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05.11.2024

Domvikar Stübinger zur Weltsynode: „Der Ball liegt jetzt bei den Ortskirchen“

Gruppenfoto mit Papst Franziskus zum Abschluss der Weltsynode in Rom. Foto: Matthias Kopp/DBK

Gruppenfoto mit Papst Franziskus zum Abschluss der Weltsynode in Rom. Foto: Matthias Kopp/DBK

Die Weltsynode zum Thema „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“, die im Oktober 2021 mit der sogenannten Diözesanen Phase begann, endete nach Kontinentalversammlungen und der Weltkirchlichen Phase jetzt mit der 16. Ordentlichen Generalversammlung in Rom. Die Reaktionen auf das Abschlusspapier, das statt eines üblichen nachsynodalen Schreibens des Papstes am 21. Oktober 2024 vorgestellt wurde, fallen sehr unterschiedlich aus. Im Interview spricht der bischöfliche Beauftragte für die Synode im Bistum Eichstätt, Domvikar Dr. Thomas Stübinger, über den Synodenverlauf, die Ergebnisse und ihre Bedeutung für den synodalen Prozess in der deutschen Kirche.

Die Generalversammlung der Bischofssynode ist zu Ende gegangen, aber: „Die synodale Kirche des 21. Jahrhunderts steht am Anfang“ - darin scheinen sich die sechs teilnehmenden deutschen Bischöfe einig zu sein, wenn man ihre ersten Einschätzungen liest. Teilen Sie die Auffassung, dass die Dynamik der Synodalität Fahrt aufgenommen hat und die Kirche weiter verändern wird?

Thomas Stübinger: Verändern würde ich nicht sagen. Die Kirche bleibt sich in ihrer Sendung immer treu. Aber sie ist „semper reformanda“, d.h. muss sich immer wieder erneuern und kritisch schauen, ob sie der Spur Christi treu bleibt. „Verändern“ im Sinne, dass die Kirche immer mehr durch das Wirken des Heiligen Geistes ihre Vollgestalt erhält, das würde ich bejahen. Wenn man die Worte des Heiligen Vaters liest, kann man feststellen, dass es kein Zurück mehr hinter den neuen Stil des Zusammenwirkens im Sinne der Synodalität geben kann. Der Generalrelator der Synode, Kardinal Jean-Claude Hollerich, sagte: „Normale Katholiken werden mit der Zeit eine Kirche sehen, in der sie zählen, in der sie wichtig sind. In der ihre Talente, Gaben und Erfahrungen wichtig sind, weil sie Getaufte sind.“ Ich als Pfarrer vor Ort kann dankbar sagen, dass man diese Option nicht erst als eine zukünftige sehen muss. Sie ist doch in unseren Gremien schon längst eine vitale Realität. Das darf allerdings nicht vom guten Willen und der pastoralen Klugheit des Pfarrers allein abhängen, sondern braucht ein verbindliches Gefüge. Der emeritierte Erzbischof von Saragossa blickt so auf die Synode zurück: „Die Atmosphäre des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets, die Feier der Eucharistie, die Tage der geistlichen Einkehr mit klugen biblischen und theologischen Meditationen haben uns sehr geholfen, auf Gott und unsere Brüder und Schwestern zu hören.“ Hier kommt sehr schön zum Ausdruck, dass eine Synode ein geistliches Geschehen ist.

Sie hatten zu Beginn der Weltsynode die Hoffnung formuliert, beim Ringen um Antworten auf drängende Fragen möge man respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen und einen neuen Stil des guten Miteinanders finden. Hat sich Ihre Hoffnung erfüllt?

Wenn man den Zeugnissen der Synodenteilnehmer gut zugehört hat, darf man dankbar feststellen, dass sich meine Hoffnung erfüllt hat. Etwa die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, Anna-Mirijam Kaschner betonte den neuen Charakter in der Synode: „Es ist glaube ich, das erste Mal in der Kirchengeschichte, dass wir etwas Neues anfangen.“ Sie habe im Blick auf Papst Franziskus gemerkt, dass er selbst ein Lernender war, der auch zuhören lernen musste. Das hatte der Papst zu Beginn der Synode ja auch allen anderen Bischöfen ins Stammbuch geschrieben. Es gehört zur Weisheit des Königs Salomo, dass er um ein hörendes Herz gebeten hatte. Auch die Regel des heiligen Benedikt beginnt mit dem Aufruf zum Hören. Der heiligen Paulus sagt, der Glaube komme vom Hören. In dieser Hinsicht war diese Erkenntnis also schon längst bekannt, musste aber wieder neu in die kirchliche Situation übertragen werden.

Jetzt steht die Frage nach den Konsequenzen, Folgen, Veränderungen im Raum. Inwieweit halten Sie Auswirkungen der Synoden-Ergebnisse auf die konkrete Pastoral vor Ort für möglich, auf die Pastoralplanung, die Formulierung von konkreten Pastoralkonzepten? Wer müsste hier aktiv werden und in welcher Weise?

