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Exerzitienreferat

In der Natur den eigenen Sehnsüchten nachspüren - Wanderexerzitien im Altmühltal locken Menschen aus ganz Deutschland an

Eichstätt/Beilngries. (pde) - Die Routen sind mit Sorgfalt ausgewählt und sportlich durchaus anspruchsvoll: Rund 17 Kilometer legen die Wanderer pro Tag zurück. Im Gepäck haben sie außer Brotzeit und Trinkflasche auch einen Zettel. Manchmal steckt ihn der Wanderer in die Hosentasche, damit er während des Laufens einen Blick darauf werfen kann. Auf dem Zettel steht ein Stichwort, ein Gedanke, ein Bibelvers. Er soll den Wanderer persönlich ansprechen und ihn den Tag über begleiten, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt. „So verschieden wie die Leute sind, so verschieden sind die Gedanken, die sie bewegen“, erklärt Pfarrer Dr. Michael Kleinert, der Leiter des Exerzitienreferats der Diözese Eichstätt. Das Referat, das im Bistumshaus Schloss Hirschberg bei Beilngries seinen Sitz hat, bietet seit fünf Jahren Wanderexerzitien an.

Der Andrang ist enorm: Der Kurs findet zweimal im Jahr statt, jeweils vier Tage über Christi Himmelfahrt und Fronleichnam. „Jedes Mal gibt es Wartelisten“, erzählt die Pastoralreferentin Christina Noe, die gemeinsam mit Kleinert die Teilnehmer betreut. „Wir könnten mehr Kurse anbieten, aber zeitlich ist das momentan nicht möglich.“ 14 Plätze gibt es pro Kurs. Die Teilnehmer kommen aus der Diözese, aber auch aus Berlin, Kiel, Hannover. „Da staunen wir selbst, welche Anfahrtswege die Leute in Kauf nehmen“, sagt Kleinert. „Aber die Leute sind hier ganz glücklich.“ Zwischen 30 und 60 Jahre sind die Teilnehmer in etwa alt. Hausfrauen und Berufstätige mit anstrengendem Job sind ebenso darunter wie Studenten und Pensionäre. „Es ist ein Kurs, bei dem sich auch Männer angesprochen fühlen“, berichtet Kleinert. „Die suchen die sportliche Herausforderung.“ Es kommen religiöse Menschen, „aber auch Leute, die mit der Kirche nichts am Hut haben“, erzählt die Pastoralreferentin Christina Noe. Manche sind erschöpft und wollen neue Kraft tanken. Andere brauchen Hilfe bei einer Entscheidung oder stecken in einer Lebenskrise. „Manche schreiben ein richtiges Tagebuch in diesen Tagen“, berichtet der Pfarrer.

Jeder Tag beginnt um 7.30 Uhr mit einer gemeinsamen Gebetszeit in Stille. Um 8 Uhr folgt das Morgenlob, dann das gemeinsame Frühstück. Um 9.30 Uhr, nach dem Zubereiten eines Lunchpaketes, trifft sich die Gruppe an der Brücke vor dem Schloss und startet los. Kurz zuvor gab es noch einen Tagesimpuls, so mancher Zettel wandert in die Hosentasche. Start- und Endpunkt sind jeden Tag gleich, die Routen ändern sich. Gewandert wird schweigend. „Das Schweigen wird von den Teilnehmern als sehr wohltuend empfunden“, sagt Kleinert. „So kann man am besten seinen Wünschen und Sehnsüchten nachspüren.“ Rund um das Schloss bieten sich zauberhafte Touren an: Die Teilnehmer wandern durch gelbe Rapsfelder, durch das frische Laub eines Buchenwaldes. Sie gehen im Gänsemarsch durch Butterblumen zu einer Quelle, besteigen Anhöhen und genießen den weiten Blick übers Altmühltal. Ausgewählt werden ausschließlich Routen, die von anderen Urlaubern wenig begangen werden.

Der Pfarrer und die Pastoralreferentin gehen am Schluss der Gruppe, sie stehen für Begleitgespräche zur Verfügung. Sie sind für die Teilnehmer Pflicht und dauern etwa 15 Minuten. Es geht um Lebens- und Glaubensfragen. „Es können Worte der Dankbarkeit sein oder Empfindungen, die einen während des Laufens berühren“, erzählt Noe. „Manchmal geht es um eine Entscheidung, die ansteht oder um eine Veränderung im Leben nach dem Motto: Wohin gehe ich?“ Die Natur sei für viele ein deutlicher Hinweis auf Gott. „Die Natur öffnet die Menschen für Fragen, die ihnen wichtig sind.“

Bereits am ersten Abend, wenn alle Teilnehmer angereist sind, geht es nach einer Vorstellungsrunde hinaus in die Natur. Ein Gebet oder ein Bibelwort genügt als Impuls, dann setzt sich jeder Teilnehmer 15 Minuten lang still in ein Feld. Schloss Hirschberg liegt auf einer Anhöhe, der Blick wandert weit übers Tal. „Da kommen viele Menschen schon auf ihr Thema“, berichtet Kleinert. Wenn es dann im Halbdunkeln zurück zum Schloss geht, haben die meisten Teilnehmer den Einstieg für die bevorstehenden vier Tage schon geschafft.

Ziel der Wanderexerzitien ist es, die Gedanken, die während dieser Zeit gereift sind, in den Alltag mitzunehmen. „Die Teilnehmer erleben während der vier Tage Gott als jemanden, der mit ihnen mitgegangen ist. Gott hat sie begleitet“, sagt Kleinert. „Sie trauen ihm, auch wenn sie wieder zu Hause sind. Das ist der eigentliche Wert der Exerzitien.“ Die Kursbesucher formulieren es freilich anders. „Bei mir ist etwas ins Rollen gekommen“, sagte schon mal ein Teilnehmer beim Schlussgottesdienst. „Ich bin freier geworden“, eine Teilnehmerin. „Gott hat mir Hausaufgaben mitgegeben“, so formulierte es eine Dritte. Das Schöne dabei war, so erzählt Pfarrer Kleinert: „Sie klang dabei gar nicht unzufrieden.“

Beitrag im Pressedienst der Diözese Eichstätt vom 3. Juni 2008