu einer Pfarrei zusammengetan. Welche Vorteile haben sich für Seelsorge, Verwaltung und Gemeinde aus der Pfarreienfusion ergeben?

Pfarrer Karsten Junk: Die Gläubigen nehmen die anderen Kirchorte und deren Veranstaltungen, Gottesdienste und so weiter besser wahr, wenn sie zu einer Gemeinde gehören. Die Kirchorte mit ihren eigenen Prägungen ergänzen sich im Gesamtbild, so dass auf Pfarreiebene ein sehr breites Angebot gegeben ist. Die Zusammengehörigkeit als Pfarrei senkt auch die Hemmschwelle, in andere Kirchorte zu gehen. Einige Projekte sind auch besser möglich, wenn man Interessierte aus einer größeren räumlichen Ordnung, wie der fusionierten Pfarrei, adressiert. Im Bereich der Seelsorge besteht die Möglichkeit, dass die Hauptamtlichen neben örtlicher Zuordnung auch besonders ihre fachlichen Qualitäten einbringen, indem die Aufgaben und Ideen gemäß Neigung und Befähigung aufgeteilt werden. Es muss nicht jeder zwingend alles machen.

Zur Realität gehört auch, das über Jahrzehnte eingespielte Strukturen, Erwartungen und Wahrnehmungen sich nicht in kurzer Zeit völlig ändern lassen. Man kann nichts erzwingen.

Herausforderungen einer Großpfarrei

Mit mehr als 8.000 Gläubigen ist Edith Stein eine der größten Pfarreien des Bistums. Welche Herausforderungen sehen Sie in der Leitung einer Großpfarrei?

Es liegt auf der Hand, dass die administrativen Tätigkeiten in großen pastoralen Einheiten schnell die Überhand gewinnen. Die Delegation von Aufgaben und zum Teil auch Entscheidungen ist eine Notwendigkeit, allerdings muss es dazu auch die entsprechenden personellen Möglichkeiten geben. Die Ressourcen der Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen erscheinen weitgehend ausgereizt.

Bezüglich des Bereichs Kirchenverwaltungen stellt sich die Frage, ob unsere Struktur mit einem ehrenamtliche Gremium und Pfarrer, neben den pastoralen Aufgaben dem sehr weit gewordenen Aufgabenfeld gewachsen ist. Gerade wenn es nur noch eine Kirchenverwaltung und einen Pfarrer gibt, die die Aufgaben von vorher vier Kirchenverwaltungen wahrnimmt, kommt hier für ein Gremium quantitativ und qualitativ sehr viel zusammen. Auch bei einer stark besetzten Kirchenverwaltung können Vorgänge dann lange dauern.

Ist aus den vier Pfarreien schon „eine“ Kirchengemeinde entstanden?

Auch hier gilt, dass gewachsene Strukturen ihre Zeit brauchen, um sich weiterzuentwickeln. Allerdings besteht das Ziel des Vorgehens ja auch nicht in einem Einebnen alles Gewachsenen, sondern in einem sich ergänzendem Miteinander. Hier haben wir schon ein gutes Stück des Weges zurückgelegt, sind aber weiterhin unterwegs. In jedem Fall ist in den Jahren vor und nach der rechtlichen Fusion ein Miteinander entstanden, das über den vorherigen Zustand deutlich hinausgeht. Klar ist auch, dass den Menschen das Leben an ihrem Kirchort wichtig ist und bleibt. Dagegen ist aber grundsätzlich auch nichts einzuwenden.

Ist die Fusion schon auf allen Ebenen vollzogen oder sind weitere Schritte des Zusammenwachsens geplant?

Rechtlich steht noch die Umbenennung der Kirchenstiftung an. Die Umsetzung des Pastoral- und Immobilienkonzepts wird die neue Pfarrei noch mehr ins Blickfeld rücken. Das Ziel ist und bleibt eine Struktur, die den verschiedenen Aspekten des Evangeliums in Langwasser, unter den sich ändernden Umständen, nachhaltig und am besten dient.

Meilensteine der Fusion

Herr Schwab, Sie begleiten den Prozess des Zusammenwachsens der vier Gemeinden seit mehreren Jahren. Welche waren die wichtigsten Meilensteine bis zur Fusion?

