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11.08.2004

Die Kirche der Antike als Vision für die Zukunft - Lehrer holen sich Impulse für Kirche und Gesellschaft

Eichstätt/Beilngries. (pde) – „Strahlkraft habe nur, wer Feuer habe. Und dies gelte es wieder zu entfachen.“ So lautete das Fazit, das Dr. Bertram Blum, der Direktor des Diözesanbildungswerkes zum Abschluss der diesjährige Lehrerstudientagung zog, die seit 1950 jeweils in der ersten bayerischen Ferienwoche in Schloss Hirschberg stattfindet. Zum Thema „In der Spannung von Tradition und Situation – Impulse aus der antiken Geschichte für Kirche und Gesellschaft heute“ referierte Professor Dr. Pedro Barceló, Lehrstuhlinhaber für Geschichte des Altertums an der Universität Potsdam vor fast 40 Lehrkräften verschiedener Schularten aus sechs Diözesen.

So war die frühe Kirche im römischen Staat ein „Innovationsmodell“, weil sie eine Alternativgesellschaft bot, in der die Kranken und Schwachen mit dazu gehörten. In der heute rückläufigen Volkskirche könnte diese „geistige Revolution“ der frühen Christen wieder Anlass zur Neubesinnung sein, so Tagungsleiter Dr. Bertram Blum.

In einem großen Bogen der Religionsgeschichte der Antike zeigte Professor Barceló die Geschichte der entstehenden Kirche bis hin zur Staatskirche des Römischen Reiches auf. Er arbeitete dabei Akzente heraus, die im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Kirche bedeutsam sind.

Barceló betonte, dass die heutige Menschheit viel mehr als es ihr bewusst ist, auf den Wurzeln der Antike steht. Dies zeige sich besonders an äußeren Merkmalen der Religion. In seiner Entstehungsphase setzte sich das Christentum entscheidend von der antiken Religionswelt ab, wo Kultgemeinschaft und politische Gemeinschaft eine Identität bildeten. Es gab einen Wettstreit der Götter, die nach menschlichem Maß gestaltet waren. Mit der Ausbreitung Roms kam es auch zur Ausweitung der Kulte und damit zu einer heterogenen Religionslandschaft, die der „Pontifex Maximus“ in seiner Funktion der Oberaufsicht über die Kulte moderierte. Das Opfer in dieser Religionswelt war rein formal und brachte die Beziehung der Götter und der Menschen wieder in Ordnung.

Das Christentum als Alternative zum Staat

Bei den Christen dagegen standen die Faszination der Person Jesu und der Zeugenschaft für diesen Jesus im Vordergrund. „Das Christentum will das Herz des Menschen“, so der Referent, „es versteht sich als Gemeinschaft von Gleichen, als Summe der Köpfe, die erst gewonnen werden müssen.“ Gerade dies erkannte der Apostel Paulus und setzte diese Erkenntnis in seinem Missionskonzept um.

In der griechisch-römischen Welt hatte die Ausübung von Religion immer gesellschaftliche Bedeutung. Deshalb schloss abweichendes Verhalten aus der Gemeinschaft aus. Religionsausübung in einem der integrierten Kulte bedeutete deshalb immer auch Bekenntnis zum Staat.

Mit Kaiser Augustus beginnt eine neue Religionsepoche. Er macht sich mit bemerkenswerter Energie und Skrupellosigkeit den Staat zu eigen, bevor um die Zeitenwende eine lange Friedensphase seine Politik prägt. Die Herrschaftsideologie des Augustus bestand darin, dass er alle wichtigsten Staatsämter auf sich vereinigte und ebenso die zahllosen Kulte monopolisierte. Damit beginnt die Phase der Monarchie, die auch die Religion auf den Kaiser konzentriert.

Das Christentum wurde zur Gefahr dieses Staates, weil es die Deutungshoheit bezüglich der Gottheit eindeutig klärte: Der Staat konnte nur noch die Rahmenbedingungen für den Glauben schaffen. Der Bereich des Glaubens braucht den Raum der freiwilligen Annahme und ist immer auf Akzeptanz und Verehrung durch die Anhänger angewiesen. Die Dynamik des Anfangs bei den Christen hat in der Zeugenschaft der Anhänger und ihrer Verkündigung gelegen. Hier haben sie sich vom formalen Kult der staatlichen römischen Religionswelt unterschieden.

