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Die verlassenen Männer

Bruder Paulus Terwitte über Tischväter, Coolsein, Jesus den Krieger und die Finanzkrise

Priester und Bischöfe sind Männer. Da braucht es in der Katechese keine weiteren mehr. Eine These, die Kapuzinerpater Bruder Paulus Terwitte aufstellt und gleich im nächsten Satz wieder entkräftet. Es sind andere Gründe, warum Männer es in der Kirche nicht leicht haben, glaubt der 52-Jährige.

Am Freitag, 6. Juli, kommt Bruder Paulus nach Eichstätt zum Tag der Männer in der Willibaldswoche. Im Pontifikalgottesdienst mit Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB um 19 Uhr im Eichstätter Dom hält er die Predigt. Was es heißt, ein Mann zu sein, welche Probleme aber auch Chancen Männer in der Kirche haben – darüber sprach Bruder Paulus mit der KiZ.

KiZ:Zwischen welchen Terminen erreiche ich Sie gerade?

Bruder Paulus: Ich bin gerade wiedergekommen von einer Brüderversammlung und bereite mich darauf vor, wieder hier einzusteigen in die Seelsorge. Heute Abend habe ich zwei Gespräche, und es warten nach den Tagen der Abwesenheit die normalem Alltags-aufgaben als ‘Hausvater’ hier im Kloster in Frankfurt am Main.

In Polen und der Ukraine rollt gerade der Ball. Sind sie Fußballfan?

Bruder Paulus: Ich bin ein Fan von Leben, aber nicht so direkt von Fußball.

Sie kommen zum Tag der Männer in der Willibaldswoche. Wie wichtig ist so ein Tag?

Bruder Paulus: Ich glaube, es ist sehr wichtig, die Männer direkt anzusprechen, weil die Kirche stark geprägt ist von Frauen. Die Spiritualität hat in den letzten 30 Jahren einen Hang zum Weiblichen bekommen. Bilder wie: Jesus der Krieger, der Kämpfer, der Wütende, der Entscheider – all diese Dinge durften nicht vorkommen. Im Kommunionunterricht müssen wir uns alle an den Händen fassen und im Firmunterricht bekommen selbst 14-jährige Jungs meist von Katechetinnen erzählt, was Barmherzigkeit und Versöhnung ist. Dass es auch Zwietracht gibt, und dass Streit und Konflikt auch was Christliches sein können, steht nicht vorne dran im Themenplan der Katechese. Kein Wunder, dass vielen Männern von heute Jesus und der christliche Glaube eher als etwas vorkommt, was für Frauen ist.

Predigen Sie vor Männern anders als vor Frauen?

Bruder Paulus: Ich predige vor Männern anders als vor Frauen, weil ich natürlich der Sprache der Männer näher bin. Bei Frauen muss ich eher fantasieren, wie ich auch die weibliche Seele erreichen kann. Das hat aber auch Vorteile. Frauen kommen durch predigende Männer sehr viel schneller zum eigenständigen Denken.

Es gibt eine Gemeinschaft der katholischen Männer, eine Zeitschrift ‘Mann in der Kirche’ und auch eine Arbeitsstelle für Männerseelsorge in den Diözesen. Wie wichtig sind solche Angebote?

Bruder Paulus: Sie sind sehr wichtig, genauso wie es Frauenzeitschriften oder -kreise gibt, so brauchen wir auch Männerkreise. Ich bin der Überzeugung, dass im Gender-Zeitalter, wo man sich über die Rollenverteilung von Mann und Frau Gedanken macht, die Poligkeit von beiden ganz neu als Gottes Wille erkannt werden muss. Wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir diese Pole aufkündigen. Die Pole müssen sich fragen: Was ist eigentlich unsere Berufung? Da haben Frauen und Männer noch viel nachzuholen.

Religiöse Erziehung im Kindergarten wird von Erzieherinnen geleitet, bei der Kommunionvorbereitung sind überwiegend Tischmütter aktiv: Warum fehlen da die Männer?

Bruder Paulus: Man könnte die These aufstellen: Weil die Priester und Bischöfe alle Männer sind, machen die andere Arbeit Frauen. Das wäre aber viel zu kurz gegriffen. Meines Erachtens liegt es daran, dass – trotz der Priestermänner – dem ‘normalen’ Mann immer schwerer klar wird, warum er eine Kniebeuge machen soll oder was das Falten der Hände bedeutet. Jugendliche würden sagen: Das ist uncool. Es fehlt an Männervorbildern heute. Wir brauchen Männer, die sich trauen, den ekelhaften Manns-Zerrbildern ...

... was meinen Sie damit?

Bruder Paulus:  Man braucht ja nur auf die Straße  zu gehen und sich die Männer anzugucken. Da gilt oft nur: Man(n) muss nur noch schreien, blöken, saufen. Das sind alles degenerierte und kulturlose Formen der Männlichkeit, hinter denen aber eine ganz große Verlassenheit steckt. Dem jungen Mann, der zärtlich sein will, der hinhören will, wird gesagt: Das ist alles weibisch. Der falsche Begriff von Standfestigkeit führt zu abstoßenden Prahlereien: Wieviel Alkohol einer verträgt, wem er welche Gewalt angetan hat und auch, was man nicht alles schon mit welchen Frauen gemacht haben will. Was da als Männlichkeit sich gibt, dafür schäme ich mich als Mann.

Kann man als Mann in der Kirche auch cool sein?
Bruder Paulus: Man(n) kann cool sein indem man mit fünf Männern in einem Haus Brüderlichkeit lebt, Coolness könnte auch sein: Wir arbeiten als Hausmeister im Frauenhaus. Oder wir machen eine Jungsrunde zum Thema: Was ist eigentlich Liebe? Da gibt es viele tolle Sachen, wie man als Christ leuchten kann. Ich wundere mich immer wieder, das mir viele Männer sagen: Na ja, Religion ist ja Frauensache und Männer können nur was werden, wenn sie Frauenkleider tragen.

Sie schreiben auf ihrer Homepage: ‘Nur wer wahren Werten folgt, schafft Waren, die ihr Geld wert sind.’ Haben wir gerade all die Krisen, weil zu wenige Banker, Manger und Politiker diesem Prinzip folgen?

Bruder Paulus: Weil zu wenige Manager wie ein Mann gehandelt haben. Wir brauchen Männer die sagen: Es ist mir egal was ihr wollt. Ich mache da nicht mit. Die Finanzkrise ist ja zu 95 Prozent von Männern hervorgerufen worden. Andererseits sehe ich, wie etwa im  Bund Katholischer Unternehmer, oder in katholischen Arbeitnehmerverbänden alternative Lösungen für die wirtschaftlichen Fragen gesucht werden. Das ist ein wichtiger Bereich des Engagements von Männern, die Werte des Evangeliums und die tolle Herausforderung, ein Christ zu sein, zum Leuchten zu bringen.
    
Interview: Andrea Franzetti, Kirchenzeitung, Nr. 27 vom 1. Juli 2012