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„Du bist wie meine Mutter“

Einsatz für andere: Wenn Zeit schenken kein Opfer, sondern Bereicherung ist

Ein Asylbewerber bat Silvia Zitzelsberger vor Weihnachten, ihr zwei Blumenstöcke zu besorgen, die er den Betreuerinnen vom Sprachkurs schenken wolle. Als Zitzelsberger scherzhaft fragte, wo denn ihr Weihnachtsstern bleibe, da erklärte ihr der junge Mann ganz entwaffnend, warum er bei ihr gar nicht erst an ein Höflichkeitsgeschenk gedacht hatte: „Du bist wie meine Mutter.“

Ein bezeichnender Satz für die 54-jährige Wettstettenerin, die vier erwachsene Kinder, drei Enkel und einen Teilzeitjob in einem Kinderbekleidungsgeschäft hat, und dennoch viele Stunden ihrer Freizeit einbringt, um Flüchtlingen unter die Arme zu greifen. Aus dem Netzwerk („Ich hab’ ganz viele, die ich anrufen kann“) an Unterstützern hebt sie einen ganz besonders hervor: Den ehemaligen Wettstettener Kirchenpfleger, KAB-ler und früheren Schulamtsdirektor Richard Schneider (73), auf dessen Beistand sie besonders bei Behördengängen zählen kann. „Der Herr Schneider ist da viel geduldiger und souveräner als ich“, lobt Zitzelsberger.

Ein Zeichen setzen

„Ich bin halt der Türöffner“, ergänzt Schneider und meint damit nicht etwa nur seine guten Kontakte zum Job-Center, sondern auch seine Verwurzelung in der Pfarrei. Indem er als langjährig kirchlich Engagierter so deutlich hinter den Asylbewerbern steht, setzte er ein Zeichen, das auch andere mitreißen konnte. „Ich bin froh, dass wir hier in der Kirche verankert sind“, stellt er fest. Die Asylbewerber werden zum Pfarrfest eingeladen und können im Pfarrheim am zweimal wöchentlich stattfindenden Deutschkurs teilnehmen. Dass dafür ehrenamtliche Lehrkräfte gesucht werden, hatte Pfarrer Klaus Gruber auf  Bitten Schneiders im Gottesdienst verkündet.

Als vor zwei Jahren die ersten Asylbewerber in Wettstetten angekündigt worden waren, „da hab’ ich mich bei der Gemeinde gemeldet und gefragt, ob ich irgendwie helfen kann“, erzählt Silvia Zitzelsberger. Schon bald darauf bekam sie ihren ersten Schützling – einen Buben aus Afghanistan, der nicht nur Hilfe bei den Hausaufgaben benötigte, sondern auch seine Mama schmerzlich vermisste, die auf der Flucht von Mann und Kind getrennt worden war. Mittlerweile ist die Familienzusammenführung geglückt. Wettstettener Unterstützer hatten dazu 1.800 Euro für Flug und Dokumente gesammelt.

Wenn Zitzelsberger bei ihren regelmäßigen Besuchen in einer der beiden Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber in Wettstetten vorbeischaut, warten viele schon hilfesuchend auf „Frau Silvia“ und drücken ihr Schreiben von Behörden, wie Gebühreneinzugszentrale oder Berufsfortbildungszentrum, in die Hand, mit deren Formulierungen sie nichts anfangen können.  Ein syrisches Ehepaar hat die erste Nacht in Wettstetten im Gästezimmer der Zitzelsbergers verbracht, weil das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft noch nicht frei war.

Die Wettstettenerin ist sich bewusst, worauf sie sich eingelassen hat mit ihrem Engagement, das, wie sie selbst zugibt, mittlerweile „wirklich viel Zeit“ kostet und von ihrer ganzen Familie mitgetragen wird. Und „manchmal ärgerst du dich auch“, räumt sie ein, zum Beispiel, wenn ihr Appell zur Mülltrennung in der Gemeinschaftsunterkunft wieder einmal nicht gefruchtet hat. Aber die Erfahrung, dass es einige der Wettstettener Asylbewerber (derzeit 29) inzwischen geschafft haben,ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und beginnen, sich eine Existenz aufzubauen, treibt sie an und lässt sie andere anstecken. „Und auf einmal sind wir ein großer Helfer- und Freundeskreis“, beschreibt Richard Schneider diesen Schneeball-Effekt. Ein schönes Beispiel dafür erzählt er zum Schluss: Eine Wettstettenerin hatte ihre Erdgeschoss-Wohnung an einen jungen Syrer vergeben, obwohl viele ihr geraten hatten: „Vermiet’ doch lieber an jemand, der bei Audi ein gutes Einkommen hat“. Doch die Frau „ist über ihren Schatten gesprungen“, freut sich Schneider. Inzwischen, so weiß er, bringt sie ihrem Untermieter regelmäßig bayerischen Apfelstrudel vorbei, weil sie weiß, dass er den so gerne mag.

