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Damit sie alle eins seien

Vom 18. bis zum 25. Januar findet die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ statt

Vom Atlantik bis zum Pazifik erstreckt sich Kanada, ein Land dessen Einwohner durch eine große Vielfalt an Sprachen – Französisch und Englisch sind die beiden Landessprachen, dazu kommen noch die Sprachen der indigenen Völker – und verschiedene Kulturen geprägt ist. Hier leben die sogenannten First Nations, das ist die Bevölkerung, die bereits vor dem Eintreffen der Europäer hier lebte, die Inuit, so bezeichnet sich die Urbevölkerung in der Arktis selbst, die Metis, die Menschen französisch-indigener Herkunft und Menschen aus allen Teilen der Welt, die in dem großen Land, das reich an landwirtschaftlichen Erträgen und Rohstoffen ist, eingewandert sind und das ihnen zur neuen Heimat wurde.

Ein reiches Land

Kanada ist nicht nur von einer großen Vielfalt an Sprachen, Kulturen und Traditionen geprägt, sondern viele Kanadierinnen und Kanadier sind auch stolz auf das kulturelle und sprachliche Erbe der Heimat ihrer Vorfahren. So wird auch der christliche Glaube in vielen verschiedenen Formen ausgedrückt. Denn viele Gläubige haben eigene Formen, ihren Glauben zu leben und Gottesdienst zu feiern, aus ihrer Heimat mitgebracht.

Die Texte und Materialien für die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2014 wurden dieses Mal von kanadischen Christen vorbereitet. Die Christen in Kanada möchten den Willen Jesu erfüllen, dass seine Jüngerinnen und Jünger eins seien. Vor diesem Hintergrund hat das Vorbereitungsteam über die provokative Frage des Paulus im ersten Korintherbrief „Ist denn Christus zerteilt?“ nachgedacht, die das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen ist, die vom 18. bis zum 25. Januar begangen wird. Ihre Überlegungen haben sie in einer Einführung in das Thema der Gebetswoche zusammengefasst.

Mit dieser Frage beginnt der Vers 13 des ersten Kapitels des ersten Korintherbriefs. Zu Beginn dieses Briefes hatte Paulus die Gläubigen daran erinnert, dass sie ein berufenes Volk sind. Sie alle seien in Jesus Christus geheiligt und zu Heiligen berufen, und zwar nicht jeder Einzelne isoliert und auf sich allein gestellt, sondern mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, anrufen.

Warum stellt Paulus den Gemeindemitgliedern in Korinth diese Frage? Weil er, wie in den Versen 11f nachzulesen ist, von den Leuten gehört habe, dass es in Korinth zu Streitigkeiten unter den Christen gekommen sei. Es hätten sich Gruppen gebildet, die sich jeweils auf einen großen Missionar, wie beispielsweise Paulus, Apollos oder Kephas, beriefen, der sie getauft habe. Zwischen diesen Gruppen wären Rivalitäten entstanden, die die Einheit der Gemeinde gefährdeten. Paulus weist die Korinther darauf hin, dass ihre auf die Taufe gegründeten Gruppenrivalitäten ein schwerer Irrtum seien, da die Taufe nicht trenne und unterscheide, sondern vielmehr die Einheit der Kirche begründe. Denn sie verbindet die Getauften mit dem einen Jesus Christus.

In ihrem Einführungstext schreiben die kanadischen Christen, dass sie sich bewusst seien, dass sie nicht immer bereit gewesen waren, sich an den Gaben Gottes zu freuen, die in anderen christlichen Gemeinschaften vorhanden sind. Wenn aber der Brief des Paulus in einem ökumenischen Geist gelesen werde, würde deutlicher bewusst, dass man sich ehrlich darüber freuen dürfe, dass Gott andere Christen und andere Völker gesegnet hat. Die ersten christlichen Missionare in Kanada hätten die Gaben und Einsichten der indigenen Völker oft gering geachtet und nicht erkannt, dass Gott auch sie gesegnet habe.

Dankbar für Vielfalt

Wir haben Grund zur Dankbarkeit, so die Kanadier weiter, für die Vielfalt der Völker und Glaubensformen in unserem Land. Es gebe in ihrer Geschichte zwar zahlreiche Beispiele dafür, dass sie nicht in gegenseitiger Achtung und Unterstützung gelebt hätten, aber sie wüssten, dass Zusammenarbeit und das Streben nach Frieden in Kanada und in der Welt das Fundament seien, auf dem ihr Land aufgebaut sei.

