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Faire Spuren an allen Ecken

Ein Spaziergang durch die „Fairtrade-Stadt“ Eichstätt / Schule, Uni und Geschäfte machen mit

Seit September 2014 kann sich die Stadt Eichstätt das von der unabhängigen Siegelorganisation „TransFair Deutschland“ verliehene „Fairtrade“-Siegel auf ihre Fahnen schreiben. Mit dieser Auszeichnung ist die Domstadt als 288. „Fairtrade“-Stadt in Deutschland ausgezeichnet worden (die KiZ berichtete). Unter den weltweit über 1.500 Städten, die diesen Titel tragen, sind auch Neumarkt (siehe Seite 5) und Ingolstadt.

Der „faire Gedanke“ ist in Eichstätt nicht neu: Seit über 30 Jahren arbeiten viele engagierte Bürger im fairen Handel. Ein Spaziergang durch die Stadt zeigt verschiedene Stationen, in denen der faire Gedanke schon feste Wurzeln geschlagen hat.

Mehr als nur Kaffee

Erste Station: Römerstraße. Mitten im Feinkost-Laden Kelz fällt eine exponierte Verkaufsfläche mit fairen Produkten ins Auge: „Die Nachfrage nach fairen Lebensmitteln ist in letzter Zeit sehr gestiegen, denn unsere Kunden wissen, dass bei fairen Produkten inzwischen Qualität und Geschmack stimmen“, stellen Ladeninhaber Bernadette und Peter Stock fest, die die „Fairtrade-Stadt“-Auszeichnung Eichstätts intensiv mitverfolgt haben. Sie bestellen inzwischen direkt bei der Fairhandelsgesellschaft GEPA, beziehen aber auch einen fairen Bio-Kaffee aus Indien, der von einem Projekt ehemaliger Studentenkunden stammt.

Nur wenige hundert Meter weiter, in der Grabmannstraße, wird das Kinderhaus der Dompfarrei schon seit über zehn Jahren alle zwei Wochen mit fairen Bananen und im Winter auch mit fairen Orangen beliefert. Genauso selbstverständlich sind im Advent faire Adventskalender und Nikoläuse, die auch von vielen anderen Kindergärten aus dem Bistum jedes Jahr in großer Zahl an die Kinder verschenkt werden.

Für viele der Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, ein Stück weiter in der Ostenstraße, ist die regelmäßige Kaffeepause in der Cafeteria obligatorisch. Seit vielen Jahren schon, erzählt Mensa-Leiter Anton Schmidt im Gespräch mit der Kirchenzeitung, gibt es hier fairen Kaffee sowie andere fair gehandelte Produkte, darunter faire Limonaden in vier Geschmacksrichtungen und diverse faire Schokoriegel. Das Studentenwerk Erlangen-Nürnberg, zu der die Eichstätter Einrichtung gehört, setzt übrigens in all seinen Cafeterien auf fairen Kaffee. Unterstützt wird die faire Idee vom Sozialwerk der Universität: die Süßigkeiten-Automaten auf dem Campus sind inzwischen mit fairem Süßen bestückt.

Weiter führt der Spaziergang direkt auf das Herz der Diözese Eichstätt zu, das Bischöfliche Ordinariat und Bischöfliche Seelsorgeamt. Das Bistum hat sich schon vor vielen Jahren ganz bewusst für die Unterstützung des fairen Handels ausgesprochen: Alle Mitarbeiter erhalten zu ihren runden Geburtstagen einen fairen Geschenkkorb, der im Weltbrücke-Laden in Auftrag gegeben wird. Dann nehmen die Ordinariatsmitarbeiter oft gleich ein Päckchen fairen Kaffee für das eigene Büro oder für daheim mit.

Im Rathaus sind spätestens seit Juli 2013, als Oberbürgermeister Andreas Steppberger und der Stadtrat sich offiziell für die Bewerbung Eichstätts zur „Fairtrade-Stadt“ aussprachen, verschiedene faire Ideen umgesetzt worden: Bei den Sitzungen des Stadtrats kommen die Kommunalpolitiker in den Genuss von fairem Kaffee und fairem Gebäck und die Stadt bestellt zudem öfter faire Geschenkpäckchen mit „Eichstätter Gourmet-Kaffee“, die der Oberbürgermeister für Jubilare oder besondere Anlässe bereithält. Ein halbes Jahr nach dem „Fairtrade-Stadt“-Fest will Steppberger das Siegel nicht nur als Auszeichnung, sondern auch als Auftrag verstanden wissen: „Der faire Handel ist eine wichtige Säule auf dem Weg zur Bekämpfung der Armut in der Welt, und auch Eichstätt kann mit einem verstärkten Engagement dazu seinen Beitrag leisten“, betont er.

