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06.08.2020

Angebot für autistische Kinder und Jugendliche - Caritas-Kinderdorf Marienstein startet im September eine neue Wohngruppe

Erziehungsleiter Steffen Benz, Einrichtungsleiterin Brigitte Radeljic-Jakic und Verwaltungsleiter Florian Fischer

Erziehungsleiter Steffen Benz, Einrichtungsleiterin Brigitte Radeljic-Jakic und Verwaltungsleiter Florian Fischer (von links) freuen sich, eine neue Wohngruppe „Fuchsmühle“ für autistische Kinder im September eröffnen zu können. Foto: Caritas/Esser

Eichstätt. (pde) - Eine Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung eröffnet das Caritas-Kinderdorf Marienstein im September.

Das Kinderdorf in Eichstätt ist damit die erste Einrichtung in der Region 10 – Ingolstadt und den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen –, die ein Angebot für Heranwachsende mit einer solchen tiefgreifenden Entwicklungsstörung macht. Die Gruppe wird „Fuchsmühle“ heißen, benannt nach einer ehemaligen Mühle im Treuchtlinger Ortsteil Möhren, wo das Schutzengelhaus als Vorgängereinrichtung des Kinderdorfes vor 1976 seinen Sitz hatte. Fünf von sechs Plätzen sind mittlerweile belegt: von vier Jungen und einem Mädchen, die aus unterschiedlichen Regionen Bayerns kommen und zwischen neun und 14 Jahre alt sind.

Menschen mit „Inselbegabungen“

Dieses Geschlechterverhältnis spiegelt nach Mitteilung von Erziehungsleiter Steffen Benz in etwa das Verhältnis von Betroffenen weltweit wider: „80 Prozent sind Jungen, 20 Prozent sind Mädchen.“ Benz hat das Konzept für die neue Gruppe geschrieben und sich eingehend mit der Entwicklungsstörung beschäftigt: „Diese Kinder und Jugendlichen verarbeiten nur schwer soziale Reize. Gefühle anderer können sie kaum wahrnehmen und interpretieren“, so der Erziehungsleiter. Zudem hätten viele „Inselbegabungen“. Das heißt, „dass zum Beispiel ein Fünftklässler in Mathematik bereits auf dem Niveau von Siebtklässlern sein kann, sprachlich allerdings erst auf dem von Drittklässlern“. Zudem litten viele zusätzlich unter psychischen Belastungen wie der Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) und fielen durch unwillkürliche, nicht zweckgebunden Bewegungen oder Lautäußerungen auf. Häufig zeigten sie sich vor allem überfordert, auf spontane Änderungen im Tagesablauf zu reagieren, so Benz.

Da es eine besondere Herausforderung ist, solche Kinder und Jugendliche zu fördern, werden sich den sechs Betroffenen im Kinderdorf Erziehungskräfte mit einem Umfang von 5,9 Vollzeitstellen sowie eine Lehrkraft mit einer halben Stelle widmen. Zu Beginn ist eine intensive individuelle Leistungsdiagnostik erforderlich: „Anhand dieser müssen wir zum Beispiel beurteilen, ob die Kinder in unsere eigene Schule zur Erziehungshilfe passen oder besser ins Förderzentrum oder aber auf eine Regelschule gehen sollten“, erklärt Benz. Grundsätzlich müssten strukturierte Tagesabläufe eingerichtet und müsse viel mit „Visualisierung“ gearbeitet werden. „Denn wenn ich den Kindern sage, dass wir auf die Willibaldsburg gehen, werden sie das kaum begreifen. Wenn ich ihnen aber ein Bild mit der Burg zeige, verstehen sie das und prägen es sich ein“, erläutert der Erziehungsleiter plastisch. Eine weiterer bedeutender Bestandteil der Therapie ist Benz zufolge soziales Kompetenztraining: „Hier sollen die Kinder lernen und trainieren, dass man zum Beispiel im Supermarkt nicht plötzlich einfach anfängt zu kreischen.“

Damit die Kinder eng begleitet werden, ist vorgesehen, dass die Lehrkraft vom Frühstück bis zum Ende der Hausaufgabenzeit für sie da sein wird. „Wenn ein Kind in der Schule mal überfordert ist, kann sie es auch aus dem Unterricht herausholen und mit ihm eins zu eins in einem gesonderten Schulungsraum im Gebäude der Wohngruppe lernen“, informiert er weiter. Ganz wichtig ist dem Kinderdorf gerade für diese Gruppe auch eine gute Elternarbeit mit vielen Gesprächen, „damit zum Beispiel in den Ferien zu Hause ähnliche Regeln gelten wie in unserer Einrichtung“, so Benz.

Lücke gefüllt

Dass das Kinderdorf diese neue Herausforderung annimmt, liegt laut Einrichtungsleiterin Brigitte Radeljic-Jakic vor allem daran, dass die finanzierenden Jugendämter für diese Kinder verstärkt Bedarf angemeldet haben. Doch sie sieht für die Einrichtung durch diese weitere Öffnung auch die Chance, „sich ein weiteres Standbein für die Zukunft zu schaffen, nachdem wir uns zuletzt ja bereits mit der Etablierung von drei intensivpädagogischen Gruppen neben den traditionellen heilpädagogischen Wohngruppen breiter aufgestellt haben“. Und da es in der Region nach ihrer Auskunft ja auch noch kein Angebot für autistische Kinder gibt, werde eine Lücke gefüllt.

Um den Kindern und Jugendlichen eine bestmögliche Atmosphäre zu ermöglichen, werden die Zimmer, der Schulungsraum und der Relax- und Toberaum der Wohngruppe „Fuchsmühle“ derzeit noch mit neuen Möbeln und anderem Inventar ausgestattet. Brigitte Radeljic-Jakic ist dankbar, dafür rund 50.000 Euro an Spenden von fünf verschiedenen Geldgebern erhalten zu haben: vom Caritasverband Eichstätt aus Sammlungsmitteln, von Sternstunden e.V., der Willibald-Schmidt-Stiftung in Beilngries und  der Stiftung der Sparkasse Eichstätt sowie von der Hirsch Engineering Solutions GmbH.

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