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Nicht der Versuchung des Pessimismus verfallen

Die Äbtissin der Benediktinerinnenabtei St. Walburg in Eichstätt ist 30 Jahre im Amt

„Ach, 30 Jahre, das is doch garnix, 25 feiert man und 50, aber 30 ...“, sagt Schwester Maria Anna Franziska Salesia Kloos, die Äbtissin des Eichstätter Benediktinerinnenklosters schon am Telefon. Sie verweigert das „Interview“ zum bevorstehenden „runden“ Jubiläum ihrer Äbtissinenweihe vor 30 Jahren nicht, aber aus dem klassischen Frage-Antwort-Spiel wird dann im Sprechzimmer der Abtei unversehens ein ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Privatissimum, Thema: Tugenden.

Ob sie um ein Urteil über die Lage der Gesellschaft oder der Kirche gebeten, oder zum geistlichen Leben befragt wird, ob Rückblick oder Ausblick, immer wieder fällt das Wort „discretio“. Diese  „Mutter aller Tugenden“ spielt in der Regel des heiligen Benedikt eine herausragende Rolle, es geht um die Fähigkeit der Unterscheidung, das Erkennen des rechten Augenblicks, um das Einhalten von Maß und Linie, um Rücksichtnahme.

Die maßvolle Unterscheidung darf man als Maxime der Amts-führung von Mutter Franziska bezeichnen. Die grundsätzliche benediktinische Haltung des Hörens – ihr Wahlspruch lautet „Hören will ich, was Gott redet“ – und ihr bodenständig-pragmatisches und humorvolles Wesen dürften zusätzlich hilfreich dabei sein, eine Gemeinschaft mit 31 Schwestern geistlich zu leiten, aber auch wirtschaftlich zu managen.

Maßhalten, nicht ins Extrem gehen, nicht einseitig werden, links- oder rechtslastig, sondern die Mitte suchen und einhalten, das beherzigt die Äbtissin im praktischen Alltag, wie im geistlichen Leben, beim Gebet. Nicht auftrumpfen, sich nicht überfordern, es gehe vielmehr darum, „zu schauen, was der Einzelne, was der Konvent kann“. Sie hat was gegen Getue, unnötigen, übertriebenen Aufwand, puren Aktivismus: „Man soll nicht immer tun, sondern sein.“

Will man etwas wissen von ihrer Erfahrung als Frau mit Amt und Macht in der Kirche sagt sie kurz: „Machtpolitisch ist da nix zu holen“, und lacht lange. Es sei ein Amt, ohne Frage, aber ein Dienstamt: Mitschwester, Mutter und Oberin, worin sich Verantwortung und Verpflichtung ausdrücke, nicht Privileg.

In den drei Jahrzehnten, in denen sie Äbtissin ist, seien 30 Frauen eingetreten, knapp die Hälfte sei geblieben. „Das ist viel“, sagt sie ohne falschen Stolz. Und sie gesteht: „Die zwölf ewigen Professen in dieser Zeit „waren die Höhepunkte meiner Amtszeit“. Was den Nachwuchs angeht, müsse man letztlich in Demut warten und darum beten: „Berufungen sind nicht zu machen, Nachfolge ist ein Geschenk, eine Gnade.“ Dennoch erkenne sie „in dieser sehr weltlich orientierten Gesellschaft eine oftmals stille Wertschätzung für den Ordensberuf, aber für einen persönlich ist es halt meist weit weg“. Sie sieht den gesellschaftlichen Wandel, „aber der Geist Gottes ist zu spüren, die Kirche ist nicht am Ende, die Orden nicht am Aussterben“. Sie habe gottlob ein „glückliches Temperament“, sei optimistisch: „Wenn ich an Gott glaube, an seine Führung, an das Wehen des heiligen Geistes, wenn ich die Gluten des Pfingstfestes lebendig sehe – und sie sind nicht erloschen – , dann können wir nicht der Versuchung des Pessimismus verfallen.“

Heuer wird Mutter Franziska ihren 74. Geburtstag feiern. Auf die unvermeidliche Frage nach der Altersgrenze für Ordensobere antwortet sie, mit 70 könne man in Ehren gehen: „Ich habe etwas angehängt, werde aber sicher nicht bis 80 im Amt sein.“ Exakt festlegen will sie sich da nicht – wir haben unseren Besuch zum 35-Jährigen schon mal angemeldet.

Michael Heberling, Kirchenzeitung Nr. 17 vom 26. April 2015