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„Wir brauchen sie in Ingolstadt“

Vor 20 Jahren folgten die Paulusschwestern diesem Ruf und eröffneten eine Buchhandlung

Liebe Schwestern, wir brauchen die Paulusschwestern in Ingolstadt“ – mit dieser direkten Forderung trat im Juni 1993 ein Mann in die Nürnberger Buchhandlung des Ordens ein. „Entschuldigung, wer sind Sie überhaupt“, fragte Schwester Silvana Alessandrini damals den resolut auftretenden Herrn. Er stellte sich als Ingolstadts Stadtdekan Andreas Risch vor und untermauerte seine Forderung mit dem Angebot einer finanziellen Unterstützung für den Aufbau einer Buchhandlung. Schwester Silvana erinnert sich, dass einige Zeit später Eichstätts damaliger Generalvikar Johann Limbacher mit derselben Forderung nach Nürnberg kam. In ihrer Chronik schreibt sie dazu: „Die Sache begann ernst zu werden.“ Sie bat Limbacher, einen schriftlichen Antrag an den Orden zu stellen und so nahm die Geschichte ihren Lauf.

Keine Filiale in Berlin

Anfang der 1990er-Jahre wollten die Paulusschwestern, die seit 1964 in Deutschland wirkten, expandieren und planten eigentlich den Aufbau einer Buchhandlung in Berlin. Das erwies sich aber als schwieriges Unterfangen: „Nach dem Fall der Mauer wollten viele Gläubige nach Berlin, um dort zu evangelisieren“, blickt Schwester Silvana zurück. Das Erzbistum sah sich nicht in der Lage alle Anfragen zu bearbeiten und „wusste nicht wie und wo sie alle unterbringen sollten“. Die Paulusschwestern sagten sich schließlich: „Vielleicht will uns der Herrgott ja doch in Ingolstadt haben.“

Schwester Bertilla Santagiuliana und Schwester Silvana begannen mit der Aufbauarbeit und eröffneten schließlich am 30. Oktober 1994 eine Buchhandlung gleich in der Nähe des Ingolstädter Münsters. „Anfangs waren wir im Canisiuskonvikt, weil die eigentlichen Räume noch umgebaut werden mussten.“ Gut zwei Jahre lang verkauften die Paulusschwestern ihre Bücher im Dr. Eck-Saal. „Die Leute waren froh. Kurz zuvor hatten die Steyler-Missionare Ingolstadt verlassen und jetzt freuten sie sich, dass wieder Ordensleute da waren“, blickt Schwester Bertilla im Gespräch mit der Kirchenzeitung zurück. Die beiden Ordensfrauen bezogen zunächst einige Zimmer im Konviktsbau und bekamen später eine eigene Wohnung, in der sie noch heute leben. Schließlich wurde auch der Laden in der Bergbräustraße 1 fertig und so erfolgte der Umzug und die Neueinrichtung der Buchhandlung.

Am 8. Juni 1996 erhielten die Buchhandlung und der restaurierte Orban-Saal den kirchlichen Segen durch Eichstätts Bischof Dr. Walter Mixa. „Die Buchhandlung ist sehr elegant und wirkt mehr wie eine Galerie der Schönen Künste, weil sie so lang, eng und doch lichtdurchflutet ist“, heißt es bei  Schwester Silvana. Die Regale stehen in einem Arkadengang und zur Gartenseite in großen Fensternischen finden sich Büchertische. Im Angebot auf rund 100 Quadratmetern sind Bibeln, theologische Fachbücher aber auch Ratgeber wie „Warum wir heiraten“ und der Comicband „Coffee with Jesus“. In einem Nebenraum finden sich Kreuze, Heiligenfiguren und Weihwasserbehälter.