Bei aller Wichtigkeit der Frage nach der konkreten Umsetzung, muss man sehen, dass die Synodalität kein Selbstzweck ist, sondern der Mission dienen soll, wie Papst Franziskus immer wieder betont. Die Mission entsteht aus der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Wenn man diese Perspektive ausblendet, dann bleibt die Synode über Synodalität ein Streit um Autorität und Kompetenz in der Kirche. Konkret hat die Synode größere Spielräume für lokale Entscheidungen in der Kirche gefordert und damit eine Dezentralisierung vorangetrieben. Nur bei Fragen, die dogmatischen oder moraltheologischen Charakter haben, oder die Sakramente betreffen, solle künftig weiterhin ein römisches Gütesiegel eingeholt werden. In allen anderen Fällen könne eine stillschweigende Zustimmung durch Rom angenommen werden. Hier wurde der Respekt vor der lokalen Vielfalt hervorgehoben, der neue Handlungsspielräume eröffnet. Der Passauer Bischof Oster gab eine wichtige Unterscheidung: Der ‚decision-making‘- Prozess bezieht möglichst viele mit ein, der ‚decision-taking‘- Prozess bleibt der Hierarchie reserviert. Dass der Papst das Dokument sofort veröffentlichen ließ, ohne dann selbst ein nachsynodales Schreiben zu verfassen, wurde von vielen begrüßt. Das mache aber „den weiteren Umgang damit schwierig“, so Bischof Oster. Der Papst sagt zu seiner Entscheidung Folgendes: „Das was wir angenommen haben, ist genug. Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Richtschnur für die Mission der Kirche auf den verschiedenen Kontinenten und in den verschiedenen Kontexten sein können.“ Welchen kirchenrechtlichen Status das Dokument hat, sagte er nicht.

Der Ball liegt jetzt bei den Ortskirchen. Jede Ortskirche hat es nun selbst in der Hand, die Ära der Synodalität zu gestalten. Wir haben hier in unserem Bistum einen aktiven und kompetenten Diözesanrat und auch andere bewährte Entscheidungsgremien. Diese zu vernetzen wäre sicher effektiv. Bei der Erstellung der Pastoralkonzepte sind die Laien in den Pfarreien aktiv Mitgestaltende gewesen. Jeder Pfarrer, der sich auf diese Dynamik wirklich eingelassen hat, konnte sicher dankbar erkennen, wie bereichernd und auch entlastend dieses Zusammenwirken ist. Wenn die Gläubigen merken, dass sie mit ihren Anliegen wertgeschätzt sind und auch mitgestalten können, sind auch wieder mehr bereit, sich in den Gremien einzubringen.

Veränderung ist konkret: Einige mögliche Veränderungen in der pastoralen Praxis wurden genauer in den Blick genommen und diskutiert, etwa die Evaluation der Amtsführung leitender Geistlicher. Was halten Sie davon? Was bedeutet das für die Rolle des Pfarrers und das Priesterbild?

Dieses Thema ist ja auch schon im deutschen Synodalen Weg erörtert worden und hat nun gesamtkirchlichen Widerhall gefunden. Das Abschlussdokument betont, dass der Geist der Transparenz nicht nur bürokratischer Natur sei, sondern inspiriert ist von den Kriterien des Evangeliums. Diese Haltung schützt das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit, die eine synodale Kirche braucht, die auf Beziehungen achtet (Nr. 97). Auch wenn diese Haltung auf allen Ebenen wichtig ist, nimmt sie vor allem die Verantwortungsträger in die Pflicht: „Während die Rechenschaftspflicht gegenüber den Vorgesetzten über Jahrhunderte hinweg praktiziert wurde, muss die Dimension der Rechenschaftspflicht der Autorität gegenüber der Gemeinschaft wiederhergestellt werden.“ (Nr.99) Ich halte das für sehr stimmig, denn Autorität darf nicht nur etwas Äußerliches bleiben, sondern muss durch das Handeln der Autoritätsperson eingelöst werden, und zwar durch einen kohärenten Stil der Amtsführung. Die Bewertung des Amtsträgers ist kein Urteil über eine Person, sondern eröffnet die „Möglichkeit, dem Amtsträger zu helfen, indem sie positive Aspekte seines Amtes hervorhebt und verbesserungswürdige Bereiche ans Licht bringt.“ (Nr.100) Eigentlich ist diese Haltung schon sehr alt. Der heilige Augustinus sagt: „Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ.“ Viele der in Nr. 102 angegebenen Kontexte der Evaluierung und Transparenz sind bei uns in Deutschland schon Standard, andere Ortskirchen sind da noch auf dem Weg.

