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Crashtest-Programm im Dom

Glockenkompetenzzentrum Kempten nimmt Eichstätter Geläut unter die Lupe

Einen Lötkolben und einen Meterstab hatten Michael Plitzner und Benedikt Grammer bei der Besteigung der Türme des Eichstätter Doms mit dabei: einfache Technik, Hilfsmittel für ihre Untersuchungen an den Glocken. Ihr eigentliches Gepäck aber bestand aus Hightech-Geräten, aus sensiblen Mikrofonen, Beschleunigungssensoren und auch einem Computer. Drei Tage lang waren die Mitarbeiter des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken der Hochschule Kempten im Bistum Eichstätt unterwegs, zunächst in Kastl und anschließend in Eichstätt.

Diagramme im Labor

Fünf Glocken des Domgeläuts nahmen sie genauer unter die Lupe. Diplom-Ingenieur Plitzner verkabelte dabei unter anderem die Marienglocke aus dem Jahr 1299. Vor einem Jahr waren mehrere der 18 Domglocken saniert worden (die KiZ berichtete). Ausgehend von umfangreichen Untersuchungen hatten einige Glocken neue Klöppel, neue Läutemotoren und restaurierte Joche erhalten. Ziel der umfangreichen Revision damals: die Belastung der Glocken zu reduzieren und bessere Klänge erzielen. Ob das Ziel erreicht wurde, wollten Plitzner und sein Assistent Grammer nun überprüfen.

Immer wieder läuteten in diesen Tagen außerplanmäßig einzelne Glocken, brachten die Techniker das Geläut mit dem Motor oder von Hand in Schwung, um Daten zu sammeln. In der Glockenstube platzierten sie ein kleines Richtmikrofon in genau demselben Abstand zur Glocke wie bei der ersten Messung vor vier Jahren (daher der Meterstab). Am Klöppel befestigten sie einen Beschleunigungssensor und von außen an der Glocke brachten sie einen Dehnungsmessstreifen (daher der Lötkolben) an. Alles Geräte und Software die auch im Maschinen- und Automobilbau zum Einsatz kommen, erläuterte Plitzner. Die Programme und Messapparate würden für Crash-Tests und Materialprüfungen verwendet.

Von allen Messpunkten aus führten Kabel zu einem Rechner, der die Daten sammelte. Im Labor an der Hochschule in Kempten erfolgt später die eigentliche Auswertung der Daten und der Vergleich zu den vorherigen Messungen. Doch bereits nach den ersten Untersuchungen zeigte sich Plitzner zufrieden. Es gäbe wohl „nur noch minimalen Optimierungsbedarf“ im Bereich der Läutemaschine. Eichstätts Glockensachverständiger Thomas Winkelbauer lobte den neuen Klang und das viel harmonischere Läuten nach der Revision. Der Aufwand habe sich gelohnt, sowohl in finanzieller als auch in untersuchungstechnischer Hinsicht. Von den Ergebnissen der Messungen am Dom würden auch andere Kirchen im Bistum profitieren. Die Messergebnisse ließen sich besonders für die Berechnung der Klöppel und Anschlagwinkel nutzen.

Zwölfuhrläuten

Das sanierte und neu eingestellte Geläut des Doms ist am Donnerstag, 15. August, um 12 Uhr im Radio zu hören. Die Sendung „Zwölfuhrläuten“ auf Bayern 1 kommt an Maria Himmelfahrt aus der Domstadt.

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 32/33 vom 11./18. August 2013