Wenn man alleine ist, dann verlernt man ja sogar das Reden, deshalb ist es so gut, dass es bei uns diese Senioren-Sitzweilgruppe gibt“, fasst eine Teilnehmerin die Bedeutung der monatlichen Treffen im Pfarrheim in Hörmannsdorf zusammen. Hilde Auer, beruflich in der Altenpflege tätig, weiß um die Sorgen und Nöte mit der zunehmenden Vereinsamung von älteren Menschen, insbesondere dann wenn der Ehepartner verstorben ist. Und dies ist bei den meisten der gut 20 Frauen der Fall, die hier regelmäßig aus dem Bereich der Pfarrgemeinde Hörmannsdorf zur Senioren-Sitzweil kommen.

Auer leitet die Gruppe zusammen mit Margit Hummel. Gemeinsam haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Treffen vorzubereiten und mit den Senioren abzuhalten. Zwar gibt es jeden Monat ein bestimmtes Thema für die Sitzweil, das Wichtigste dabei sind aber der Austausch und das Gespräch untereinander. Dies geschieht in gemeinsamer Runde bei Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Dafür bleibt immer genügend Zeit. „Die Frauen sollen spüren, dass es uns wichtig ist, dass sie diese gemeinsame Zeit miteinander haben“, sagt Auer. Auf die Frage, warum sie das machen, sagen die beiden Organisatorinnen, dass es ihnen „wichtig und wertvoll ist“, diese Zusammenkünfte für Senioren in ihrer Pfarrgemeinde zu organisieren: „Wo sollen sie denn sonst hingehen in unserem Ort, es gibt doch sonst nichts für die älteren Menschen.“

Abwechslung im Alltag

Hilde Auer und Margit Hummel werden bei ihrem Tun selbst auch reich beschenkt durch die Freude, die die Senioren bei diesen Treffen haben, sagen sie: „Was kann es Schöneres geben, als einem anderen Menschen eine Freude zu machen und zu erleben, wie dieser sich wirklich darüber freut?“ Dies erleben sie Monat für Monat. Die Frauen seien so dankbar dafür. „Für die alten Menschen ist es oftmals die einzige Abwechslung“, weiß Hummel, die mittels eines Fotobuchs eine Art Chronik über diese Sitzweil-Treffen führt. Da werden Vorträge und Informationsveranstaltungen zu allen wichtigen Themen im Leben eines alten Menschen vorbereitet, Andachten oder Meditationen gestaltet, oder auch kleinere Ausflüge durchgeführt. Und da gibt es keine Gruppenbildung, jeder weiß um den Wert dieser Gemeinschaft. Männer dürften auch daran teilnehmen, aber es komme eher selten vor, „dass sich einer zu uns verirrt“, berichtet Hummel schmunzelnd.

Zum Abschluss einer jeden Senioren-Sitzweil wird gemeinsam gesungen. Auf dem Programm stehen dann Lieder, die alle von frühester Jugend an kennen: „Wahre Freundschaft soll nicht wanken“, „Kein schöner Land in dieser Zeit“ oder auch das „Rentnerlied“. Dabei wird dann auch schon mal herzhaft gelacht, „denn das ist ganz wichtig“, sagt eine Teilnehmerin und hofft, dass es diese Zusammenkünfte in ihrer Pfarrgemeinde noch lange gibt. An Hilde Auer und Margit Hummel soll es nicht liegen, sie sind mit Abstand die Jüngsten in dieser Runde und haben sich vorgenommen, den Senioren noch lange diese Freude zu bereiten, obwohl sie beide berufstätig sind und die dafür notwendige Zeit freinehmen müssen.

