Zum Inhalt springen
27.10.2009

Bei der Trauerbegleitung mit dem Herzen denken - Fachtagung in Eichstätt befasste sich mit frühem Kindstod

Eichstätt. (pde) – Wenn ein Kind stirbt, bedeutet das vor allem für die Eltern eine Erfahrung, die sie ihr Leben lang prägt. Eltern, die ihr ungeborenes Kind verlieren oder schon bei der Geburt Abschied nehmen müssen, sehen sich einer Situation ausgesetzt, die kaum vorstellbar oder nachfühlbar ist. Eine Fachtagung, die im Kontext der Ausstellung „… sie schauen das Antlitz Gottes“ am 23. und 24. Oktober in Eichstätt stattfand, befasste sich mit der Thematik „Früher Kindstod“. Die interdisziplinäre Fachtagung ermöglichte die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Thematik aus Sicht der Medizin und Geburtshilfe, Psychologie und Seelsorge.

Wenn ein Baby stirbt, das die Familie kaum kennen lernen konnte, ist das Trauern unendlich schwer. „Es gibt kaum gemeinsame Erlebnisse oder Erinnerungen mit dem verstorbenen Kind und die Umwelt reagiert aus Unwissenheit oder Angst vielfach mit Unverständnis“, schilderte Heike Giering vom Bayerischen Hebammen-Landesverband. Umso wichtiger sei es, Müttern und Vätern von stillgeborenen Kindern umfassende Unterstützung zukommen zu lassen. Zuhören, da sein und trösten sind gefragt – Floskeln wie „Vergiss es“ oder „Schau in die Zukunft“ sind nicht hilfreich, so der Eichstätter Allgemeinarzt Dr. Sigurd Eisenkeil. Der frühe Tod eines Kindes werfe die Eltern und besonders die Mütter in Einsamkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit, oft mit belastenden Folgen für Partnerschaft und Familie.

Der erste Kontakt mit den Betroffenen stellt Ärzte, Hebammen und Klinikpersonal vor besondere Anforderungen. Wenn im Rahmen einer Schwangerschaftsuntersuchung eine schwere, nicht behandelbare Erkrankung des ungeborenen Kindes diagnostiziert werde, dann habe der klinische Vorteil der vorgeburtlichen Untersuchung auch die Konsequenz, dass der Arzt bei schwerwiegenden Schwangerschaftskonflikten gefordert ist, so Prof. Dr. Josef Wisser von der Klinik für Geburtshilfe in Zürich. Zu dieser Betreuung gehört auch die Begleitung von Eltern beim Tod des Kindes vor oder bei der Geburt. Wisser plädierte in seinem Referat dafür, professionelle Trauerarbeit in der Klinik zu institutionalisieren. Ein Beispiel nannte die Hebamme Heike Giering: „Bei uns im Kreißsaal fertigen die betreuenden Hebammen von jedem stillgeborenen Baby ein Foto und eine Andenkenkarte mit dem Fußabdruck an und geben es in einen Briefumschlag, damit sich die Betroffenen es auch später noch ansehen können.“

Der Umgang mit dem frühen Kindstod hat sich in den zurückliegenden zwanzig Jahren geändert: Während das Ereignis früher verschwiegen und verdrängt wurde, gebe es mittlerweile ein Bewusstsein dafür, dass die Trauer um das tote Kind ihren Raum brauche. Statt Verdrängung seien Möglichkeiten der mentalen und gegenständlichen Erinnerungen gefragt, so Prof. Dr. Reiner Sörries vom Museum für Sepulkralkultur, Kassel. Hilfreich sei auch, dem Kind einen Namen zu geben und vor allem die Möglichkeit einer Bestattung den Betroffenen gegenüber zu kommunizieren. Eine öffentliche Begräbnisstätte schaffe nicht nur einen gemeinsamen Trauerort für Betroffene, unabhängig vom Alter des Kindes, sondern fördere auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Lebens- und Trauerkultur, die dem Menschen gerecht wird.

