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Binde deinen Esel fest

Ein junger Mann erzählt mir, warum er nicht mehr an Gott glaubt: „Das war im Studium. Ich stand vor wichtigen Prüfungen, und da hab ich mir gedacht: Jetzt schaust du mal, was dein Gott draufhat. Also hab ich nichts gelernt und stattdessen zu Gott gebetet, dass er mich die Prüfungen bestehen lässt. Ich bin mit Pauken und Trompeten durchgerasselt. Einen Gott, der mir nicht hilft, brauche ich nicht.“ Dem Mann habe ich folgende Weisheitsgeschichte aus dem Islam ans Herz gelegt:
Die Gläubigen kamen in Scharen, um die Worte Mohammeds zu hören. Ein Mann hörte besonders aufmerksam zu, betete inbrünstig und verabschiedete sich schließlich von Mohammed. Kaum war er draußen, kam er wieder zurück gerannt und schrie: „O Herr! Ich ritt auf meinem Esel zu dir, um dich, den Propheten Gottes, zu hören. Jetzt ist der Esel nicht mehr da. Weit und breit ist kein Esel zu sehen. Ich achtete auf jedes Wort deiner Rede und vertraute auf Gottes Allmacht. Jetzt ist mein Esel fort. Ist das die Belohnung meines Glaubens? Ist das der Dank für meine Gebete?“ Mohammed antwortete mit einem gütigen Lächeln: „Glaube an Gott – und binde deinen Esel fest.“

Text: Matthias Blaha, Pfarrer in St. Anton, Ingolstadt

Geschichte nach N. Pereschkian: Der Kaufmann und der Papagei. Orientalische Geschichten in der Positiven Psychotherapie. Fischer Taschenbuch Verlag 322012, 43.

Erscheinungsdatum: 26. Februar 2014