Dass sie die Segnungen der Natur als Gottesgaben genießen dürften, werde zu oft als selbstverständlich erachtet, und es falle ihnen schwer, ein Gleichgewicht zwischen dem Wunsch nach Wohlstand und der Bewahrung dieser Segnungen herzustellen. Ebenso falle es ihnen schwer, die Werte zu verwirklichen, von denen gesagt werde, dass sie allen Menschen wichtig seien.

Dann fragen die Kanadier direkt ihre Mitchristen weltweit, wofür sie in ihren Kirchen, ihrem Umfeld, ihrem Land danken? Wo haben sie Erfahrungen mit den spirituellen und/oder materiellen Gaben gemacht, die Gott anderen, Christen und Nichtchristen, in ihrem Umfeld geschenkt hat?

Paulus hat nichts dagegen einzuwenden, dass sich Gemeinschaften an starken Führungspersönlichkeiten orientieren, aber die Identität einer Gemeinschaft soll in Christus verwurzelt sein. Er ermahnt die Leserinnen und Leser seines Briefes und die Gemeinde in Korinth, einmütig zu sein.

Meint also Paulus, dass sie alle auf dieselbe Weise Gottesdienst feiern und ihr Verhalten einander angleichen sollen? Das nicht! Die Verse im Korintherbrief sind kein Aufruf, sich von der Leitung des Paulus, Apollos oder Kephas abzuwenden. Wenn wir aber die Gaben Gottes achten, die anderen verliehen sind, kommen wir einander im Glauben und im gemeinsamen Auftrag näher und begeben uns auf den Weg zu der Einheit, um die Christus gebetet hat. Gleichzeitig bewahren wir Respekt vor den unterschiedlichen Formen, mit denen Christen Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben.

Das Ziel ist die Einheit

Unsere Einheit ist in Christus begründet. Unser Leben und unser Heil verdanken wir ihm. Gleich-zeitig gehören wir aber alle zu einer bestimmten Gruppe. Auch unsere Ortsgemeinde stärkt unseren Glauben und begleitet uns auf dem Weg der Nachfolge. Weder für Paulus noch für uns steht dabei allerdings im Vordergrund, dass dies in einer ganz bestimmten Gemeinschaft geht. Vielmehr muss die Verkündigung der frohen Botschaft im Vordergrund stehen, das Evangelium, auf das wir selbst mit Glauben und Freude geantwortet haben und das wir weitergeben sollen.

Paulus fordert uns auf, uns selbstkritisch zu fragen: Haben wir in Christus eine frohe Botschaft füreinander, oder fördern wir ausgerechnet im Namen Christi Spaltungen, durch die wir – mit den Worten des Paulus – das Kreuz Christi um seine Kraft bringen?

Was können wir tun?

Im Widerspruch zu vielen ermutigenden Beispielen auf dem Weg zu der Einheit, die Christus für uns will, erhalten auch wir Spaltungen und Uneinigkeit aufrecht, die der Verkündigung des Evangeliums schaden. Gerade heute brauchen wir Zeuginnen und Zeugen aus allen Kirchen und ihren Dienst der Versöhnung und Einheit. Denn wenn wir solchem Zeugnis Raum geben, können wir dazu beitragen, dass die paulinische Vision einer Gemeinschaft, die in Christus ganz eines Sinnes und einer Meinung ist, Realität werden kann.

Als Ergebnis dieser Überlegungen halten die Kanadier fest: „Wenn wir uns die Vielzahl an Segnungen und Gaben Gottes vor Augen führen, die in unserem Land und unseren Völkern offenbar sind, wird uns bewusst, dass wir einander und dem Land, das unsere Lebensgrundlage ist, Würde zugestehen und Achtung entgegenbringen müssen. Diese Einsicht stellt uns vor die Aufgabe, unsere Schuld zu bekennen und Buße zu tun und nach neuen, nachhaltigen Formen unseres Umgangs mit der Erde zu suchen. Sie schärft unser Bewusstsein dafür, dass Gott uns alle gesegnet hat und dass über die Nutzung der Ressourcen eines Landes nicht einzelne Gruppen entscheiden können, sondern dass alle im jeweiligen Land lebenden Menschen gehört und beteiligt werden müssen.“

vb/kk, Kirchenzeitung Nr. 3 vom 19. Januar 2014