Doch statt gerade in dieser Situation „mit dem Herzen zu denken“, sei ein technisch-nüchternes Abhandeln der Situation häufig an der Tagesordnung. Ziel sollte aber sein, den Menschen wieder in den Blick zu nehmen und adäquat in den existenzbedrohenden Situationen, in denen Leid erlebt wird, konkrete Hilfe und Seelsorge anzubieten. Selbsthilfegruppen können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

Für die Seelsorge sei es zunächst oft eine wichtige Aufgabe, Frauen zu helfen, die unter Schuldgefühlen litten, ihnen die Chance zu eröffnen, versöhnt Abschied zu nehmen, so der Regensburger Theologe Dr. Wolfgang Holzschuh. Wichtig sei es, Orte und Zeichen der Trauer und des Abschiedes zu bieten: Klinikseelsorge und Pfarrei sollten hier kooperieren. Den Weg zur Trauerbewältigung zu eröffnen sei in den Riten und Texten der Kirche intendiert, so der Liturgie-Wissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Bärsch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Kirchliches Handeln müsse von der Begleitung betroffener Eltern über das Gebet und den Segen für das Kind zur Feier des Begräbnisses und Möglichkeiten des Totengedächtnisses reichen und damit auf „Gottes größere Möglichkeiten“ und seinen Heilswillen verweisen. Die Liturgie und die Riten der Kirche bieten einen reichen Schatz an Hilfe und Begleitung.

Der Weg „zurück zum Leben“ nach vorgeburtlichem Kindsverlust sei für Eltern leichter, wenn ein Transzendenzbezug hergestellt werden könne, unterstrich die Ärztin und Psychotherapeutin Dr. med. Angelika Pokropp-Hippen aus Münster. Der Glaube, dass das Kind bei Gott geborgen ist, sei eine große Hilfe zur Bewältigung dieser Situation. Besonders schwierig sei die Trauerarbeit allerdings, wenn der Tod des Kindes durch Abtreibung herbeigeführt worden sei. 70 Prozent der Frauen litten anhaltend unter den psychischen, physischen und sozialen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs. Angelika Pokropp-Hippen betonte: Betroffene benötigten professionelle Hilfe und Menschen, die fähig sind, mit den Traumata „mit Achtsamkeit“ umzugehen.

Einen besonderen Einblick in die Thematik Fehl- und Totgeburt bietet die Ausstellung „… sie schauen das Antlitz Gottes – Seelsorge nach Totgeburt“, die bis 30. November im Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt gezeigt wird. Neben geschichtlichen und (kirchen-)rechtlichen Aspekten wird die Umgangs-, Bestattungs- und Trauerkultur aufgezeigt sowie in einem Medien- und Infobereich weiterführendes Material angeboten. Die Sonderausstellung ist während den normalen Öffnungszeiten des Museums zugänglich: Mittwoch bis Freitag 10.30 bis 17.00 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag 10.00 bis 17.00 Uhr. Montag und Dienstag sind geschlossen. Sonderöffnungen sind nach Vereinbarung allerdings jederzeit möglich. Weitere Informationen unter „www.seelsorge-nach-totgeburt.de“.

Über die Fachtagung berichtet auch der Bayerische Rundfunk (2. Hörfunkprogramm) am 10. November um 18.05 Uhr. In der Reihe „IQ – Wissenschaft und Forschung“ geht es um „Trauer im Kreißsaal – Wie Eltern nach einer Fehl- oder Totgeburt aufgefangen werden können“.

Weitere Meldungen

Die Stabsstelle Medien und Öffentlichkeitsarbeit veröffentlicht kontinuierlich aktuelle Nachrichten aus dem Bistum. Zur Übersicht.

Videos

Videos zu Themen aus dem Bistum Eichstätt. Zur Übersicht.

Audios

Audios zu Themen aus dem Bistum Eichstätt. Zur Übersicht.