Roland Schwab, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats: Es hat bei uns in Langwasser schon seit Jahrzehnten immer wieder Versuche einer engeren Zusammenarbeit gegeben, mit mehr oder weniger Erfolg. 2014 hat unser damaliger Pfarrer Alfred Grimm dann eine Delegiertenkonferenz initiiert, in der sich Vertreter aus den vier Pfarreien zwanglos beschnuppern konnten. Wir haben uns dann für das Pfarrverbandsmodell 2 entschieden, 2018 bei den Pfarrgemeinderatswahlen vier Kirchortsräte gewählt und erstmals einen gemeinsamen eigenen Pfarrgemeinderat gebildet. Unser damaliger leitender Pfarrer Stefan Müller hat dann einen Steuerungskreis ins Leben gerufen, in dem er zusammen mit den Vorsitzenden der vier Kirchortsräte und einem Mitglied des pastoralen Teams den Prozess vorwärts getrieben hat. Unterstützt hat uns dabei die Gemeindeberatung aus dem Bischöflichen Ordinariat Eichstätt. Die erste Anregung zu einer Fusion kam von Seiten unserer vier Kirchenverwaltungen, die uns damals mitgegeben haben, dass sie ein Zusammenlegen für sinnvoll halten. Es folgten nach intensiven Diskussionen die Voten aus allen vier Kirchortsräten, dass wir das auch wollen. Wir haben dann seitens der Kirchenverwaltungen eine Zusammenlegungsvereinbarung erarbeitet, wir mussten uns mit den Vorsitzenden der vier Kirchortsräte auf eine Pfarrkirche einigen, und letztendlich auch einen Namen für die neue gemeinsame Pfarrei finden. Natürlich hat es dann auch die formalen Beschlüsse der vier Kirchenverwaltungen, vier Kirchortsräte und des gemeinsamen Pfarrgemeinderats gebraucht. Letztendlich hat, auf unseren Antrag hin, der Bischof dann die neue Pfarrei errichtet.

Was wurde getan, um die Gläubigen aus den vier Gemeinden in diesen Prozess mitzunehmen, um Ängste und Bedenken abzubauen?

Das war uns im ganzen Prozess ein großes Anliegen. Dabei war die Corona-Krise leider nicht sehr hilfreich. Wir haben im Rahmen des Möglichen teilweise virtuell, wenn möglich im der persönlichen Begegnung, Gemeindeversammlungen, inhaltliche Workshops und Umfragen am Rande unserer Gottesdienste durchgeführt. Natürlich haben wir auch über unser Pfarrmagazin und unsere Webseite über den Prozess laufend informiert. Insbesondere bei der Namensfindung haben wir uns die Zeit gelassen mit allen vier Gemeinden gute, passende Patrone intensiv zu diskutieren, auszuwählen und am Schluss eine Entscheidung für einen zu treffen. Gerade dieser Prozess hat uns, glaube ich, trotz aller unterschiedlichen Ideen, noch einmal enger zusammengebracht.

Tipps für andere Pfarreienfusionen

Wenn Sie anderen Pfarrverbänden einen Rat in Sachen Pfarreienfusion geben sollten, was würden Sie Ihnen sagen?

Ich würde in jedem Fall raten, sich Zeit zu lassen. Insbesondere am Anfang des Prozesses ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen. Man muss sich erst mal kennenlernen. Wenn es dann soweit ist, dass man das grundsätzlich möchte, dann braucht es einen konkreten Projekt- und Zeitplan. Daran wird der Umsetzungswille sichtbar und man kommt ins Handeln. Dabei hilft eine Steuerungsgruppe, die den Prozess vorantreibt. Es ist natürlich wichtig die Gemeinden intensiv mitzunehmen und in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Dabei kam man Schlüsselentscheidungen wie zum Beispiel die Namensgebung gut nutzen, um – trotz durchaus kontroverse Diskussionen – insgesamt näher zusammenzuwachsen. Es braucht immer wieder gemeinsame Aktivitäten. Erst dadurch wird die neue gemeinsame Pfarrei auch sichtbar und damit von allen einzelnen Gemeindemitgliedern auch positiv erlebbar.

Wie gut funktioniert das Zusammenspiel zwischen Kirchortsräte und Pfarrgemeinderat und welche Vorteile bietet dieses Modell der Partizipation der Gemeinde an Entscheidungsprozessen?

