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Christentum – praktischer Teil

In Pfünz wich die Skepsis gegenüber Asylbewerbern bald Interesse und Hilfsbereitschaft

Rajmon Sumaja wollte seinem kleinen Sohn Etmar eine Kindheit ersparen, wie er sie hatte. Der junge Familienvater stammt aus dem Irak und hat von klein auf Gewalt und Tod erlebt: zwei Golfkriege und den Krieg gegen die USA. Jetzt sind die Kämpfe eingestellt, aber für Rajmon ging die Angst weiter. „Wenn du als Christ im Irak lebst, hast du ein großes Problem“, stellt der 32-Jährige, der gut Englisch spricht, nüchtern fest.

Anschläge auf Kirchen und Überfälle auf Christen ereignen sich meist in Großstädten wie Kirkuk, wo Sumaja zuletzt mit seiner Familie lebte. „Es ist gefährlich, wenn sie dich aus der Kirche kommen sehen“, verweist er auf die Bedrohung durch islamische Extremisten. Den Sohn einfach auf die Straße zum Spielen zu schicken, hätten die Eltern nicht gewagt. So fassten sie den selben Entschluss wie Hunderttausende irakischer Christen vor ihnen und verließen ihre Heimat.

Eine andere Welt

Gelandet sind sie in einer völlig anderen Welt – im kleinen, idyllischen Pfünz bei Eichstätt, wo sie sich mit etwa einem Dutzend weiterer Asylbewerber eine Unterkunft teilen. Asylbewerber nach Pfünz – diese Nachricht, mit der die Einheimischen vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, habe „momentan schon für Irritationen gesorgt“, erinnert sich der Pfünzer Mesner und Kirchenpfleger Anton Hagl (78). „Als aber dann bekannt wurde, dass hauptsächlich Familien herkommen, hat sich das schnell aufgelöst“.

Berührungsängste verschwanden nach ersten Gesprächen über den Gartenzaun. Einmal zum Beispiel ging Hagls Ehefrau mit dem Enkel im Dorf spazieren. Vor der Asylbewerberunterkunft traf sie die Mutter des fünfjährigen Irfan. Weil Kinder immer ein gutes Gesprächsthema sind, begannen die zwei Frauen eine Unterhaltung mit Händen und Füßen. „Dabei hat meine Frau erfahren, dass der Bub so gerne unter Kindern ist“, erzählt Hagl.

Nun geht der muslimische Junge seit ein paar Wochen in den katholischen Kindergarten in Pfünz. „Am Anfang unterhielten wir uns noch in Zeichensprache, jetzt antwortet er auf Fragen schon mit Ja“, erzählt Leiterin Maria Scherer.Schnell Deutsch zu lernen, das steht momentan für die Neu-Pfünzer aus Afghanistan, Iran und Irak im Vordergrund, während sie auf die Anerkennung ihres Asylantrags warten. „Wir haben ja immer frei“, versucht Irfans Mutter Maria Kurbani, die in Afghanistan zur Welt kam und als Kind mit den Eltern nach Pakistan floh, die Situation mit Humor zu nehmen, obwohl der ausgebildeten Lehrerin nicht zum Lachen zumute ist. Mit Hilfe von Schleppern in Richtung Europa geflüchtet, wurden sie und ihr Mann unterwegs getrennt.

Ihn verschlug es mit dem älteren Sohn (9) nach Griechenland, wo er nun auf die Anerkennung seines Asylantrags (diesen müssen Flüchtlinge im ersten EU-Land stellen, dessen Boden sie betreten) wartet. Maria wünscht sich sehnlich ein Laptop, mit dem sie ihre Lieben wenigstens übers Internet sehen und sprechen könnte. Rajmon Sumaras Gedanken hingegen kreisen bereits um eine künftige Wohnung für die Familie im Raum Eichstätt.[...]

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 51 vom 16. Dezember 2012