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Der Papst-Archivar

Aktueller kann kein Pressespiegel sein – die jüngsten Nachrichten über den zurückgetretenen Papst hat Karlheinz Flierl natürlich schon abgelegt: der Abschiedsgruß vom Fenster in Castel Gandolfo, der Abzug der Schweizer Garde.

In einem Kellerraum seines Hauses in Stein bei Nürnberg stehen Bücher und Ordner bis unter die Decke: Hier unten kann man Leben und Leidenschaften des umtriebigen und weitgereisten 76-Jährigen – alphabetisch und nach Sachgebieten wohlgeordnet – nachspüren: nichts aus der Welt-, Heimat-, Kunst- oder Kirchengeschichte, das man hier nicht fände. Bücher, Bildbände, Gehefte, Fotosammlungen, Kartenmaterial – und mittendrin, nicht erst seit sich die kirchen-historischen Ereignisse überstürzten, Flierls ganzer Stolz: eine umfassende Chronik des Pontifikats Benedikt XVI.

Dazu hat er bundesweit erscheinende Zeitungen, Lokalblätter und die Eichstätter Kirchenzeitung – die er unter vielen Gesichtspunkten geradezu „ausschlachtet“ – auf den Papst hin ausgewertet und die Berichte und Fotos, immer exakt auf DIN A 4-Format gebracht, chronologisch in Ordner und Mappen abgeheftet. „Ich bin ein Künstler am Kopierer“, erläutert er seine Methode. Sogar des unorthodoxen Layouts der Bild-Zeitung wird er mit abenteuerlichen Falttechniken Herr.

Am 18. April 2005, dem Tag der Wahl Benedikts, befand sich Karlheinz Flierl mit seiner Frau auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Wolga. Noch an Bord sammelte er alles Gedruckte über die Wahl, dessen er habhaft werden konnte und lies von Stund an nicht mehr locker. Dabei muss man sich den gelernten Schlosser, späteren Maschinenbautechniker und schließlich Beamten als ganz und gar gelassenen Sammler vorstellen. Der so vielseitig Interessierte betreibt seine unterschiedlichen Archive ganz ohne verbissenen Ehrgeiz, aber mit viel Liebe zum Detail. „Exakt muss sowas halt sein, wenn mans schon macht“, meint er.

Objekt der Begierde

Dass er sich gerade so um den deutschen Papst bemüht, hat mit seiner ehrlichen Bewunderung für diesen Mann und sein Werk zu tun. Auch wenn er damals vor acht Jahren gewettet hätte, dass der Ratzinger Papst wird, bleibt das Pontifikat für ihn doch ein historisches Wunder. Und das müsse man doch dokumentieren. Ob er das Objekt seiner archivarischen Begierde schon mal persönlich getroffen habe? Mehr oder weniger, meint Flierl: Vier Mal sei er in Rom gewesen in den letzten acht Jahren, aber bei keiner Audienz, bei den Besuchen des Papstes in Deutschland schaffte er es nicht zu einem der großen Gottesdienste. Nur zwei Vorträge des damals noch als progressiv geltenden Theologen Ratzinger im Nürnberger CPH erinnert er sich „in grauer Vorzeit“ besucht zu haben. Kein Gedanke an eine Karriere in Rom, geschweige denn an das Papstamt. Das Ende des Pontifikats Benedikt XVI. bedeutet übrigens keineswegs das Ende des Flierlschen Papstarchivs: dort wird fleißig weitergesammelt.

Michael Heberling, Kirchenzeitung Nr. 10 vom 10. März 2013