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Tohuwabohu in der Bibel

Ein Besuch beim Hebräisch-Sprachkurs an der Katholischen Universität in Eichstätt

Ob man es glaubt oder nicht: Ein bisschen Hebräisch kann tatsächlich fast jeder, denn das Wort Tohuwabohu steht schon im Alten Testament (Gen 1,2) und bedeutet dort soviel wie: Die Erde ist „wüst und leer“. Auch Begriffe wie Ganove oder Schlamassel haben über einen Umweg Eingang in den deutschen Sprachalltag gefunden. Wer allerdings tiefer in diese alte Bibelsprache eintauchen möchte, für den bietet sich ein Hebräisch-Sprachkurs an.

Über einen Monat lang lief an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) in den Semesterferien ein Hebräisch-Kurs. 16 Studenten büffelten, teilweise auch samstags, Vokabeln und Grammatik. Die meisten taten dies jedoch nicht ganz freiwillig, denn Kenntnisse im Hebräischen gehören laut Prüfungsordnung zu den Zulassungsvoraussetzungen für das Studium der Katholischen Theologie. Wer also Priester oder Pastoralreferent werden möchte, kommt um einen Nachweis in dieser Sprache nicht herum. „Da der erste Teil der christlichen Bibel in ihrer Ursprache in hebräischer – mit wenigen aramäischen Texten – und griechischer Sprache verfasst ist, ist es notwendig, beide Sprachen wenigstens so weit zu beherrschen, dass es mittels eines Lexikons möglich ist, den Sinn des Urtextes zu erschließen“, erklärt Professor Dr. Burkard M. Zapff, der an der KU in Eichstätt den Lehrstuhl für Alttestamentliche Wissenschaft innehat und diesen Hebräischkurs organisierte. Da es sich jedoch um Alt-Hebräisch handelt, nützt dieser Uni-Kurs für den nächsten Urlaub in Jerusalem nur wenig.

Seit Anfang Februar trafen sich die Studenten in einem Vorlesungsraum in der Eichstätter Universität, um sich in die Geheimnisse dieser alten Sprache einführen zu lassen. Geleitet wurde der Kurs von Sabine Lösch, die an der KU selbst Lehramt studiert hat und nun an einem Augsburger Gymnasium Latein, Deutsch und Katholische Religionslehre unterrichtet. An mangelnder didaktischer Ausbildung konnte es also nicht gelegen haben, falls dem einen oder anderen die Sprache nicht ganz so einfach zu vermitteln war.

Erster markanter Unterschied: die Leserichtung. Die Sprache Abrahams und Moses liest man von rechts nach links. Dementsprechend wird auch ein Buch von hinten aufgeschlagen. Die Schriftzeichen haben mit den unseren kaum Gemeinsamkeiten, zudem bereitet vor allem am Anfang das zügige Aneinanderreihen der Buchstaben Schwierigkeiten, weil es sich um eine Konsonantenschrift handelt.

Mit viel Geduld

Zwar hatten die meisten Studenten in der Schule schon mindestens eine Fremdsprache gelernt, doch selbst im Englischen, Lateinischen, Griechischen oder auch Spanischen gibt es viele Phänomene nicht, die jetzt im Hebräischen auftauchen: Dual und Status constructus sind nur ein paar Beispiele dafür, dass der an europäische Sprachen Gewöhnte am Anfang etwas Schwierigkeiten mit dem Objekt des Kurses hat.

Doch mit viel Geduld und didaktischem Einfühlungsvermögen schaffte es die Dozentin, die Schüler bei Laune zu halten. „Ich bin mir dessen bewusst, dass Hebräisch gerade am Anfang eine Sprache ist, die sehr viel Gewöhnung verlangt“, erklärte Lösch im Gespräch mit der Kirchenzeitung. „Schwierig an dieser Sprache ist vor allem, dass hebräische Wörter meist durch zusätzliche Silben, Präfixe, Suffixe, manchmal auch Infixe, erweitert werden können, so dass man erst durch sorgfältige Analyse herausfindet, aus welchen Bestandteilen sich ein Wort zusammensetzt“, berichtete die Dozentin. Aber gerade dieses logische Kombinieren mache für sie den Reiz der Sprache aus.

Ein Laptop projizierte einen kurzen Bibeltext mittels Beamer an die Wand, Lösch markierte einzelne Wörter, erklärte genauestens deren Bedeutung oder grammatikalische Phänomene. Angestrengt saßen die Studierenden da und schrieben mit. Das Übersetzen ging zum Teil recht langsam vonstatten, für 20 Wörter brauchte die Gruppe schon mal gut und gerne eine Dreiviertelstunde. Doch immerhin klappte das Lesen nach drei Wochen Unterricht schon ganzpassabel. Und in der Tat: Die Lernfortschritte waren zwar langsam, aber den Studierenden gelang es doch, nach zähem Ringen und langwierigen Erklärungen zu Wortschatz und Grammatik, einen kleinen Vers aus dem Hebräischen ins Deutsche zu übersetzen: „Und Gott wird sich gewiss um euch kümmern“, war das alle Lernenden aufbauende Produkt nach harter Spracharbeit.

Rein aus Freude an der hebräischen Sprache besuchte Bruno Grimm den Kurs. „Ich finde diese Sprache enorm spannend, weil sie aufgrund des fehlenden Präsens auf eine andere Art des Denkens verweist, mit dem ich mein eigenes Weltbild neu hinterfragen kann“, meinte Grimm fasziniert, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kunstgeschichte an der Uni tätig ist. Aus dem fernen Basel kam Andreas Freye an die KU: „Mein Doktorvater hat mir diesen Kurs hier in Eichstätt empfohlen“, und so hatte sich der gebürtige Thüringer für die Dauer des Kurses in einem Hotel einquartiert. Die Hebräisch-Kenntnisse braucht er für seine Doktorarbeit, denn er schreibt eine Arbeit über Emil Kautzsch, einen Hebräisch-Experten des 19. Jahrhunderts. „Dieser Kurs hier ist über Eichstätt hinaus bekannt.“ Was wohl auch daran liegt, dass es deutschlandweit nur wenige Hebräisch-Kurse gibt, die in den Semesterferien als Blockveranstaltung angeboten werden.

Besonders schwierig freilich war der Kurs für Lernende, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. So gestand etwa Joseph Uwitonze aus Ruanda: „Ich muss in diesem Kurs auch viele neue deutsche Wörter lernen.“ Der 33-jährige Priester ist seit fünf Monaten in Eichstätt und promoviert hier.

Ende März traten alle 16 Studenten zur Abschlussprüfung an, die aus einem mündlichen und einem schriftlichen Teil bestand. Die Abschlussnoten standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Auch wenn es am Anfang noch zäh lief, zeigte sich ein Großteil der Studierenden zuversichtlich: „Für mich ist dieser Kurs nicht schwerer als Latein oder Griechisch“, erzählte etwa Karl Grabendorfer aus Ingolstadt, der an der Universität einen Magister in Theologie anstrebt. „Und vor allem: Die Atmosphäre in diesem Kurs gefällt mir besser als in der Schule.“

Andreas Graf/af, Kirchenzeitung Nr. 15 vom 12. April 2015