Büchertisch im Schloss

Drei Schwestern leben und arbeiten derzeit in Ingolstadt. Im Laden werden sie unterstützt von drei Mitarbeiterinnen. Die Leitung hat Schwester Maria Jenni inne. Die gebürtige Italienerin ist seit ihrem 13. Lebensjahr in Deutschland und gelernte Buchhändlerin. Mit zum Team gehört neben Schwester Bertilla die polnische Ordensfrau Anna Kaliszczak. Sie kümmert sich vor allen Dingen um organisatorische Dinge, bestellt Bücher, erledigt Verwaltungsarbeit. Stolz zeigt sie einen dicken Ordner, voll mit Briefen: „Viele Pfarreien haben über uns das neue Gotteslob bestellt, um es vor Ort zu verkaufen.“ Die Paulusschwestern bieten das neue Gesang- und Gebetbuch auf Kommission an, und gerade ländliche Pfarreien, in denen es keinen Buchladen gibt, seien dankbar für das Angebot, erzählt Schwester Anna. Auch im Laden finden sich viele  Ausgaben des Gotteslob, darunter auch die Ausgaben der Nachbarbistümer Augsburg und Regensburg. „Wir haben Kunden aus der ganzen Region“, verrät Schwester Maria. Neben Pfarrern und Gemeindereferenten kämen auch immer wieder Firmgruppen oder Eltern mit Kindern vorbei. Zweimal im Jahr verschicken die Paulusschwestern auch ein Faltblatt an Erzieherinnen, in dem sie auf Neuerscheinungen aufmerksam machen. Zudem sind die Ordensfrauen bei kirchlichen Fortbildungen präsent: „Auf Schloss Hirschberg sind wir oft. Da haben die Leute in den Pausen Zeit, unsere Büchertische anzuschauen“, berichtet Schwester Bertilla. Immer wieder stehen die Schwestern auch bei Lesungen bereit und bieten die Werke des eingeladenen Autors oder zu einem Vortragsthema an. An die großen Veranstaltungen mit Pater Anselm Grün erinnert sich Schwester Bertilla gerne zurück: „Der kam immer selber mit dem Auto angefahren und brauchte keinen Chauffeur.“ Das Ingolstädter Münster sei damals „ganz voll gewesen“. Früher traten die Paulusschwestern bei Lesungen noch als Veranstalter auf, mittlerweile überlassen sie die Vorbereitung und Planung anderen, darunter dem Katholischen Erwachsenenbildungswerk, das gleich neben der Buchhandlung seinen Sitz hat.

Doch es müssen nicht immer die großen Autoren sein, mit denen die Paulusschwestern ihrem Auftrag, der Verkündigung des Evangeliums durch neue Medien, gerecht werden: Seit einem Jahr bietet Schwester Anna Matikova aus Prag regelmäßig Vorträge zur Spiritualität an. Und jeden Mittwoch gestalten die drei Ingolstädter Schwestern eine dreistündige offene Anbetung in der Kapelle im Konviktsbau. Bei den Jubiläumsfeiern zum 20-jährigen Bestehen der Buchhandlung darf natürlich ein Dankgottesdienst nicht fehlen. Zum Fest Peter und Paul feierte Ingolstadts Dekan Bernhard Oswald in der Moritzkirche die Vorabendmesse mit den Paulusschwestern. Neben dem Jubiläum in Ingolstadt begehen die Paulusschwestern noch weitere Jubiläen: seit 50 Jahren sind sie in Deutschland tätig und seit 100 Jahren gibt es die Paulusfamilie. Zu den Pionierinnen die 1964 von Italien nach Düsseldorf kamen zählte Schwester Bertilla. Die heute 76-Jährige „musste von Null an Deutsch lernen“. Dabei halfen ihr eine Mitschwester und die tägliche Zeitungslektüre. Bevor sie auch in Ingolstadt Aufbauarbeit leistete, war Schwester Bertilla in der Buchhandlung der Paulusschwestern in Nürnberg (siehe nebenstehender Beitrag). Hier betreibt der Orden seit über 30 Jahren einen Laden am Jakobsplatz.

„Die Leute haben damals regelrecht auf uns gewartet“, bilanziert Schwester Silvana in ihrer Chronik, „Ihnen fehlte ein Ort, wo sie aus dem Evangelium schöpfen konnten, das das Brot des Lebens ist.“ Noch heute bieten die Paulusschwestern einem kleinen Stammpublikum eben diese geistige Nahrung in Form von Büchern, Musik oder Filmen. „Hier ist ein anderes Klima“, glaubt Schwester Bertilla. Die Leute würden spüren: „Es ist das, was wir Paulusschwestern leben.“ Ihr Leben, der tiefe Glaube, ihr Apostolat zur Verkündigung, seien greifbar.

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 27 vom 6. Juli 2014