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Grundworte zur Exerzitienspiritualität

"Aus der Mitte leben"

Teil 7: Von Freund zu Freund

aus: Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt, Nr. 30, 25. Juli 2004.

„Freunde fürs Leben“ heißt eine Fernsehserie im ZDF. Die Reihe wurde zum Publikumshit. Erstmals stand das Thema Freundschaft im Mittelpunkt einer Familienserie. Und der Titelsong stürmte innerhalb kürzester Zeit die Hitparaden. Er drückt aus, warum sich viele Menschen eine Freundschaft wünschen: „You never walk alone“. Du bist niemals allein unterwegs. Wer einen Menschen hat, dem er ganz vertrauen kann, der weiß: Eine gute Freundschaft ist ein echtes Geschenk.

Das Geschenk einer echten Freundschaft darf es aber nicht nur zwischen Menschen geben. Auch Gott will zum Freund werden. Die Bibel sagt das immer wieder. Sie spricht von Gott als „Freund des Lebens“ (Weish 11,26). Sie nennt Abraham einen „Freund Gottes“ (Jak 2,23). Und sie erzählt, dass Jesus von der einzigartigen Beziehung spricht, die zwischen Gott und den Menschen bestehen kann. Jesus benutzt dafür nicht nur das Bild vom Vater, der seine Kinder liebt. Er vergleicht diese Beziehung ausdrücklich mit einer Freundschaft. Wer zu Gott betet, der klopft bei einem Freund an (vgl. Lk 11,5-8), erklärt Jesus seinen Jüngern. Und er versichert: Es lohnt sich, auf die Freundschaft Gottes zu bauen.

In Exerzitien spielt die Freundschaft mit Gott eine wichtige Rolle. Der heilige Ignatius von Loyola gibt immer wieder den Tipp, sich Gott als Freund vorzustellen. Wer betet, soll mit Gott sprechen „so wie ein Freund zu einem Freund spricht“, schreibt Ignatius. Für manchen ist das eine richtige Entdeckung. Denn wenn Gott ein Freund ist, dann bedeutet das: Es kommt nicht darauf an, schöne Worte zu machen. Ich muss nicht zuerst lange überlegen, wie ich etwas vor Gott ausdrücke. Ich kann offen und ehrlich vor Ihm sein. Und weil Gott wie ein Freund ist, darf ich davon ausgehen, dass Er mich versteht. Selbst wenn es mir schwer fällt, über etwas zu reden. Ein echter Freund hört schon an der Stimme, wie es mir geht. Er spürt, in welcher Verfassung ich bin. Auch wenn ich Hemmungen habe, darüber zu sprechen. Immer wieder machen in Exerzitien Teilnehmer diese Erfahrung. Eine Frau sagt zum Beispiel: „Mit Gott als Freund zu sprechen, ist mir gar nicht schwer gefallen. Auf einmal war er mir ganz nahe.“ Eine Jugendliche erzählt: „Das war für mich ganz neu. Ich habe gar nichts sagen müssen. Denn wenn Gott wie ein Freund ist, dann versteht er mich auch, wenn ich nichts spreche. Ich wollte einfach vor ihm da sein.“ Und ein dritter sagt: „Ich habe Gott ein Bild gemalt. Das sagt mehr als viele Worte.“

In diesen Aussagen steckt eine Freiheit. Sie wächst aus der Begegnung mit Gott. Bis zu vier Mal am Tag nehmen sich die Teilnehmer in Exerzitien eine Stunde Zeit zu Gebet und Betrachtung. Sie lassen sich auf ein Bild ein oder von einer Bibelstelle ansprechen. Immer steht am Ende das Gespräch mit Gott. Oft merken die Teilnehmer im Verlauf ihrer Exerzitien, dass sie mit Gott immer vertrauter werden. Sie beginnen zu ahnen: Er meint mich ganz persönlich. Dann wird das Wort vom Freund lebendig. Das Gespräch mit Gott kann zum Zwiegespräch werden.

Mancher Teilnehmer darf dabei sehr deutlich spüren: Die Freundschaft mit Gott ist nicht einseitig. Sie beruht auf Gegenseitigkeit. Auch Gott wirbt um die Freundschaft des Menschen. Am Schicksal Jesu wird das besonders deutlich. Er geht nicht nur alle Wege mit. Er lädt auch ein, Seinen Weg mit zu gehen. Ihm nachzufolgen bis unter das Kreuz. Das Zwiegespräch mit dem Gekreuzigten gehört für Manchen zum Bewegendsten, was in Exerzitien geschehen kann. Der Blick auf den leidenden und sterbenden Jesus rührt an. Hier zeigt sich, wie groß die Liebe des Freundes ist. Und mancher kann dann zum ersten Mal die eigenen Wunden und Verletzungen Ihm entgegen halten. Dann ist Jesus ein Freund des ganzen Lebens geworden. Sorge und Leid haben vor Ihm ebenso Platz wie Freude und Erfolg. Ein richtiger Freund darf um alles wissen. Und am Leben Jesu zeigt sich: Er kann bei allem mitreden. Nichts ist Ihm fremd. Wer von Freund zu Freund spricht, darf das erfahren.

Pfr. Dr. Michael Kleinert

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