Für die Rolle des Pfarrers und das Priesterbild ist die Evaluation eine Hilfe und keine Anfrage. Er muss kein Einzelkämpfer sein, auf dem die ganze Last der Verantwortung aufruht, sondern kann damit rechnen, dass die Entscheidungen von allen mitgetragen werden, weil sie gemeinsam errungen, evaluiert und angenommen wurden.

Auch das Instrument der Diözesansynode hat neue Aufmerksamkeit erhalten. Im Bistum Eichstätt gab es 1952, lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, eine Diözesansynode. Wäre es denkbar, in drei Jahren – zum 75-Jährigen dieses damals so mutigen Unterfangens – eine „Eichstätter Diözesansynode 2027“ durchzuführen?

So mutig war das 1952 gar nicht wie es scheint, denn im alten Kirchenrecht (CIC von 1917, can. 356) war es vorgesehen, dass eine Diözesansynode alle zehn Jahre stattfinden muss. Auch das geltende Kirchenrecht kennt das Rechtsinstitut der Diözesansynode. Der große Fortschritt nach dem II. Vatikanischen Konzil war, dass diese sich heute nicht mehr nur aus den Priestern zusammensetzt, sondern Vertreter des ganzen Volkes Gottes vor Ort teilnehmen sollen. Während das alte Kirchenrecht alle zehn Jahre verpflichtend eine Diözesansynode vorschreibt, findet diese heute kaum mehr in einer Diözese statt. Das mag auch daran liegen, dass manche Bischöfe die Regeln des geltenden Rechts als zu eng ansehen. Stattdessen wurden in vielen Diözesen ähnliche Formen der Partizipation gebildet, etwa in auf die konkreten Bedürfnisse der Diözese hin konzipierten Diözesanversammlungen. Aber all diesen ist gemeinsam, dass der Bischof der Gesetzgeber in der Diözese bleibt. Diese „Synoden“ können aber Partizipation im Sinne echter Mitbestimmung nicht leisten. Hier bleibt abzuwarten ob sich nun neue Strukturen entwickeln werden.

Deutlich vernehmbar ist in Teilen des Kirchenvolks die Enttäuschung darüber, dass die Synode in der „Frauenfrage“ nicht weiter gekommen ist. Wieder werden Überprüfungen/Untersuchungen angekündigt? Können Sie sich das Diakonat für Frauen vorstellen?

Viele Frauen nehmen in den Pfarreien bereits diakonische Aufgaben wahr. Sie sind ein Schatz und wirken an der Glaubwürdigkeit der Kirche mit. Die Frage der Diakoninnen ist schon sehr lange erörtert worden. Der profilierte Theologe und Kardinal Walter Kasper, hat gesagt, er habe lange in dieser Frage mit sich gerungen. Er hält die Diakonenweihe für Frauen theologisch möglich im Sinne eines Ständigen Diakonats, also nicht als Durchgangsstadium zur Priesterweihe. Kasper sagt: „Für eine Weihe von Frauen spreche das Traditionsargument, dass die westliche und die östliche Kirche in den ersten Jahrhunderten dieses Amt kannten.“ Man könne auch nicht sagen, dass die Diakoninnenweihe damals kein Sakrament gewesen sein, da sich diese theologischen Begrifflichkeiten erst später entwickelt hätten. Es sei unsachgemäß, die damaligen Weihen nur als Sakramentalien zu sehen, also lediglich als zeichenhafte Segnungen. „Dagegen spricht die Tatsache, dass – soviel ich weiß – die Ordinationsformulare bei Diakonen und Diakoninnen dieselben waren.“

Wie werden Sie im Rahmen ihres Amtes als Bischöflicher Beauftragter für die Synode die Ergebnisse der 16. Ordentlichen Generalversammlung und das Thema Synodalität generell in den kommenden Monaten in die Diözese hinein kommunizieren?

Wie ich meinen Auftrag verstanden habe, ist dieser eigentlich mit Abschluss der Weltsynode nun beendet. Ich bedanke mich, dass ich in diesem Interview die Möglichkeit hatte, die Ergebnisse der Synode ein wenig zu beleuchten. Wenn es gewünscht wird, werde ich selbstverständlich in der Thematik Synodalität mitwirken. Ich bin gerne auch bereit, Bildungsabende, Gesprächsrunden oder andere Formate anzubieten, wenn dies gewünscht ist. Ansonsten werde ich natürlich in den Kontexten, in die ich hineingestellt bin, das Anliegen wachhalten. In meinen Pfarreien leben wir den Stil des wertschätzenden Miteinanders schon lange. So ist für mich Synodalität nie ein abstraktes Thema geblieben, sondern Ausdruck der Freude gemeinsam Kirche zu sein!

Die Fragen stellte Michael Heberling

Presseerklärung zum Abschluss der Weltbischofssynode

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