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„Bei uns haben alle ihren Platz“

Ausstellung „Alle inklusive“ als Schluss- und Höhepunkt des Projekts der Behindertenpastoral

Sie sind nicht mehr wiederzuerkennen, die schlichten Stühle aus Kiefernholz, die vor gut einem halben Jahr bei einem Gottesdienst im Eichstätter Dom übergeben wurden an Vertreter von Pfarrgemeinden oder Vereinen und an Behinderteneinrichtungen (die KiZ berichtete). Sie wurden mit Stoff überzogen, mit Pappmaché ver-kleidet, auf Podeste montiert und erstrahlen in kunterbunten Farben.

Nicht weniger strahlt der Hauptverantwortliche für die Aktion, der gleich in der ehemaligen Johanniskirche am Eichstätter Domplatz die Ausstellung „Alle inklusive?“ eröffnen wird: Pfarrer Alfred Grimm, Leiter der Behindertenpastoral im Bistum Eichstätt. Seit 2011 wird er unterstützt von vier Inklusions- und Seelsorgebeauftragten, die ihren Sitz in verschiedenen Regionen des Bistums haben und die die Vorbereitung der Kunstausstellung „Alle inklusive“ mitgetragen haben. Das Projekt „war für uns als neue Dienststelle schon eine Art Feuertaufe“, meint Grimm. Die Ergebnisse, die nun eine Woche lang in der Johanniskirche zu betrachten  sind, „haben meine Erwartungen weit übertroffen“, freut er sich.

Die Stuhl-Aktion unter dem Motto „Mein Platz in der Kirche“, bei der Pfarreien gemeinsam mit Menschen mit Behinderung überlegten, wo und wie sie füreinander einen Platz gestalten können, war begleitet von einem zweiten Kreativprojekt unter dem Leitwort „Gott und der Mensch“. Dabei sollten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Kunstobjekte zum Thema Gottesbild und Menschenbild anfertigen. Für beide Aufgaben fanden sich bistumsweit je etwa zehn Teams.

Einige von ihnen stellen ihre Arbeit bei der Ausstellungseröffnung vor. So berichtet etwa Gemeindereferentin Elisabeth Löhlein aus der Ingolstädter Pfarrei St. Pius von einer Idee, die die Firmlinge in die Tat umsetzten: Sie überzogen einen Stuhl mit dem gleichen Stoff, mit dem auch die Kirchenbänke in St. Pius bespannt sind, und brachten damit zum Ausdruck: Ihr gehört dazu, seid Teil unserer Gemeinde. Umgekehrt gestalteten Menschen mit Behinderung einen Stuhl für die Pfarrei St. Pius, der über und über mit bunten Handabdrücken versehen ist. Sie leben in der Dr. Wilhelm Reissmüller-Wohnstätte der Ingolstädter Lebenshilfe und kommen regelmäßig zum Pfarrgottesdienst in St. Pius. „Im Rahmen unseres Pfarrfests werden die Stühle übergeben“, kündigt Löhlein an.

Auch Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) waren mit von der Partie: In Zusammenarbeit mit der Eichstätter Caritas-Tagesstätte Lichtblick für psychisch kranke Menschen und dem Caritas-Kinderdorf Marienstein gestalteten sie ein Kunstobjekt in Glasmaltechnik. Das Thema Inklusion sei für die angehenden Lehrer „brandheiß“, verweist Edgar Mayer vom Lehrstuhl für Grundschulpädagogik darauf, dass Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf seit 2011 gesetzlichen Anspruch auf den Besuch einer Regelschule haben.

Der Präsident der KU, Professor Richard Schenk, ist selbst bei der Ausstellungseröffnung dabei und betont: „Das Thema Inklusion ist an der KU ein wichtiges Thema“, zu dem geforscht werde und Ideen entwickelt würden. Ein Kurs in Gebärdensprache, den Pfarrer Grimm für Studierende anbot, stand bereits auf dem Programm.

Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB dankt in seiner Ansprache dem Leiter der Behindertenpastoral, der die Anliegen der Inklusion in den Pfarreien „wie ein Fackelläufer ins Ordinariat und ins Bischofshaus trägt“. Er verweist auf das Wort der deutschen Bischöfe „unBehindert Leben und Glauben teilen“, das vor zehn Jahren erschien. Es fordere alle Christen auf, „sich einzumischen und für die Würde und Rechte von Menschen mit Behinderung zu kämpfen“.

Eine Umfrage der diözesanen Dienststelle „Pastoral für und mit Menschen mit Behinderung“ habe ergeben, dass Menschen mit Behinderung darunter litten, immer nur von ihrer Behinderung her gesehen zu werden. Sie wünschten sich, nicht Objekte der Seelsorge zu sein sondern Partner, Fachleute in eigener Sache. Nicht nur in baulicher und technischer Hinsicht gelte es Barrieren abzubauen, sondern auch in den Köpfen.

Dies ist auch das Anliegen des Sachausschusses Behindertenpastoral im Eichstätter Diözesanrat, der vor zehn Jahren entstand. Die stellvertretende Vorsitzende Agathe Herrmann-Schmidt hält bei der Ausstellungseröffnung eine berührende, persönliche Rede. Sie erzählt darin, wie sie einst als junge, hochmotivierte Lehrerin an einer Gehörlosenschule einen Elternabend hielt und dann von einem gehörlosen Vater gesagt bekam: „Ich habe zu Ihnen kein Vertrauen, weil Sie nicht gehörlos sind.“

Zunächst sei sie irritiert, ja gekränkt gewesen, „aber kurz darauf begegnete mir ein Wort aus dem Korintherbrief: ‘Allen bin ich alles geworden’. Und da hab’ ich plötzlich die Vorbehalte der Gehörlosen verstanden: Es genügt nicht, sich in einen Stuhlkreis zu setzen und jedem einen Platz zu geben, sondern es braucht einen Prozess, sich gegenseitig mit neuen Augen zu sehen“. Irgendwann, so ihre Hoffnung, „sind wir vielleicht auch in der Lage, die Plätze zu tauschen“.         

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 25 vom 23. Juni 2013