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Wo die Kirche noch wächst

Pfarrer Martin Geistbeck besucht mit dem Bonifatiuswerk katholische Gemeinden in Finnland

Eine Kirche im Aufbruch und eine Kirche, die stetig wächst erlebte Martin Geistbeck bei seiner Reise nach Finnland. Der Ingolstädter Pfarrer von St. Pius besuchte zusammen mit Monsignore Georg Austen das Land im Norden Europas. Dank seines Begleiters bekam er tiefe Einblicke in die Lage der Christen. Austen ist Generalsekretär des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken und Sekretär des Diaspora-Kommissariats der deutschen Bischöfe. Das Bonifatiuswerk fördert seit mehreren Jahrzehnten katholische Christen in Skandinavien und auch im Baltikum. Austen und Geistbeck waren eine Woche lang gemeinsam unterwegs, um Projekte des Bonifatiuswerks in den sieben Pfarreien des Landes zu besuchen und um eine Kirche  zu kaufen.

Schwieriges Pfarrleben

Begleitet von Helsinkis Bischof Teemu Sippo machten die beiden Deutschen Station in Kuopio, im Osten Finnlands, wo die achte Pfarrei des Landes entstehen soll (die KiZ berichtete). Mit finanzieller Hilfe des Bonifatiuswerks will Sippo in der 106.000-Einwohner-Stadt das Gebäude einer ehemals evangelisch-lutherischen Kirche kaufen, damit Gläubige in der Region dort regelmäßig Gottesdienste besuchen können. „Der Kauf und die Einrichtung der Kirche ist für die kleine finnische Diaspora-Kirche ein großer finanzieller Kraftakt. Wir sind froh, dass wir in unserer Arbeit durch das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken unterstützt werden“, erklärt der finnische Oberhirte, der 2009 von Kardinal Karl Lehmann zum Bischof geweiht worden war. Bisher wird Kuopio von der Pfarrei Jyväskylä, die sich über einen Durchmesser von 800 Kilometer erstreckt, betreut. „Das Pfarrleben wird in solch einer Situation immer schwieriger zu organisieren und auch die Glaubensweitergabe an Kinder und Jugendliche leidet unter den großen Entfernungen“, betont Bischof Sippo. Der Pfarrer von Jyväskylä lege momentan an einem Wochenende bis zu 2.000 Kilometer zurück, um an den acht Standorten der Pfarrei mindestens einmal im Monat einen katholischen Gottesdienst zu feiern und Kinder und Jugendliche im Glauben zu unterrichten. „Um das Fach katholische Religion in den Schulen zu garantieren, bringen die Eltern einmal im Monat an einem Samstag ihre Kinder in das bis zu 320 Kilometer entfernte Pfarrzentrum in Jyväskylä“, sagt Sippo. Mit einer neuen Pfarrei in der Meemistö-Kirche, einem Bau aus Holz, würde sich die Situation verbessern, glaubt er.

Wie Austen nach seiner Rückkehr im Gespräch mit der Kirchenzeitung berichtet, stehe Bischof Sippo vor der Herausforderung für die stetig wachsende Zahl von Gläubigen „neue Orte und neue Gemeinden zu schaffen“, habe dafür aber wenig Mittel und kein Personal. Sippo ist nur einer von zwei gebürtigen Finnen, die zum Priester geweiht wurden. Die anderen 21 Geistlichen im Land kommen aus Italien, aus Ecuador oder auch aus der Dominikanischen Republik. Wie das Bonifatiuswerk berichtet, „wollen zwei junge Finnen Diözesanpriester werden und einer ist vor kurzem in den Dominikanerorden eingetreten“. In der südfinnischen Stadt Espoo gebe es zudem ein internationales Seminar des Neokatechumenats mit zehn Priesteranwärtern.

90 Nationen

Wie die Priester in Finnland stammen auch die Gläubigen aus  verschiedenen Nationen. Geistbeck traf eine Frau aus Ruanda, die als Krankenschwester arbeitet. Sie musste aus ihrer Heimat fliehen und sei nun in Finnland heimisch geworden. Austen spricht von einer „Migrationskirche“ deren Mitglieder aus bis zu 90 Ländern stammen. Diese Vielfalt werde „als Bereicherung nicht als Befremdung empfunden“ und die Gläubigen „erfahren über die Kirche Beheimatung“.

Beim Diözesanfest in Lohja und im Diözesanzentrum Stella Maris erlebten die Besucher aus Deutschland aus nächster Nähe, wie es um die Kirche in Finnland steht, wie Glaube gelebt wird, wie der Zusammenhalt funktioniert. Aus allen Pfarreien waren rund 550 Gläubige zusammengekommen, um in der lutherischen Kirche von Lohja Gottesdienst zu feiern. Die finnische Kirche sei „voller Zuversicht und Mut zum Aufbruch, trotz all der schwierigen Umstände einer großen Vielfalt in dieser kleinen Kirche und den großen Herausforderungen in der Diaspora“, fasst Austen seine Eindrücke zusammen. Auch Geistbeck zeigte sich angetan von der „lockeren Atomsphäre“, besonders beim anschließenden Fest in Stella Maris, direkt an einem See gelegen: „Die Leute haben sich in die Wiese gesetzt, das Essen geteilt, sich unterhalten und auch den Rosenkranz gebetet.“

Velburg – Helsinki

Beim Besuch der Dompfarrei St. Henrik in Helsinki trafen Geistbeck und Austen auf eine Deutsche. Brigitte Guttenberger aus Velburg im Bistum Eichstätt lebt seit zwei Jahren mit ihrem Mann Kristian Nikander in der finnischen Hauptstadt. Kennengelernt haben sich beide beim Studium in Straßburg. Guttenberger und Nikander ließen ihren Sohn Louis in der Dompfarrei von Pfarrer Marco Pasinato taufen. Die Velburgerin mag die Internationalität ihrer Pfarrei: „Die Kirchengemeinde ist herrlich bunt gemischt. So treffe ich in der Kirche Menschen, die ich sonst wahrscheinlich niemals kennengelernt hätte.“

Das Pfarrleben sei vor allenDingen auf die Wochenenden konzentriert, stellte Geistbeck bei seiner Reise fest. Es gebe den Sonntagsgottesdienst und anschließend das Kirchencafé mit Möglichkeit zur Begegnung und zum Austausch. Die Pfarrer müssten ohne Sekretärin auskommen und bekommen 600 Euro monatlich vom Bonifatiuswerk. Mit diesem Gehalt gelte man in Finnland als Arbeitsloser, erfährt Geistbeck von einem Priester. Wie der Alltag eines Pfarrers einer Gemeinde mit weit voneinander entfernten Orten sonst aussieht, stellten Geistbeck und Austen selber fest. Bei ihrer Reise legten sie mit dem Auto und auch auf Fähren rund 1.200 Kilometer innerhalb des Landes zurück. „Wir haben erfahren, was es für den Pfarrer dort heißt, sonntags Gottesdienst zu feiern."

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 35 vom 1. September 2013