Gleich nach Schulschluss ging es für Christian Dannemann weiter  mit dem Lernen. Von Freitag bis Sonntag war der 16-jährige Rebdorfer im Jugendhaus Schloss Pfünz zur Ministrantenleiterschulung. Seit einem Jahr ist er in seiner Pfarrei St. Johannes der Täufer vor den Toren Eichstätts Oberministrant. Zum ersten Mal ins Ministranten-Gewand schlüpfte er schon vor acht Jahren, gleich nach der Erstkommunion. „Es ist wichtig, dass eine Pfarrei lebt, dass auch Jugendliche gerne kommen“, begründet er sein Engagement. Sein Freund Bastian Ziegler, den er seit der fünften Klasse kennt, ist ebenfalls Ministrant. Der 15-jährige  Eichstätter steht regelmäßig in St. Walburg am Altar. Hin und wieder hilft er zudem in St. Johannes der Täufer aus und vor allen Dingen ministriert er zusammen mit seinem Freund bei den Schulgottesdiensten in der Knabenrealschule Rebdorf.

Bastian Ziegler kann zupacken. Bei der Einrichtung des Jugendraums in St. Walburg bohrte er Löcher, schraubte er Möbel zusammen. Das Geld für Sofas und Tische hatten die Ministranten bei einem Kuchenverkauf eingenommen. Mit am Verkaufstisch saß damals auch Bastian. Seit sieben Jahren gehört er zur Ministrantengruppe und „mag die Gemeinschaft“. Es geht oft lustig zu, verrät er. Schon zweimal war er auf Wallfahrt in Rom mit dabei, das erste Mal als Teilnehmer und im vergangenen Jahr als sogenannter Hilfsbetreuer. „Da darf man länger aufbleiben.“ Doch das war nicht der einzige Unterschied zur ersten Reise. Mehr als eine Woche lang trug der Schüler Verantwortung für jüngere Ministranten, musste er aufpassen, dass keiner beim Gang durch die Stadt verloren geht: „Ich habe immer das Schlusslicht gemacht.“ Mit im Gepäck hatte Bastian seine Trompete und so spielte er mit Kollegen bei einem Gottesdienst in der Basilika San Paolo fuori le mura. Sein zweites Hobby ist die Musik: Als Mitglied in der Eichstätter Stadtkapelle nimmt er sich immer wieder Zeit für Proben und Auftritte.

Geschenke organisieren

Während der eine neben dem Ministrantendienst noch die Musik hat, dreht sich bei Christian Dannemann in der Freizeit vieles um die Jugendarbeit, die ihm am Herzen liegt. Er bereitet Filmabende vor, hilft bei der Planung von Ferienfreizeiten und Ausflügen, kümmert sich um Gruppenstunden. Anfang des Jahres klingelte bei ihm – trotz Ferien – in aller Frühe der Wecker, machte er sich um sieben Uhr auf zum Treffen der Sternsinger in seiner Pfarrei. Zwei Tage lang zog er mit Kindern und Jugendlichen los, um Spenden zu sammeln für notleidende Kinder in der Welt. Als kleines Dankeschön gab es für alle Beteiligten ein Pizza-Essen, dass er selber geplant und vorbereitet hat. Doch das macht ihm nichts aus. Er sei gerne mit dabei, erzählt er im Gespräch mit der Kirchenzeitung.

Als im vergangenen Jahr Pater Rolf Biegler Rebdorf verließ, lag die Planung der Abschiedsfeier und die Organisation des Geschenks ebenfalls in Christian Dannemanns Händen. Schon Wochen vor dem Termin stellte er nach den Gottesdiensten immer wieder seine Ministrantenkollegen vor die Kamera, machte er Fotos. Die landeten später in einem großen Album, dass Biegler mit an seinen neuen Wirkungsort, nach Salzburg, nahm. Das Geschenk zum 50. Geburtstag des Ortspfarrers Pater Michael Huber wäre ebenfalls ohne den Einsatz des Oberministranten nicht beim Jubilar gelandet. Auch hier organisierte Dannemann alles, sammelte Geld ein, bestellte ein Trikot des FC Bayern mit der Rückennummer 50.

Fußball steht auch im Mittelpunkt ihres nächsten gemeinsamen Projekts: Christian und Bastian sind im Planungsteam für das diözesane Ministranten-Fußballturnier. Bis am 7. Februar der Ball rollen kann, haben die beiden noch einiges vorzubereiten.

Gabi Gess, Wolfgang Schön und Andrea Franzetti
Kirchenzeitung Nr. 5 vom 1.
Februar 2015