Am Beispiel des Kaisers Trajan, der sich aus einer Position der Stärke Toleranz und Liberalität leisten konnte, zeigte Barceló die Stärke des aufkommenden Christentums. Immer mehr wird die christliche Kirche zur durchstrukturierten Bischofskirche und mit den Kirchenvätern bildet sich die Theologie aus, die durch Dialog und geistige Auseinandersetzung mit den Strömungen der Zeit die Kirche auch für die Bildungsschichten attraktiv macht. So wurde diese Phase des kirchlichen Aufschwungs zum aufregenden Prozess, dem letztlich die römische Reichspolitik immer weniger entgegenzusetzen hatte. Unter Kaiser Diokletian kam es dann zur bislang größten Christenverfolgung, deren Gewalt gegen das für den römischen Staat lebensbedrohliche Christentum keinen Erfolg mehr hatte.

Das Christentum als staatstragenden Religion

Unter Kaiser Konstantin habe die Kirche dann das römische Reich „durch den Salon betreten“, so Professor Barceló in seinen Ausführungen. Als gnadenloser Machtpolitiker habe Konstantin erkannt, dass Verfolgung kontraproduktiv ist. Als der von ihm erwählte Christengott im Jahr 312 den Sieg gegen Maxentius in militärisch aussichtsloser Situation ermöglicht, beginnt der kometenhafte Aufstieg des Christentums hin zur staatstragenden Religion des Römischen Reiches. Die Bischöfe werden religiöse Autoritäten mit starker Stellung auch gegen die Politik, weil sie vom Volk gewählt sind.

Mit der Staatsreligion kommen dann interne Probleme durch theologische Richtungsstreite. Diese werden durch Mehrheitsbeschluss bei Synoden und Konzilien geklärt und der Kaiser hat das letzte Wort, indem er das Ergebnis per Reichsgesetz dekretiert. So wurden theologische Fragen plötzlich zu politischen Fragen.

Mit Constantius II. kam es dann in der Religionspolitik zu einer neuen Qualität. Als erster Christ auf dem Kaiserthron drängte er die heidnischen Kulte in Reservate wie den römischen Senat, wo sie bis zum Ende des Reiches überlebten. Immer mehr beginnt sich nun die geistliche Vollmacht gegen die weltliche Macht durchzusetzen und am Ende gehen die Kaiser ihrer Funktion als Pontifex Maximus verlustig, was letztlich auch den Verlust der politischen Macht und schließlich den Untergang des Reiches zur Folge hatte. Dies zeigte Professor Barceló anschaulich mit Beispielen und Quellentexten auf, machte aber auch deutlich, dass die Machtposition der Kirche auf lange Sicht zu einem Glaubwürdigkeitsproblem wurde.

Impulse für heute

Zum Abschluss der Tagung war es dann die Aufgabe von Dr. Bertram Blum, den aufgezeigten Spannungsbogen auf die Situation der heutigen Kirche zu übertragen und Perspektiven für die Zukunft herauszuarbeiten. Als Stärke des Christentums wertete er die entscheidende Aufwertung des Einzelnen und die Gleichheit aller in ihrer Beziehung zu Gott. Das Christentum als Religion, welche die Entscheidung ihrer Mitglieder brauche, berge gerade darin eine gewaltige Dynamik. Auch die Tatsache, dass die frühe Kirche im römischen Staat Innovationsmodell war, Alternativgesellschaft, in der die Kranken, die Schwachen mit dazu gehörten, sei gerade heute von Bedeutung ebenso wie der Respekt vor der Kompetenz aller zum Glauben Gekommenen, der sich in Teilhabe und Mitbestimmung ausdrückte. In der heute rückläufigen Volkskirche könnte diese „geistige Revolution“ der frühen Christen wieder Anlass zur Neubesinnung sein, sagte Blum. Dazu sei es notwendig, wieder mehr Zeugenschaft, Verkündigung und glaubwürdiges Leben zu betonen, offen für Veränderungen zu sein und Kirche als Prozess zu verstehen, der auf dieser Welt nicht vollendet werden muss. Als weitere Perspektiven nannte er die Verwirklichung des Volk-Gottes-Gedankens, Vielfalt in der notwendigen Einheit und das Christentum als Alternativmodell in der säkularisierten Gesellschaft. Strahlkraft habe nur, wer Feuer habe. Und dies gelte es wieder zu entfachen.

 

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