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Langsam ist auch eine Geschwindigkeit

Ich stehe an der Rezeption der Jugendherberge und will die Unterkunft für meine Jugendgruppe bezahlen. Weil ich die EC-Karte aus dem Geldbeutel nehme, hält mir der Herbergsvater das Kartenlesegerät hin und sagt: „Zieh’s durch!“ – Ich lasse die Karte durch den Schlitz des Geräts gleiten, und das zeigt mir an: „Kartenfehler“.
„Immer das Gleiche mit dem G’lump“, knurrt der Herbergsvater und drückt eine Taste auf dem Gerät. Dann fordert er mich mit einem Nicken in Richtung der EC-Karte in meiner Hand auf: „Zieh’s durch – je schneller, umso besser!“ Ich gehorche – und siehe da, jetzt lese ich auf dem Display: „Transaktion in Bearbeitung“ und anschließend „Zahlung erfolgt“.

„Zieh’s durch – je schneller, umso besser!“ Für meine EC-Karte war dieser Tipp gut. Für mein Leben hingegen möchte ich ihn nicht übernehmen.
Gerade jetzt in der Urlaubszeit will ich mein Leben nicht möglichst schnell durchziehen, sondern mir ganz bewusst Zeit nehmen für das, was im Arbeitsalltag oft wenig Platz findet, obwohl es mir gut täte: Lange schlafen, Bücher lesen und spazieren gehen,
also das Lebens-Tempo mal ein bisschen zurücknehmen.

Dies empfiehlt auch ein Sprichwort aus Kenia; es lautet: „Pole pole ndiyo mwendo“ – Langsam ist auch eine Geschwindigkeit.

Text:Matthias Blaha, Pfarrer in St. Anton, Ingolstadt

Erscheinungsdatum: 31. Juli 2013