Es war uns von Anfang an sehr wichtig, dass das Leben an den Kirchorten durch die ganze Fusion unterstützt wird. Wir wollten keine Zentralisierung, keine Hervorhebung von einer einzelnen Gemeinde, sondern eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe von allen. Deshalb ist es wichtig, dass kirchortsrelevante Entscheidungen auch am Kirchort, im verantwortlichen Kirchortsrat, diskutiert werden. Ein Pfarrgemeinderat muss sich dabei in seiner Funktion, soweit es irgendwie geht, zurückhalten. Und immer Kirchortsräte mit in notwendigen Entscheidungen einbinden. Es ist nicht einfach, hier Ängste an den Kirchenorten, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird, zu nehmen. Dazu braucht es einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Entscheidungsprozessen. Das ist in der Praxis sehr aufwendig und keine wirkliche Vereinfachung. Abstimmungen in vier Kirchortsräten und einem Pfarrgemeinderat sind kompliziert. Aber nur dann kann sichergestellt sein, dass die Gemeinden vor Ort sich gut entwickeln können. Und das ist letztendlich bei all diesen organisatorischen Veränderungen unsere Zielsetzung.

Gibt es noch andere Aspekte des Fusionsprozesses, die Ihnen wichtig scheinen?

Man muss ganz klar sehen, dass insbesondere die Mitglieder in den Gremien irgendwann den Punkt erreichen haben, wo sie nicht mehr über Struktur und Organisation diskutieren möchten, sondern einfach in ihr konkretes Handeln am Kirchort kommen wollen. Zu viele strukturelle Veränderungen belasten die Arbeit vor Ort. Auch wenn ich weiß, dass sich Strukturen weiterentwickeln müssen und pastorale Konzepte benötigt werden, können unsere tragenden Aktiven vor Ort nicht alle paar Jahre die nächste organisatorische und inhaltliche Veränderung entwickeln. Es braucht Zeit, etwas Training und den klaren Willen in einen kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess zu kommen. An dieser Stelle können wir alle gemeinsam unsere Kirche weiterbringen.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

Kräfte in der Kirche vor Ort bündeln

In den vergangenen zehn Jahren fanden bereits mehrere Pfarreienfusionen im Bistum Eichstätt statt. Den Anfang machten 2011 in Eichstätt die Dompfarrei und die Pfarrei St. Walburg, 2013 folgten zwei Nürnberger Gemeinden: St. Wunibald und St. Rupert. Zum Jahresbeginn 2014 ging in Ingolstadt die Pfarrei St. Moritz in die Münsterpfarrei auf, im Juli fusionierte die Pfarrei St. Peter und Paul in Schwabach mit der Pfarrei St. Sebald. Seit 2023 gibt es die Großpfarrei Edith Stein im Nürnberger Süden. Zum 1. Januar 2024 wurden die Pfarreien St. Peter und St. Willibald in Ingolstadt-Oberhaunstadt zusammengelegt.

Wege und Geschichten dieser Fusionen mögen sich in Details unterscheiden, eines haben sie aber gemeinsam: Es geht darum, Kräfte in der Kirche vor Ort zu bündeln, die Zusammenarbeit zwischen den Kirchorten zu stärken und den Einsatz geringer werdenden Ressourcen zu optimieren. In Eichstätt ging es zum Beispiel auch darum, nicht zwei Pfarreien in der überschaubaren Innenstadt zu haben. Die damalige Äbtissin von St. Walburg, Mutter Franziska Kloos, befürchte anfangs, dass die Klosterkirche ohne den Status einer Pfarrkirche zu einer „Konzerthalle“ verkomme könnte. Heute ist von dieser Angst nicht mehr zu spüren. Inzwischen hat sich das Bild einer „Stadtkirche Eichstätt“ durchgesetzt. Und St. Walburg kann durch die Zusammenlegung sogar Angebote machen, die vorher nicht möglich waren.

Mit offenen Karten spielen

Fusionsprozesse, sei es in der Kirche oder woanders, sind keine Selbstläufer. Oft Spielen Emotionen eine starke Rolle. So war die Pfarreienfusion in Schwabach „kein Fest mit Euphorie“, wie es St. Sebalds Pfarrgemeinderatsvorsitzender Krimhild Thürauf zum Ausdruck brachte. An der Spitze der damals größten Pfarrei des Bistums stand Domkapitular Alois Ehrl. Er kommentierte die Entstehung der Großpfarrei seinerzeit pragmatisch: In der überwiegend protestantisch geprägten Stadt, gelte es „den katholischen Reichtum in das christliche Leben einzubringen“, und man sei nun „keine kleine Minderheit“ mehr. Die inzwischen pensionierte Gemeindereferentin Lioba Henke hat den Fusionsprozess in Eichstätt begleitet. Sie spricht aus eigener Erfahrung: „Es muss bei weiteren Fusionen von Anfang an mit offenen Karten gespielt werden, so dass die Gläubigen spüren, dass sie mit im Boot sind.“

Text: Geraldo Hoffmann

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