Seit 30 Jahren aktiv

Es ist nur ein kurzer Spaziergang vom Rathaus zu den Wurzeln des fairen Handels in Eichstätt, zur Weltbrücke mit ihren derzeit rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Nach über 30 Jahren Arbeit im fairen Handel freuen sich die Vorstände des Vereins über die Auszeichnung für Eichstätt: „Dieses Siegel verdankt die Stadt den vielen treuen Kunden und langjährigen Unterstützern, die seit Jahren regelmäßig bewusst faire Produkte konsumieren“, betonen Rita Murböck, Gabi Hössl und Dagmar Kusche. Als treibende Kraft für die „Fairtrade-Stadt“-Bewerbung und Mitglieder der dafür gegründeten Steuerungsgruppe haben sie ähnliche Erfahrungen wie die Neumarkter Kollegen: „Nach der ‘Fairtrade-Stadt’-Auszeichnung beginnt die Arbeit erst so richtig. Wir wünschen uns weitere Einzelhändler, Gastronomen und Institutionen, die den fairen Handel unterstützen“, sagt Murböck.

In der Eichstätter Innenstadt hat sich indes bereits viel im fairen Bereich getan: Im Kino gibt es neben Popcorn auch faire Süßigkeiten, ein Bäckerei-Café schenkt seit seiner Eröffnung vor einigen Jahren ausschließlich fairen Kaffee, Tee und Kakao aus, und in der Pfahlstraße trifft man gleich auf zwei Läden, die auf „fair“ setzen: In ihrem Café „Chocolatique“ bietet Rebecca Böhm ausgewählte faire Kaffee-, Kakao-, Tee- und Gebäckspezialitäten an. Ihre Erfahrung, dass viele Kunden Wert auf hohe Qualität der Ware legen, teilen auch die Begründerinnen von „fairwandel“ einige Häuser weiter, die im November 2014 ein faires Bekleidungsgeschäft eröffnet haben. Zwar setzt sich faire Bekleidung erst allmählich durch, doch Julia Schwarzer und Katarzyna Fidos sind sich einig: „Viele Eichstätter kaufen sehr bewusst ein, gerade im Bekleidungsbereich.“

Da hat es Michaela Müller vom „Blütenrausch“ schon ein wenig leichter, denn die Kampagnen für fairen Blumenhandel haben bewirkt, dass die Nachfrage insbesondere nach fairen Rosen deutlich gestiegen ist. Zum „Eichstätter Frauenwochenende“ hat die Floristin rund 500 faire Rosen verkauft. Besonders erfreulich: Zum Valentinstag bestellte die Schülermitverwaltung der Knabenrealschule Rebdorf ebenfalls 500 faire Rosen. Alle Schulen, so betonen Hans Bittl und Dagmar Kusche von der Steuerungsgruppe „Fairtrade-Stadt Eichstätt“, unterstützen den fairen Handel überaus aktiv. Ob Projekt- oder Elternsprechtage, Konzerte oder Sommer-fest – fast immer bieten hier Schüler faire Produkte und Informationen dazu an. Selbst in der Grundschule Sankt Walburg gibt es seit kurzem faire Snacks beim Pausenverkauf des Hausmeisters.

In der Maria Ward-Realschule endet der faire Spaziergang durch Eichstätt. Hier treffen wir Sandra Springer mit ihrer zehnköpfigen Fairtrade-Wahlfachgruppe. Die Lehrerin und ihre Schülerinnen haben große Pläne: Sie bereiten gerade die Anfertigung eines mobilen Verkaufswagen vor, der die bisherigen Bauchläden für den Verkauf fairer Produkte ersetzen soll. „Viele Schüler sind bereit, mehr Geld für die fairen Süßigkeiten auszugeben, weil sie durch uns erfahren haben, dass sie damit Menschen in ärmeren Ländern helfen, gut zu leben“, berichtet Neuntklässlerin Marlies Stegmann überzeugt. Lehrerin Sandra Springer kann stolz auf ihre engagierten Schülerinnen sein: Pro Pausenverkauf nehmen sie rund 30 Euro ein. Dass es nicht nur „Fairtrade-Städte“, sondern längst auch „Fair-trade-Schools“ gibt, ist in Maria Ward schon lange bekannt: „Die Bewerbung unserer Schule ist bereits in Arbeit, die Voraussetzungen fast alle erfüllt,“ freut sich Springer. Das nächste Projekt: Anfang Mai soll es in allen Schulklassen – für insgesamt 850 Schülerinnen – ein großes faires Frühstück geben. Einer Bewerbung zur „Fairtrade-Schule“ kann dann sicherlich nichts mehr im Wege stehen.

Dagmar Kusche/af, Kirchenzeitung Nr. 13 vom 29. März 2015

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