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02.07.2014

Caritas fordert zügigere Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs

Für eine menschlichere und individuellere Pflege fordert der Caritasverband eine zügige Abkehr von der Arbeit in Minuten hin zur Zuwendung und Aktivierung nach dem Bedarf eines alten Menschen. Foto: Caritas/Esser

Für eine menschlichere und individuellere Pflege fordert der Caritasverband eine zügige Abkehr von der Arbeit in Minuten hin zur Zuwendung und Aktivierung nach dem Bedarf eines alten Menschen. Foto: Caritas/Esser

Eichstätt. (pde) - Eine schnellere Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bei der Pflegereform fordert der Caritasverband für die Diözese Eichstätt von den Politikern. „Dass dieser Systemwechsel von der Minutenpflege hin zur Pflege gemäß des Bedarfs eines alten Menschen erst 2017 kommen soll, ist viel zu spät“, kritisiert die für die Caritas-Altenhilfe im Bistum Eichstätt verantwortliche Abteilungsleiterin Hedwig Kenkel. „Und dann ist am Ende noch zu befürchten, dass es aufgrund der Wahlen erneut auf die lange Bank geschoben wird“, warnt sie. Denn dies sei schließlich bereits zweimal so gewesen.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff würde eine individuelle Pflege ermöglichen. Nach ihm werden pflegebedürftige Menschen nicht mehr wie im Moment in drei Pflegestufen eingeteilt, sondern in fünf Pflegegrade. Für die dortige Einstufung wird in verschiedenen Bereichen untersucht, was die Betroffenen noch leisten können. Dazu zählen neben Mobilität und geistigen Fähigkeiten auch Selbstversorgung, die Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte. Die bisherige „Minutenpflege“ soll so durch ganzheitlichere Kriterien ersetzt werden. „Ein Pflegender kann dann zumindest versuchen, wozu er im jetzigen System kaum Zeit hat: beispielsweise einen alten Menschen nicht nur mit Essen zu versorgen, sondern ihn dazu anzuleiten, wieder selbst die Hand zum Mund führen zu können“, erläutert Caritas-Altenhilfereferentin Eva-Maria Schork „eine menschlichere Pflege unter besseren Rahmenbedingungen“.

Caritas-Abteilungsleiterin Hedwig Kenkel erinnert daran, dass bereits im November 2006 ein Beirat beauftragt worden sei, den Pflegebedürftigkeitsbegriff zu überprüfen und konkrete Vorschläge für eine bessere individuellere Pflege zu machen. Dies habe dieser Beirat 2009 getan, indem er der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt einen Bericht übergab. Doch dann sei nach der Bundestagswahl in der letzten Legislaturperiode erneut ein Beirat eingesetzt worden, der seinen Bericht 2013 dem seinerzeitigen zuständigen Minister Daniel Bahr abgegeben habe. Doch auch da stellte sich nach Beobachtung Kenkels und anderer die Bundestagswahl als „Hemmschuh“ heraus. Denn auch nun gebe es zunächst wieder ein neues Begleitgremium für eine Untersuchung bis zum Jahr 2017. „Da ist dann aber wieder Bundestagswahl! Seit über sieben Jahren gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Pflegeversicherung einzuführen, aber das verschiebt sich ständig“, so Kenkel. Sie verweist auf eine jüngste Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, in der es heißt: „Offen sind seither weniger die technischen Fragen der Einführung als vielmehr die politischen Weichenstellungen zur Umsetzung.“

Hedwig Kenkel erkennt zwar an, dass sich ab kommendem Jahr bereits einiges verbessere. Dann sollen die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um vier Prozent steigen. Zudem ist zum Beispiel vorgesehen, dass pflegebedürftige Menschen zu Hause mehr Zuschüsse für den Umbau von Wohnungen und für Pflegehilfsmittel erhalten. Und in der stationären Pflege soll es gemäß der geplanten Reform zu einer intensiveren Zuwendung aufgrund eines günstigeren Personalschlüssels bei Betreuungskräften kommen. „Doch das sind nur Verbesserungen innerhalb des jetzigen Systems. Wir brauchen aber einen Systemwechsel und nicht erst solche Vorziehleistungen.“ Nach Erfahrung von Caritas-Altenhilfereferentin Eva-Maria Schork wird die Situation für Pflegende sowie Pflegebedürftige in der stationären wie ambulanten Pflege immer schwieriger. „Viele Pflegende sind überlastet, leisten unbezahlte Überstunden und versuchen viele Löcher allein aus ihrem Berufsethos heraus zu stopfen. Das geht aber auf Dauer nicht gut. Nicht zuletzt deshalb sind auch aus unseren Caritaseinrichtungen vor einigen Wochen rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Nürnberg auf die Straße gegangen, um für bessere Bedingungen zu demonstrieren.“ Schork ist davon überzeugt, dass es auch den Pflegeberuf attraktiver machen würde, „wenn sich Pflegende ohne permanenten Zeitdruck den individuellen Bedürfnissen der ihnen anvertrauten Bewohner oder Patienten annehmen könnten“.

Alle sollen solidarisch ihren Beitrag leisten

Dass ein schneller Systemwechsel kurzfristig noch mehr Kosten für die Pflege verursachen kann, als gemäß der geplanten Reform vorgesehen sind, ist dem Caritasverband Eichstätt bewusst. „Doch je länger wir warten, desto größer wird der Sprung irgendwann für alle werden“, warnt Hedwig Kenkel angesichts der Zunahme an pflegebedürftigen Menschen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Um dieser Herausforderung zu begegnen, „muss Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden, in der alle solidarisch ihren Beitrag dazu leisten, damit mehr Geld in die Pflegeversicherung fließt und somit auch mehr ausbezahlt werden kann“, erklärt sie.

Von den Politikern fordern die beiden Caritas-Altenhilfeexpertinnen vor allem, dass – so Eva-Maria Schork – „endlich das Vorgehen von Wahlkampfzeiten abgekoppelt wird“. Im Interesse aller Betroffenen und letztlich der ganzen Gesellschaft dürfe die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbebegriffs nicht länger aufgeschoben werden. „Nach unserer Überzeugung muss diese Reform 2015, spätestens 2016 kommen“, so Kenkel. Dass die Bundesregierung zunächst eine Praktikabilitätsstudie mit 2.000 pflegebedürftigen Menschen in ganz Deutschland durchführen will, verzögere den nötigen Systemwechsel nur unnötig, so die Caritas-Abteilungsleiterin.

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