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Priesterseminare rücken zusammen

Deutschsprachige Regentenkonferenz tagte in Eichstätt / Schwerpunktthema Teamfähigkeit

Die Männer, die sich heute in einem Priesterseminar auf ihre Weihe vorbereiten, sind Teil einer Kirche, die „im Prozess grundlegender Veränderungen“ ist. Dies spiegle sich auch in der sinkenden Bewerberzahl wider, stellt der Regens des Mainzer Priesterseminars, Dr. Udo Bentz, fest. Er ist seit einem Jahr auch Leiter der deutschsprachigen Regentenkonferenz, die sich zu ihrer Jahreskonferenz heuer im Collegium Willibaldinum in Eichstätt getroffen hat. Das altehrwürdige Priesterseminar feiert 2014 sein 450-jähriges Bestehen.
In früheren Zeiten, als sich hinter den dicken Mauern auch ein Knabenseminar befand und von Priestermangel noch überhaupt keine Rede war, war das Seminar eine
behütete kleine Welt für sich. Darin seien die jungen Bewohner im Kreise vieler Gleichaltriger ganz selbstverständlich von einer Stufe in die nächste gewechselt, blickt der Eichstätter Regens Christoph Wölfle zurück. Austritte gab es trotzdem, weil manchen auf den letzten Drücker bewusst wurde, dass sie eigentlich gar nicht aus eigenem Antrieb Priester werden wollten, sondern dass sie die Erwartungen anderer erfüllten.
Heute dagegen sei bei angehenden Seminaristen eine hohe Entschiedenheit zu spüren, sind sich Wölfle und sein Mainzer Kollege Bentz einig. Trotzdem sei die Ausbildung dann nochmals ein Klärungsprozess. „So ein Entschluss muss reifen“, meint Wölfle. Die Entscheidung, das Seminar wieder zu verlassen, wie sie etwa ein Drittel bis die Hälfte der Männer treffen, werde respektiert, meint der Eichstätter Regens und fügt hinzu: „Schwierig wirds bei Leuten, die sich auch am Schluss noch unsicher sind.“

Verändertes Rollenbild

Hellhörig zu sein für solche Entwicklungen, das sei ein Zeichen einer guten Ausbildung, betonen Wölfle und Bentz einhellig. Bentz  versichert: „Darauf achten wir auch bei geringer werdenden Zahlen. Da sind wir uns alle einig, dass wir des Zahlendrucks wegen keine Abstriche machen“, zumal auf die künftigen Seelsorger heute in der Pastoral ungleich größere Herausforderungen warteten als früher. Vor der Aufnahme ins Seminar würden deshalb sehr sorgfältige Auswahlgespräche geführt.
Laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz wurden Ende des Jahres 2012 für die deutschen (Erz)-Diözesen 128 Neuaufnahmen in Priesterseminare verzeichnet. Die Zahl der Neupriester sank von 86 im Jahr 2011 auf 79 im Jahr 2012. In Eichstätt wird es heuer keine Priesterweihe geben, was zuletzt 1999 der Fall war. Die Gemeinden künftig in gewohntem Maße mit Priestern zu versorgen „ist mangels Nachwuchs schlicht nicht zu machen“, heißt es auf der Internetseite der deutschsprachigen Regentenkonferenz. „Daher sind wirklich neue Überlegungen und neue Aufbrüche an der Zeit, um der Präsenz des Evangeliums unter den Menschen und dem gelebten Glauben in der heutigen Welt eine neue Form zu geben.“
An der sich wandelnden pastoralen Landschaft orientierte sich auch das Schwerpunktthema bei der Regentenkonferenz in Eichstätt. In allen Bistümern veränderten sich die Strukturen hin zu größeren Einheiten, erläutert Bentz. Dies führe auch zu einem veränderten Rollenbild der Priester und verlange ihnen entsprechende Kompetenzen ab. „Heuer haben wir den Fokus auf die Communio-Fähigkeit gelegt“, berichtet der Regens. „Wie kann man Unterschiedliches zur Einheit zusammenführen, ohne Vielfalt aufzugeben? Und was können wir in der Priesterausbildung tun, um das zu fördern?“
Als Ausgangspunkt beschäftigten sich die Regenten mit der Frage, wie sie die Seminaristen von heute erleben. „Stichwort Generation Y“, umreißt Bentz die Generation der 30-Jährigen, die in der Internet- und Mediengesellschaft groß geworden sind. Über das „Bindungs-Beziehungsverhalten in der Generation der Studierenden in säkularer Gesellschaft“ ging es im Studienteil und den anschließenden Gesprächskreisen.

Ja zu Kooperationen

Nicht nur, wer ins Priesterseminar gehe, werde heute als Exot betrachtet, meint Bentz, sondern „das gilt heute für alle Jugendlichen, die engagiert und überzeugt ihren Glauben und ihr Christsein leben wollen“. Alle seien gleichermaßen aufgerufen, sich nicht abzukapseln und zurückzuziehen, sondern sich zu fragen: „Wie können wir das, was uns wichtig ist, hineintragen in die Gesellschaft?“ Um Kräfte zu bündeln, sei bei angehenden Pfarrern Teamfähigkeit gefragt. Leitungsfunktion wahrzunehmen, heiße, vorhandene Charismen zu erkennen und zu fördern. Keine Angst vor Kompetenzverlust zu haben, sondern sich zu freuen, „wenn da Bewegung reinkommt“, sagt Regens Wölfle, „ein Stück weit Impulse setzen und die Möglichkeiten, die in einer Pfarrei stecken, herausholen“. Zum Thema Communio hörten die Teilnehmer der Konferenz ein Grundsatzreferat des  Freiburger Theologen Professor Gisbert Greshake.
Damit die Tagungsteilnehmer von der gastgebenden Diözese Eichstätt einen Eindruck bekamen, stand eine Fahrt nach Ingolstadt mit Besuch des Klosters Gnadenthal, des Münsters und der Asamkirche Maria de Victoria auf dem Programm. Von dort aus ging es weiter zur Wallfahrtskirche in Bergen, wo Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB zu den Teilnehmern stieß.
Wenn an deutschen Hochschulen theologische Fakultäten – wie in Bamberg oder Passau – abgebaut werden, was heißt das langfristig für die dortigen Seminare? Die Entwicklung der Fakultäten sei eine sehr komplexe Fragestellung im Staat-Kirche-Verhältnis, die zunächst einmal die Bischöfe beschäftige, antwortet Regens Bentz. Unabhängig davon aber werde es bei den Seminaren „zu Fusionen kommen“, denn ein Seminar brauche eine gewisse Mindestgröße. „Es gibt ja schon Kooperationen über Diözesen hinweg, die sich bewährt haben.“ Das betrifft nicht nur Diözesen im Norden oder Osten Deutschlands (siehe Kasten unten). Auch die Eichstätter Seminaristen verbringen ihr Vorbereitungsjahr, das sogenannte Pröpädeutikum, in Bamberg mit Seminaristen aus vier weiteren Diözesen. „Unsere Grundbotschaft lautet: Wir sind Kooperationen nicht abgeneigt“, spricht Bentz im Namen seiner Kollegen, denn „wir machen, bei allen zu klärenden Detailfragen,  gute Erfahrungen“. Seminaristen aus Partnerdiözesen in Übersee in die Seminare aufzunehmen, um die Häuser zu füllen, „das wäre zu kurz gedacht und auch nicht aufrichtig“, sind sich die Regenten von Mainz und Eichstätt einig.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 14 vom 6. April 2014